Refurbished

Das zweite Leben eines Smartphones

Bei der Neuan­schaf­fung eines Autos ist es Usus, den alten Wagen an einen Händler zu verkaufen. Bei Smart­phones wandern dagegen viele Altge­räte in die Schub­lade. Hier sehen Experten in Deutsch­land großes Poten­zial - auch im Sinne der Nach­hal­tig­keit.
Von dpa /

Ein altes Smartphone als Musikplayer Ein altes Smartphone als Musikplayer
Bild: teltarif.de, Poweramp
Mit geschickten Fingern hat Sebas­tian Heyn das Smart­phone in Einzel­teile zerlegt. Erst musste er das Gerät in einem Auto­maten erwärmen und so den Kleber lösen. Nun liegen die Teile säuber­lich sortiert vor ihm: Akku, Platine, Koaxi­alkabel, Front­kamera. "Bei diesem Gerät muss das Display ausge­tauscht werden", sagt der 35-Jährige. Ist es einmal zerlegt, könnten auch andere Bauteile, deren Lebens­ende naht, gleich gewech­selt werden.

Werk­stätten wie hier in Hart­manns­dorf bei Chem­nitz repa­rieren Handys für ihre Besitzer oder Garan­tie­fälle. Doch auch ausran­gierte Altge­räte landen dort und bekommen ein zweites Leben einge­haucht.

"Refur­bish­ment" als Wachs­tums­markt mit großem Poten­zial

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Bild: teltarif.de, Poweramp
Rund 206 Millionen solcher Handys und Smart­phones schlum­mern in den Schub­laden von Privat­leuten in Deutsch­land. Das hat eine Befra­gung im Auftrag des Bran­chen­ver­bandes Bitkom ergeben. Im Sinne des Klima- und Umwelt­schutzes sei anzu­streben, die Geräte länger zu nutzen, erklärt Bitkom-Experte für Nach­hal­tig­keit, Niklas Meyer-Breit­kreutz. Denn die Herstel­lung mache den Groß­teil ihres ökolo­gischen Fußab­dru­ckes aus. Inno­vati­ons­sprünge bei neueren Modellen seien inzwi­schen geringer als früher, sodass junge Gebrauchte attrak­tiver bei einer Neuan­schaf­fung werden, schätzt der Experte. Das "Refur­bish­ment", wie Fach­leute die Gene­ral­über­holung gebrauchter Elek­tro­geräte nennen, sei ein Wachs­tums­markt mit großem Poten­zial.

Gebrauchte Handys wurden bisher häufig privat verkauft. Für Käufer und Verkäufer lauern dabei Gefahren. Private Daten könnten in falsche Hände gelangen und eine Garantie gibt es für den Käufer nicht. Etliche Verbrau­cher horten die Geräte deswegen lieber in ihrer Schub­lade, wie die Bitkom-Befra­gung ergab. Auch um im Notfall ein Ersatz­gerät zur Hand zu haben.

Pierre-Pascal Urbon sieht im bishe­rigen Abwick­lungs­pro­zess eine Hürde. Er ist Vorstands­chef der Komsa AG, eines der größten Fami­lien­unter­nehmen in Ostdeutsch­land. Mehr als eine Million Geräte werden im säch­sischen Hart­manns­dorf pro Jahr repa­riert oder aufbe­reitet. Nun will Komsa bei Ankauf, Aufbe­rei­tung und Verkauf gebrauchter Smart­phones stärker mitmi­schen. Bisher ist die Firma dabei etwa über Fach­händler aktiv, nun wird ein digi­taler Markt­platz für Endkunden vorbe­reitet. Urbon will unter anderem künst­liche Intel­ligenz für die opti­sche Bewer­tung der Geräte einsetzen.

Apple und Samsung nehmen Geräte in Zahlung

Das Poten­zial haben auch andere Unter­nehmen erkannt. Hersteller wie Apple und Samsung bieten beim Kauf neuer Geräte an, das alte in Zahlung zu nehmen. Sie werden aufbe­reitet oder gehen ins Recy­cling, um Rohstoffe zurück­zuge­winnen. Laut Apple wurden im vergan­genen Jahr welt­weit 10,4 Millionen Geräte dem Refur­bish­ment zuge­führt und 39.000 Tonnen Elek­troschrott dem Recy­cling. Das ist aber nur ein Bruch­teil der verkauften Neuge­räte, schät­zungs­weise über 200 Millionen Stück im vergan­genen Jahr.

Daneben verzeichnen Inter­net­platt­formen wie Refurbed und Back Market in Deutsch­land nach eigenen Angaben hohe Wachs­tums­raten. Auf solchen Markt­plätzen können Verbrau­cher ihre Altge­räte zu Geld machen und werden gene­ral­über­holte Elek­tro­geräte ange­boten. "Der Markt wächst massiv", sagt Refurbed-Mitgründer Kilian Kaminski. Sein Unter­nehmen habe den Umsatz im vergan­genen Jahr mehr als verdrei­facht. Für den Verbrau­cher sei der Erlös umso höher, je neuwer­tiger ein Gerät sei. "Ich schätze, dass bereits mehrere Millionen refur­bishte Geräte in Deutsch­land pro Jahr verkauft werden." Smart­phones machten dabei den größten Anteil aus.

Im Vergleich zu anderen Ländern hinke Deutsch­land jedoch hinterher. Während in Frank­reich etwa 40 Prozent der Menschen solche Smart­phones nutzten, seien es in Deutsch­land erst rund zehn Prozent, erläu­tert der Deutsch­land­chef von Back Market, Martin Hügli, mit Verweis auf interne Daten. "Da ist noch eine Menge Luft nach oben und wir stehen hier erst am Anfang." Das wich­tigste Argu­ment für Verbrau­cher sieht er in einem besseren Preis-Leis­tungs­ver­hältnis im Vergleich zu Neuge­räten. Die größte Nach­frage gebe es für Smart­phones, die vier bis sechs Jahre alt seien.

Umwelt­bewusst­sein spielt eine Rolle

Doch auch das Umwelt­bewusst­sein spielt den Experten zufolge zuneh­mend eine Rolle. "Nach­hal­tig­keit nimmt bei Endkunden einen immer größeren Stel­len­wert ein", sagt Komsa-Chef Urbon und verweist etwa auf die Fridays-for-Future-Bewe­gung. "In Zukunft könnte es hipp sein, ein gebrauchtes Gerät zu haben statt ein neues." Neben Privat­leuten sieht er Firmen als Ziel­gruppe, die etwa eine große Zahl von Beschäf­tigten mit dezen­tralen Arbeits­plätzen ausstatten wie Service-Mitar­beiter oder Paket­zusteller.

Und nicht nur Unter­nehmen haben die ausge­mus­terten Smart­phones im Blick. Seit einigen Jahren sammelt etwa das katho­lische Hilfs­werk Missio Handy­spenden. Rund 240.000 Geräte wurden den Angaben zufolge abge­geben. Der über­wie­gende Teil sei recy­celt und so Gold, Silber und Kupfer zurück­gewonnen worden. Rund 20.000 Geräte wurden aufbe­reitet und weiter­ver­kauft, wie ein Spre­cher infor­miert. Insge­samt wird der Erlös auf 127.000 Euro bezif­fert, der in Hilfs­pro­jekte geflossen sei.

Für einen guten Zweck sammelt auch der Natur­schutz­bund (Nabu) ausran­gierte Handys und Smart­phones. Unter dem Motto "Handys für Hummel, Biene und Co." koope­riert der Verein dabei mit dem Tele­kom­muni­kati­ons­pro­vider Telefónica Deutsch­land (o2) bereits seit 2011. Für die gesam­melten Handys spendet Telefónica jähr­lich eine feste Summe, die in den Nabu-Insek­ten­schutz­fonds fließt.

Alte Handys und PCs gehören nicht in den Haus­müll. Wie Sie Ihr Mobil­telefon oder Ihren Elek­troschrott umwelt­gerecht entsorgen, verrät Ihnen unser Ratgeber. Und wir nennen zehn Dinge, die Sie mit ausran­gierten Smart­phones noch tun können.

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