Netflix: Weniger Geld für Inhalte
In den vergangenen Jahren lautet das Netflix-Motto oftmals Quantität vor Qualität. Ziel in Los Gatos war in erster Linie Wachstum um jeden Preis, dementsprechend baute man den Content-Katalog massiv aus. In der Bilanz hat sich diese Strategie bekanntermaßen nicht positiv niedergeschlagen. Netflix kämpft mit schwachen Kundenzahlen, darüber hinaus rücken Disney & Co. immer näher zum Branchenprimus auf. Mittlerweile wirkt der sonst beim Blick auf Wettbewerber eher gelassen scheinende Netflix-CEO Reed Hastings zunehmend nervös, was letztendlich auch Mitarbeiter in der Unternehmenszentrale zu spüren bekommen.
Aktienkurs knickt ein
Spart Netflix künftig bei erfolgreichen Serien wie "Stranger Things"?
Foto: Tina Rowden/Netflix
2022 war kein gutes Jahr für Netflix-Investoren, so brach der Kurs im Vergleich zum Allzeithoch November 2021 um satte 71 Prozent ein. Im April verbuchte das Unternehmen erstmals überhaupt seit zehn Jahren einen Abonnentenrückgang, so stiegen im Berichtszeitraum Q1 rund 200.000 Abonnenten aus. Neben hausgemachten Problemen muss ebenso der Russland-Ausstieg bilanziell negativ verbucht werden.
Bela Bajaria, Head of Global TV bei Netflix, will Einsparungen bei Inhalten allerdings nicht als generelle Abkehr bisheriger Pläne zu verstehen wissen: "Wir streben keine radikalen Veränderungen in unserem Geschäft an, wir fusionieren nicht und befinden uns auch nicht in einer Übergangsphase", macht die Managerin deutlich.
"Geschäftsmodell funktioniert"
"Das Geschäftsmodell funktioniert. Wenn wir eine großartige Show wie 'Stranger Things' produzieren, sehen sich die Zuschauer das an", so Bajaria. Allerdings: Diese Aussage bezieht sich offenkundig nur auf wenige sehr erfolgreiche Shows. "Stranger Things" funktioniert auf Netflix, wie in der Vergangenheit bereits auch "House Of Cards" oder "Orange Is The New Black". Konkrete Zahlen zum Erfolg anderer Serien bleibt die Medienmanagerin schuldig.
Netflix investiert in diesem Jahr etwa 17 Milliarden US-Dollar in neue Inhalte. Zum Vergleich: Disney will im kommenden Jahr seine Content-Ausgaben auf 33 Milliarden US-Dollar erhöhen. Damit fließt im Mickey-Mouse-Konzern nahezu doppelt so viel Geld in Eigenproduktionen. Warner Bros. Discovery investiert immerhin noch 23 Milliarden US-Dollar pro Jahr in Content. Da Netflix also schon jetzt bei Ausgaben den Anschluss verliert, müsste theoretisch also sogar mehr Geld in Eigenproduktionen fließen, um den Anschluss zum Wettbewerb nicht zu verlieren.
Trübe Aussichten
Für Netflix ist die aktuelle Situation in der Tat ein Teufelskreis. Ein Nettokundenverlust bei gleichzeitiger Notwendigkeit aufgrund des Wettbewerbs weitere Milliarden in eigene Inhalte investieren zu müssen - das kann auf Dauer nicht gut gehen. Zumal das Unternehmen bis heute de facto ausschließlich vom SVoD-Geschäft abhängig ist. Diversifikation durch Werbeeinnahmen bzw. Merchandising, Lizenzen oder Themenparks wie bei Disney fehlt völlig.
Last but not least hat Netflix im Gegensatz zur Konkurrenz kein Hollywood-Studio im Rücken. Das rächt sich jetzt, denn bekanntermaßen fehlen Lizenzinhalte aus eben diesen Studios. Zudem wären entsprechende Studiokapazitäten für Eigenproduktionen gerade jetzt umso wichtiger. Ausgerechnet Mitbewerber Amazon hatte Netflix das renommierte Studio MGM vor der Nase weggeschnappt. Mit welcher Strategie auch immer Netflix nun weitermachen will: Die Luft an der Streaming-Spitze wird für CEO Reed Hastings zunehmend dünner, was ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die Aktionäre werden spüren lassen.