Proctoring

So werden Studenten bei Prüfungen zu Hause ausgespäht

Trotz Corona wollen Studie­rende weiter­kommen und schreiben online Klau­suren. Dabei werden sie teil­weise massiv über­wacht, um Mogeln zu verhin­dern. Dieser Praxis will ein Daten­schützer nun einen Riegel vorschieben und wird damit zum Pionier.
Von dpa /

Die Überwachung von Studenten bei Prüfungen zu Hause geht viel zu weit Die Überwachung von Studenten bei Prüfungen zu Hause geht viel zu weit
Bild: dpa
Als erster Daten­schützer bundes­weit geht der baden-würt­tem­ber­gische Landes­beauf­tragte gegen den Einsatz von Über­wachungs­soft­ware bei Online-Prüfungen in Hoch­schulen vor. Bei einer Reihe von Examen mit Fern­auf­sicht über das Internet ("Proc­toring") sei an Hoch­schulen im Südwesten in der Corona-Zeit gegen Recht und Gesetz verstoßen worden, erklärte der Daten­schutz­beauf­tragte Stefan Brink heute in Stutt­gart. "Dauer­hafte Kontrolle von Studie­renden in Prüfungs­situa­tionen durch tech­nische Tools, die zu stark ins Private gehen, ist nicht akzep­tabel." Bei dem Versuch, Betrugs­ver­suche von Studie­renden am heimi­schen Rechner zu verhin­dern, seien manche Lehr­kräfte über das Ziel hinaus­geschossen.

Daten­schützer hält Tracking von Augen­bewe­gung für "Hokus­pokus"

Die Überwachung von Studenten bei Prüfungen zu Hause geht viel zu weit Die Überwachung von Studenten bei Prüfungen zu Hause geht viel zu weit
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Brink hat einen ab sofort geltenden Vorga­ben­katalog erar­beitet, der über das Landes­hoch­schul­gesetz hinaus­geht, um Verstöße gegen den Daten­schutz und die IT-Sicher­heit zu verhin­dern. Zwar soll Video­auf­sicht erlaubt sein, aber es soll ein Aufzeich­nungs­verbot gelten. Auch der Einsatz von Platt­formen zur Fern­auf­sicht, die den Rechner des Prüf­lings scannen und damit auch Zugang zu persön­lichen Daten erhalten, ist künftig nicht mehr erlaubt. Damit dürfen Unis und Fach­hoch­schulen fortan prak­tisch keine Online-Tools des US-Anbie­ters Proc­torio mehr anwenden. Mit der Soft­ware können Geräte "durch­forstet" werden, ob sich Hilfs­mittel darauf befinden.

Zahl­reiche Studen­tinnen und Studenten mussten eine Soft­ware auf ihren Rechner spielen, um an einer Prüfung von zuhause teil­nehmen zu können. Es habe eine ganze Reihe von Hinweisen und Beschwerden gegeben, sagte der Daten­schutz­beauf­tragte. Mit der Soft­ware soll zum Beispiel verhin­dert werden, dass die Prüf­linge Such­maschinen benutzen oder etwas aus der Zwischen­ablage in die Klausur hinein­kopieren. Während des Examens mussten sie dann Kamera und Mikrofon anlassen und durften ihren Platz vor dem Rechner nicht verlassen. "Man wollte an der Mimik erkennen, ob jemand betrügt", sagte Brink. "Das halten wir für Hokus­pokus. Das sind massive Eingriffe in die Frei­heit der Studen­tinnen und Studenten."

Es könne auch nicht sein, dass sich manche Hoch­schulen vor Klau­suren eine unzu­läs­sige Einwil­ligung von Studie­renden einholen. "Es gab an den Hoch­schulen keine einheit­lichen, sondern sehr unter­schied­liche Lösungen für Online-Prüfungen - zum Teil auch waghal­sige."

Gesell­schaft für Frei­heits­rechte will sogar gegen Unis klagen

Am Mitt­woch hatte die Gesell­schaft für Frei­heits­rechte in Berlin ein Gutachten vorge­legt, in dem eben­falls auf unzu­läs­sige Eingriffe in die Rechte der Studie­renden hinge­wiesen wird. "Bei der raschen Digi­tali­sie­rung des Prüfungs­wesens haben zahl­reiche Univer­sitäten im vergan­genen Jahr ein Maß an Über­wachung imple­men­tiert, das bei Präsenz­prü­fungen undenkbar wäre", sagte der Anwalt David Werder­mann von der Gesell­schaft für Frei­heits­rechte. "Die Grund­rechte der Studie­renden sind dabei unter die Räder geraten."

Das Gutachten soll als Grund­lage für mögliche Klagen dienen. Der Verein sucht nun Studen­tinnen oder Studenten, die gegen die Über­wachungs­praxis recht­lich vorgehen wollen.

Landes­daten­schützer will Hoch­schulen nun helfen

Während der baden-würt­tem­ber­gische Daten­schutz­beauf­tragte darauf verzichtet, betrof­fene Hoch­schulen zu nennen, hat die Gesell­schaft für Frei­heits­rechte vier Univer­sitäten ausge­macht: die Tech­nische Univer­sität Darm­stadt, die TU München, die Uni Erfurt, die Humboldt-Univer­sität zu Berlin sowie viele Fern­hoch­schulen.

Brink will den Hoch­schulen im Südwesten "bei der Suche nach pass­genauen, daten­schutz­kon­formen Lösungen" helfen. Er sagt: "Natür­lich müssen Prüfungs­situa­tionen einheit­lich und fair orga­nisiert werden. Auch müssen die Prüfungen, wenn immer nötig, beauf­sich­tigt werden." Er werde aber weiter darauf achten, dass die Bürger­rechte der Studie­renden gewahrt werden. "Sie müssen ihre Rechte nicht aufgeben, um zeitnah an einer Prüfung teil­nehmen zu können." Man sei aber in "guten Gesprä­chen" mit dem Wissen­schafts­minis­terium in Stutt­gart und den Hoch­schulen, "damit künftig die Rechte der Studie­renden bei Online-Prüfungen überall gewahrt werden".

Eigent­lich wollten deut­sche Daten­schützer die Daten­wei­ter­gabe von WhatsApp an Face­book verhin­dern. Doch dieses Vorhaben bremsen nun euro­päi­sche Daten­schützer aus.

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