Urheberrecht: Kommen die Upload-Filter?
Für Urheber, Internetnutzer und Plattformbetreiber wird es voraussichtlich ab 7. Juni neue Regeln zum Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken geben. Der Bundesrat hat heute die in Teilen stark umstrittene Urheberrechtsreform gebilligt. In der nächsten Stufe muss das Gesetz nun noch dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt werden und soll dann am 7. Juni 2021 in Kraft treten.
Deutschland setzt damit eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019 zum Urheberrecht um, zu der es vor Jahren schon große Proteste in vielen europäischen Ländern gegeben hatte.
Der Kern: Künftig sollen Plattformbetreiber in die Haftung genommen werden können, wenn Internetnutzer urheberrechtlich geschützte Werke wie Bilder, Texte oder Videos "unerlaubt" hochladen.
Lizenzverträge mit Plattformen
Der Bundesrat hat das Urheberrecht gebilligt. Am 7.6. soll es in Kraft treten. Nicht alle Beteiligten sind damit glücklich
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Plattformen (wie z.B. YouTube) können dagegen über Lizenzverträge mit den Rechteinhabern vorsorgen und müssen aber zugleich in bestimmten Fällen bestimmte Inhalte im Netz auch blockieren.
Das Hochladen von kleinen Ausschnitten urheberrechtlich geschützter Werke soll bis zu einer gewissen Größe weiter erlaubt sein. Die Reform enthält auch ein neues Leistungsschutzrecht für Presseverleger.
Länder billigen tiefgreifende Novelle des Urheberrechts
Der Bundesrat hat die vom Bundestag beschlossene Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes gegeben - die umfassendste Novelle seit 20 Jahren. Eine Neuregelung war aufgrund detaillierter Vorgaben in Richtlinien der EU, insbesondere der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie), und einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes erforderlich geworden.
Das Gesetz ordnet die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen für die von Nutzern hochgeladenen Inhalte neu. Die Plattformen sind für die öffentliche Wiedergabe dieser Inhalte nun grundsätzlich urheberrechtlich verantwortlich und können sich nur dadurch von ihrer Haftung befreien, dass sie den konkret geregelten Sorgfaltspflichten nachkommen. Hierzu zählt die Pflicht, bestimmte Lizenzen für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben.
Sind geschützte Inhalte nicht lizenziert und ist die Nutzung gesetzlich oder vertraglich nicht erlaubt, so muss der Diensteanbieter, nachdem er den Rechtsinhaber informiert hat, die entsprechenden Inhalte blockieren. Das dürfte nach herrschender Meinung nur durch automatisch arbeitende Upload-Filter möglich sein.
Nutzung für Kunst und Kommunikation
Zum Schutz der Kunstfreiheit und der sozialen Kommunikation erlaubt das Gesetz die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke, insbesondere zu den Zwecken von Zitat, Karikatur, Parodie und Pastiche. Um unverhältnismäßige Blockierungen entsprechender Uploads beim Einsatz automatisierter Verfahren zu vermeiden, gibt es für die öffentliche Wiedergabe besondere Regeln.
Das Konzept der mutmaßlich erlaubten Nutzungen beinhaltet bestimmte nutzergenerierte Inhalte, "die einen hinreichenden Anhalt dafür bieten, dass die Verwendung geschützter Inhalte Dritter gesetzlich erlaubt ist". Dann muss der Diensteanbieter diese "grundsätzlich bis zum Abschluss eines etwaigen Beschwerdeverfahrens öffentlich wiedergeben."
Vertrauenswürdige Rechtsinhaber können die Wiedergabe bei erheblicher wirtschaftlicher Beeinträchtigung bis zur Entscheidung über die Beschwerde unterbinden, wenn die Vermutung zu widerlegen ist. Die Kreativen erhalten für lizenzierte Nutzungen einen Direktvergütungsanspruch gegen die Plattformen. Für Streitigkeiten zwischen Plattformen, Rechtsinhabern und Nutzern stehen Beschwerdeverfahren zur Verfügung.
Viele Künstler hatten die befürchtet, dass sie für Kurzzitate keinerlei Tantiemen bekommen würden.
Kollektive Lizenzen erweitert
Es wird bestimmte Vorschriften für "vergriffene" Werke geben, die nicht (mehr) im Handel erhältlich sind. Hier sollen umfassende Lizenzen von Verwertungsgesellschaften zu geringen Transaktionskosten erhältlich sein, auch für Werke von Außenstehenden.
Wo es keine "repräsentative Verwertungsgesellschaften" gibt, könnte es eine gesetzlichen Erlaubnis geben.
Neue Verlegerbeteiligung
Es gibt einen neuen gesetzlichen Beteiligungsanspruch des Verlegers, sofern der Urheber dem Verleger ein Recht an dem Werk eingeräumt hat. Vervielfältigungen eines gemeinfreien visuellen Werkes genießen künftig keinen Leistungsschutz mehr.
Bei Streitigkeiten über die Lizenzierung audiovisueller Werke für die Zugänglichmachung über Videoabrufdienste können die Parteien eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung einleiten.
Erleichterter Rechteerwerb
Sendeunternehmen (also Radio- oder TV-Stationen) müssen für bestimmte europaunionsweit verbreitete Internet-Angebote die Rechte nur noch für den Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerben, in dem der Sender seinen Sitz hat.
Nicht alle sind glücklich
In einer Erklärung bedauert die Bundesregierung, dass es nicht gelungen sei, ein Konzept zur urheberrechtlichen Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen zu verabreden, "das in der Breite alle Seiten überzeugt".
Insbesondere die Verwendung von "Upload-Filtern", die automatisiert "rechtlich heikles" Material herausfiltern sollen und stark fehlerbehaftet sein dürften, stößt auf massive Kritik und Ablehnung.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Wenn es um Rechte geht, betritt man schnell vermintes Gelände. Nachvollziehbar ist, dass ein Schriftsteller, Komponist oder Musiker seine Arbeit vergütet haben muss, besonders in der aktuellen Lage. Schwieriger wird schon die Lage, wenn milliardenschwere Konzerne auf Rechten bestehen, die sich dem End-Nutzer nicht sofort erschließen. Und schwierig bleibt die Lage für kleine unbekannte Künstler, die nicht bei großen Rechte-Konzernen unter Vertrag stehen. Wir werden bald von krassen Fällen lesen, wo die als "notwendig" betrachteten "Upload-Filter" falsche Ergebnisse liefern und für Spott und Häme sorgen und die berechtigte Kritik weiter befeuern werden.
Eins dürfte sicher sein: Das Thema bleibt brennend und es wird sicher früher oder später höchstrichterliche Urteile dazu geben, dann könnte das Thema wieder auf Tagesordnung kommen.