Verhandlung

BGH zu Urheberrecht: Netzsperren sind nur letztes Mittel

Was tun gegen Piraten-Webseiten? Netz­sperren sind eine Möglich­keit bei Urhe­ber­rechts­ver­let­zungen. Sie sind aber nur das letzte Mittel, betont der BGH. Das Urteil steht noch aus.
Von dpa /

BGH verhandelt zu Netzsperren bei illegal im Netz veröffentlichten Büchern BGH verhandelt zu Netzsperren bei illegal im Netz veröffentlichten Büchern
picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Netz­sperren sind ein scharfes Schwert bei Urhe­ber­rechts­ver­let­zungen - bevor sie verhängt werden können, müssen alle anderen Mittel ausge­schöpft werden.

Das machte der Bundes­gerichtshof (BGH) heute bei der Verhand­lung über eine Klage von Wissen­schafts­ver­lagen gegen die Deut­sche Telekom deut­lich. (Az. I ZR 111/21). "Eine Sper­rung ist das letzte Mittel", betonte der Vorsit­zende Richter Thomas Koch. Es bestehe die Gefahr, dass auch der Zugang zu legalen Inhalten gesperrt würde. Ein Urteil verkündet der BGH zu einem späteren Zeit­punkt.

Artikel und Bücher ohne Zustim­mung der Rech­teinhaber veröf­fent­licht

BGH verhandelt zu Netzsperren bei illegal im Netz veröffentlichten Büchern BGH verhandelt zu Netzsperren bei illegal im Netz veröffentlichten Büchern
picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Die Verlage aus Deutsch­land, den USA und Groß­bri­tan­nien bean­spru­chen eine Sperre von Inter­net­seiten der Dienste "LibGen" und "Sci-Hub", weil dort Artikel und Bücher ohne Zustim­mung der Rech­teinhaber veröf­fent­licht wurden. Das Ober­lan­des­gericht München wies die Klage ab: Die Verlage hätten sich zunächst an den in Schweden ansäs­sigen Host-Provider der beiden Inter­net­dienste wenden müssen. Host-Provider sind Inter­net­anbieter, die ihre Server für die Inhalte anderer Nutzer bereit­stellen.

Nach dem Tele­medi­enge­setz kann eine Sper­rung verlangt werden, wenn das Recht am geis­tigen Eigentum verletzt wurde. Die Sper­rung muss aber verhält­nis­mäßig sein. Netz­sperren sind umstritten: Zum einen können auch Ange­bote blockiert werden, die legal im Netz stehen, zum anderen sind Sperren beim Domain Name System (DNS) leicht zu umgehen.

Der BGH entschied schon 2015, dass Inter­net­pro­vider prin­zipiell zur Sper­rung von Webseiten verpflichtet werden können. Diese Sperr­pflicht wurde aller­dings eng gefasst und an hohe Hürden für Kläger geknüpft.

Einst­wei­lige Anord­nung gegen den die Hosting­firma?

Kern­frage im aktu­ellen Fall ist: War es den Verlagen zuzu­muten, zunächst den Host-Provider in Schweden in Anspruch zunehmen? Koch zufolge wäre etwa eine einst­wei­lige Anord­nung gegen den die Hosting­firma möglich gewesen, um Namen und Anschriften der Betreiber zu ermit­teln.

Der Anwalt der Verlage betonte hingegen, mit einem Namen sei bei Piraten-Webseiten nichts erreicht, da deren rechts­wid­riges Geschäfts­modell darauf beruhe, dass Iden­titäten verschleiert würden. "Die Verletzer sind nicht greifbar." Sie würden sich auch bei einer mit beträcht­lichen Kosten verbun­denen Ausschöp­fung der Rechts­wege und nach vielen über­flüs­sigen Korre­spon­denzen allen Maßnahmen der Voll­stre­ckung entziehen. Er warnte davor, bei Betrei­bern, die "außer­halb der Rechts­ord­nung agieren", an Forma­litäten fest­zuhalten.

Der Telekom-Anwalt wiederum verwies darauf, dass auch mit DNS-Sperren die Verbrei­tung von Inhalten nicht unter­bunden werde. Auch habe der Inter­net­zugangs­anbieter keinen Einblick in die Inhalte der Webseiten. Zudem sei unklar, wie lange und für welche Werke die Sperren gelten sollten.

Der BGH änderte mit mehreren Anfang Juni verkün­deten Urteilen seine bishe­rige Recht­spre­chung, wonach Internet-Platt­formen nicht hafteten, wenn Nutzer mit hoch­gela­denen Inhalten gegen Urhe­ber­recht verstoßen.

Mehr zum Thema Internet-Sperren