Bundesregierung: Kontakt zur Telegram-Konzernspitze
Der Messaging-Dienst Telegram ist weltweit gefragt. Im Gegensatz zu vielen anderen Angeboten kommt er nicht aus den USA. Deren Betreiber legen großen Wert darauf, dass sich die Nutzer "ungestört", also auch unzensiert, austauschen. Verständlich, dass das Regierungen autoritärer Staaten nicht gefällt.
Dadurch ist Telegram in Ländern mit Demokratie-Defizit bei der jeweiligen Opposition sehr beliebt, Beispiele gibt es von (Ost-)Europa über Afrika bis Asien.
Wenn Freiheit missbraucht wird
Telegram ersetzt kein Mikroskop - Protest gegen die Corona-Leugner, die sich auf Telegram gerne austoben.
Foto: Picture Alliance/dpa
Diese "Freiheit" hat aber auch dafür gesorgt, dass Interessengruppen, die ihre eigene "Wahrheit" verkünden oder zum (bewaffneten) Kampf gegen Andersdenkende/Andersgläubige aufrufen wollen und von Diensten wie Twitter, WhatsApp, Facebook etc. bereits ausgesperrt wurden, sehr gerne Telegram verwenden. Dabei bleibt es nicht bei kontroversen Diskussionsbeiträgen, sondern es wird zur radikalen Hetze und Gewalt gegen Andersdenkende ("Feinde") aufgerufen, auch hierzulande in deutschsprachigen Chatgruppen. Teilweise wurden schon Mordaufrufe und Todeslisten gepostet. Da hört der Spaß auf und die Sache wird nach deutschem Recht strafbar. Offenbar glauben viele Nutzer, im Internet komplett anonym sein zu können und nicht entdeckt zu werden.
Bundesregierung lange erfolglos
Lange hatte die deutsche Bundesregierung versucht, direkten Kontakt zum Messengerdienst Telegram aufzunehmen, jetzt ist das gelungen. "In einem ersten konstruktiven Gespräch zur weiteren Zusammenarbeit haben wir vereinbart, den Austausch fortzusetzen und zu intensivieren", schrieb Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) heute auf Twitter. "Dieser Schritt ist ein guter Erfolg, auf dem wir aufbauen werden." Details, wie der Kontakt zustande kam und mit wem sie gesprochen hat, nannte sie nicht.
Kontakt per Videokonferenz
Dem Vernehmen nach nahmen an einer Videokonferenz mit Beamten aus dem Innen- und Justizministerium am Mittwoch auch Vertreter der Konzernspitze von Telegram teil. Diese sollen ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit erklärt haben. Weitere Gespräche wurden vereinbart.
Wer steckt hinter Telegram?
Der Messenger-Dienst Telegram wurde von den russisch-stämmigen Brüdern Nikolai und Pawel Durow gegründet. Sie hatten in Russland bereits das Netzwerk Vk.com aufgebaut, eine Art russische Version von Facebook. vk wurde schnell populär, doch irgendwann kam es zum Konflikt mit der russischen Regierung, die mehr Einblick und Kontrolle über den Dienst haben wollte. Das wollten die Durow-Brüder aber nicht und so wurde ihnen "nahegelegt" den Dienst zu verkaufen, was sie dann auch taten.
In Folge gründeten sie Telegram. Die Durow-Brüder versprechen ihren Anwendern, die Daten der Nutzer von Telegram zu schützen. Deshalb lehnen die Telegram-Macher in weiten Teilen eine Kooperation mit staatlichen Stellen ab und kümmern sich daher auch nicht um Löschanfragen, selbst wenn es sich um Hassrede und Gewaltaufrufe handelt.
Nur bei eindeutiger islamistischer Terror-Propaganda soll es westlichen und russischen Behörden gelungen sein, Telegram zu Löschaktionen zu bewegen.
Schwierige Kontaktaufnahme
Der Verantwortlichen des Messengerdienstes gelten als "schwierig zu erreichen". Das Kernteam um Pawel Durow sitzt derzeit in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate). Den deutschen Behörden ist bislang nicht gelungen, Löschanforderungen nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) an Telegram "rechtssicher" zuzustellen.
Buschmann droht mit Bußgeld
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte am heutigen Freitag dem Anbieter mit einem Millionen-Bußgeld gedroht. Er erklärte bei einem EU-Treffen in Lille, dass das Bundesamt für Justiz ein Bußgeldverfahren gegen Telegram eingeleitet habe. Man habe dazu in den Vereinigten Arabischen Emiraten um Rechtshilfe gebeten. Wenn Telegram die Nachricht dauerhaft nicht zugestellt werden könne, gebe es die Möglichkeit einer "öffentlichen Zustellung im Ausland". Genauer: "Das heißt, wir würden das dann öffentlich machen, und dann muss das Unternehmen das auch gegen sich gelten lassen, als ob die formelle Zustellung erfolgt ist."
Anschließend werde der nächste Schritt eingeleitet - die Festsetzung eines Bußgeldes. Dieses könne in die Millionen gehen. "Und deshalb wäre es besser für das Recht, aber auch für Telegram, wenn wir im Wege des Gesprächs zu einer Lösung kommen würden."
Buschmann beriet mit seinen EU-Kollegen ebenfalls über Hassrede und Hassverbrechen im Internet. In Deutschland steht Telegram vor allem deshalb im Fokus, weil sich über den Dienst teils radikale Gegner der Corona-Politik organisieren. Das Bundeskriminalamt hatte kürzlich angekündigt, Telegram stärker ins Visier zu nehmen.
Wenig bis keine Moderation
Telegram hat den Ruf, jegliche Inhalte ohne Moderation zuzulassen. Die Größe von Gruppen oder das Weiterleiten von Nachrichten sind so gut wie nicht beschränkt, anders als etwa auf WhatsApp. Das hat vor allem während der Pandemie Akteure angezogen, die auf Plattformen wie Youtube oder Facebook wegen Falschinformationen oder verhetzenden Inhalten gesperrt wurden.
Neben Einzel- und Gruppenchats gibt es auf Telegram auch Kanäle, die in der Regel öffentlich einsehbar sind. Ähnlich wie bei Twitter-Profilen sendet hier der Kanalbetreiber seine Botschaften an eine beliebig große Zahl von Abonnenten. Im Gegensatz zu WhatsApp kann der Telegram-Nutzer seine Handynummer "unsichtbar" machen und ist somit außerhalb von Telegram schwer oder gar nicht "erreichbar".
Ein ganz anderer Talk ist der Teltarif-Podcast. Ist Antennen-TV noch zeitgemäß?