CUII sperrt Webseiten: Das sagt ein Anwalt dazu
Rechtsanwalt Christian Solmecke zur Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII)
Bild: Tim Hufnagl
Ein privater Verein sperrt nach eigenem Geschmack Internetseiten: Auch der zweite Bericht von teltarif.de zu diesem Thema hat einiges an Aufsehen erregt - doch nach wie vor blieben zahlreiche Fragen offen: Darf ein privater Verein einfach im Internet nach eigenem Geschmack Seiten sperren? Wer wäre berechtigt und könnte gegen wen wo dagegen klagen?
Darüber hinaus stellen sich Fragen wie: Was kann der einzelne Internetnutzer an der Basis tun? Und gäbe es beispielsweise ein außerordentliches Kündigungsrecht, weil der eigene Internet-Zugangsprovider auf einmal Seiten sperrt? Alle diese Fragen haben wir dem bekannten Rechtsanwalt Christian Solmecke gestellt:
teltarif.de: Darf ein privater Verein einfach im Internet nach eigenem Geschmack Seiten sperren?
Rechtsanwalt Christian Solmecke zur Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII)
Bild: Tim Hufnagl
Christian Solmecke: Nach der EU-Netzneutralitätsverordnung sind Internetzugangsanbieter zunächst
einmal dazu verpflichtet, den "gesamten Verkehr bei der Erbringung von
Internetzugangsdiensten gleich, ohne Diskriminierung, Beschränkung oder
Störung" zu behandeln. Sie sind also zunächst einmal eindeutig zur
Netzneutralität verpflichtet.
Ausnahmsweise dürfen sie allerdings Webseiten als Verkehrsmanagementmaßnahme blockieren, wenn dies Gesetzgebungsakte der EU oder mit dem EU-Recht im Einklang stehende nationale Rechtsvorschriften vorsehen. Fraglich ist, ob sich die CUII als Zusammenschluss von Rechteinhabern und Internetzugangsanbietern auf eine solche nationale Vorschrift berufen kann. Zwar gesteht § 7 Abs. 4 des Telemediengesetzes (TMG) Rechteinhabern den Anspruch zu, von Telemediendiensten die Sperrung von Internetseiten zu verlangen, wenn Urheberrechte verletzt wurden. Dieser Anspruch muss jedoch gerichtlich durchgesetzt werden. Das geht aus der Gesetzesbegründung von § 7 Abs. 4 TMG hervor. Zudem ist die Norm im Lichte des EU-Rechts auszulegen, insbesondere von Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie (InfoSoc-RL). Demnach sollen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass "Rechteinhaber gegen Internetprovider gerichtliche Anordnungen beantragen können, wenn deren Dienste für Urheberrechtsverletzungen genutzt wurden". Diese Formulierung legt nahe, dass Netzsperren aufgrund von Urheberrechtsverletzungen auf der Grundlage gerichtlicher Anordnungen ergehen sollen.
Durch die neue Clearingstelle Urheberrecht sehe ich nicht nur die Informationsfreiheit der Internetnutzer in Gefahr, sondern auch die Grundrechte vieler Website-Betreiber, deren legale Inhalte nun auf einfachem Wege gesperrt werden können. Auch sehe ich sie in ihrem Grundrecht auf ein faires Verfahren eingeschränkt. Daneben halte ich die Netzsperren durch die CUII für kartellrechtlich problematisch.
Wer wäre berechtigt und könnte gegen wen wo dagegen klagen?
Sowohl Internetnutzer als auch Website-Betreiber können sich gegen die Netzsperren vor Gericht wehren. Zum einen kann der Internetnutzer gegen den Provider klagen, dass er auf Grundlage des Internetvertrags auch das Recht habe, die gesperrte Website zu besuchen. Zum anderen können sich die Website-Betreiber gerichtlich gegen die Netzsperren zur Wehr setzen, da dadurch auch der Zugang zu ihren legalen Inhalten behindert werde.
In den Verfahren wird jeweils entscheidend sein, ob sich die Provider, die sich in der CUII zusammengeschlossen haben, erfolgreich auf § 7 Abs. 4 TMG berufen können. Letztendlich kommt es auf die Auslegung von § 7 Abs. 4 TMG vor dem Hintergrund des EU-Rechts an. Die Sache wird also vermutlich vor dem EuGH landen.
Was kann der einzelne Internetnutzer an der Basis tun?
Am wichtigsten ist es bereits jetzt, wenn die CUII gerade ihre Arbeit aufgenommen hat, gemeinsam politischen Druck aufzubauen und sich gegen die Clearingstelle Urheberrecht zu positionieren. Es ist wichtig die Öffentlichkeit auf die Gefahr der Clearingstelle für ein freies Internet aufmerksam zu machen. Wem ein freies Internet am Herzen liegt, der hat die Möglichkeit, Petitionen gegen die Clearingstelle zu unterzeichnen und sich in entsprechenden Initiativen zu engagieren.
Gäbe es beispielsweise ein "Sonderkündigungsrecht", weil der eigene Internet-Zugangsprovider auf einmal Seiten sperrt?
Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht vor, dass ein Dauerschuldverhältnis wie der Internetvertrag mit dem Provider aus einem wichtigen Grund fristlos gekündigt werden kann. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Internetnutzer "unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses (...) nicht zugemutet werden kann". Die Netzsperren stellen grundsätzlich eine Gefahr für ein freies Internet dar, insbesondere da eine private Institution sie nun nach Belieben anordnen kann. Für den einzelnen Internetnutzer fallen sie im Rahmen seines Internetvertrags aber weniger ins Gewicht. Da zahlreiche andere Websites für ihn weiterhin zugänglich sind, scheidet ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung eher aus. Der Internetnutzer kann den Vertrag weiterhin innerhalb einer Frist kündigen. Eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses und eine Kündigung im Rahmen der regulären Kündigungsfrist sind dem Internetnutzer hier noch zuzumuten.
Zur Person:
Christian Solmecke (47) hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE auf die Beratung der Internet- und IT-Branche spezialisiert. So hat er in den vergangenen Jahren den Bereich Internetrecht/E-Commerce der Kanzlei stetig ausgebaut und betreut zahlreiche Medienschaffende, Web-2.0-Plattformen und App-Entwickler. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt ist Christian Solmecke vielfacher Buchautor und als Geschäftsführer der cloudbasierten Kanzleisoftware Legalvisio.de auch erfolgreicher LegalTech Unternehmer.