Streit

China: Patentklagen nur vor eigenen Gerichten zulässig

Auslän­dische Unter­nehmen sollen Patent­klagen gegen China nicht mehr vor auslän­dischen, sondern nur noch vor chine­sischen Gerichten erheben dürfen. Das wäre ein Heim­vor­teil für China, die EU beschwert sich bei der WTO.
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Die Welt ist im Wandel und es gibt immer wieder Streit. Nicht nur zwischen der Russi­schen Föde­ration und dem Rest der Welt, sondern auch mit China. Schon länger hat China ein Problem mit dem inter­natio­nalen Patent­recht. Deshalb hat die Euro­päi­sche Union heute bei der Welt­han­dels­orga­nisa­tion (WTO) ein Verfahren gegen China einge­leitet, weil das Land die Möglich­keiten von EU-Unter­nehmen einschränke, sich an ein auslän­disches Gericht zu wenden, um ihre Patente zu schützen und zu nutzen.

China schränke EU-Unter­nehmen mit Rechten an Schlüs­sel­tech­nolo­gien (wie 3G, 4G und 5G) beim Schutz dieser Rechte stark ein, wenn ihre Patente beispiels­weise von chine­sischen Mobil­tele­fon­her­stel­lern "illegal oder ohne ange­mes­senen Ausgleich" genutzt würden.

Wer außer­halb von China klagt, bekommt Straf­gebühren aufge­brummt

Patent­inhaber, die außer­halb Chinas vor Gericht gingen, würden in China oft mit erheb­lichen Geld­strafen belegt, wodurch sie unter Druck gesetzt werden, sich mit Lizenz­gebühren unter den markt­übli­chen Sätzen zufrieden zu geben. Diese chine­sische Politik beein­träch­tige Inno­vation und Wachstum in Europa außer­ordent­lich und nehme euro­päi­schen Tech­nolo­gie­unter­nehmen de facto die Möglich­keit, die Rechte auszu­üben und durch­zusetzen, die ihnen einen tech­nolo­gischen Vorsprung verliehen.

EU Indus­trie soll geschützt werden

Valdis Dombrovskis ist Vizepräsident der EU-Kommission und Handelskommissar und kommt aus Lettland Valdis Dombrovskis ist Vizepräsident der EU-Kommission und Handelskommissar und kommt aus Lettland
Foto: Picture Alliance/dpa/Ukrinform
Handels­kom­missar und Vize­prä­sident der EU-Kommis­sion, Valdis Dombrovskis (Lett­land) erklärte dazu: „Wir müssen die dyna­mische High-Tech-Indus­trie in der EU schützen, die ein Inno­vati­ons­motor ist, der unsere führende Rolle bei der Entwick­lung künf­tiger inno­vativer Tech­nolo­gien sicher­stellt. EU-Unter­nehmen steht es zu, ihr Recht zu fairen Bedin­gungen einzu­klagen, wenn ihre Tech­nologie illegal einge­setzt wird. Deshalb leiten wir heute WTO-Konsul­tationen ein.“

Seit August 2020 hatten chine­sische Gerichte Entschei­dungen – soge­nannte Prozess­füh­rungs­ver­bote („anti-suit injunc­tions“) - erlassen, um Druck auf EU-Unter­nehmen mit High-Tech-Patenten auszu­üben und diese Unter­nehmen daran zu hindern, "ihre Tech­nolo­gien recht­mäßig" zu schützen. Chine­sische Gerichte greifen auch auf die Andro­hung hoher Geld­strafen zurück, um euro­päi­sche Unter­nehmen davon abzu­halten, sich an auslän­dische Gerichte zu wenden.

Dadurch würden euro­päi­sche High-Tech-Unter­nehmen bei der Vertei­digung ihrer Rechte in erheb­lichem Maße benach­tei­ligt. Chine­sische Hersteller forderten diese Prozess­füh­rungs­ver­bote, um von billi­gerem oder sogar kosten­losem Zugang zu euro­päi­scher Tech­nologie zu profi­tieren, wirft die EU den Chinesen vor.

Die EU habe diese Frage gegen­über China mehr­fach zur Sprache gebracht, um eine Lösung zu finden, das sei jedoch ohne Erfolg geblieben. Da die Maßnahmen Chinas nach Ansicht der EU nicht mit dem WTO-Über­ein­kommen über handels­bezo­gene Aspekte der Rechte des geis­tigen Eigen­tums (TRIPS) vereinbar sind, hat die EU Konsul­tationen bei der WTO bean­tragt.

Wie soll es weiter gehen?

Die von der EU bean­tragten Konsul­tationen zur Streit­bei­legung sind der erste Schritt des WTO-Streit­bei­legungs­ver­fah­rens, erklären die Experten in Brüssel. Führen diese inner­halb von 60 Tagen nicht zu einer zufrie­den­stel­lenden Lösung, kann die EU die Einset­zung eines WTO-Panels bean­tragen, das in der Sache entscheidet.

Um was geht es genauer?

Bei den Patenten, um die es in diesem Fall geht, handelt es sich um stan­dard­essen­zielle Patente (SEP). SEP sind Patente, die für die Herstel­lung einem bestimmten inter­natio­nalen Stan­dard entspre­chender Waren uner­läss­lich sind. Da die Nutzung der durch diese Patente geschützten Tech­nolo­gien, z. B. für die Herstel­lung von Mobil­tele­fonen, obli­gato­risch ist, haben sich die Patent­inhaber verpflichtet, diese Patente zu fairen, zumut­baren und diskri­minie­rungs­freien Bedin­gungen (FRAND) an Hersteller zu vergeben. Ein Mobil­tele­fon­her­steller sollte daher eine Lizenz (vorbe­halt­lich einer mit dem Patent­inhaber ausge­han­delten Lizenz­gebühr) für diese Patente erhalten. Erhält ein Hersteller keine Lizenz und/oder verwei­gert er die Zahlung, kann sich der Patent­inhaber auf diese Patente berufen und ein Gericht anrufen, um den Verkauf von Produkten, die diese nicht lizen­zierte Tech­nologie enthalten, zu unter­sagen.

Volks­gericht will Klagen in China sehen

Im August 2020 entschied das Oberste Volks­gericht Chinas, dass chine­sische Gerichte es Patent­inha­bern unter­sagen können, sich an ein nicht-chine­sisches Gericht zu wenden, um ihre Patent­rechte durch­zusetzen, indem diese Gerichte ein Prozess­füh­rungs­verbot erlassen. Das Oberste Volks­gericht entschied ferner, dass ein Verstoß gegen die Anord­nung mit einer Geld­strafe von 130.000 EUR pro Tag geahndet werden kann. Seitdem haben chine­sische Gerichte vier solcher Prozess­füh­rungs­ver­bote gegen auslän­dische Patent­inhaber erlassen.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Wenn ein euro­päi­sches Unter­nehmen die Vermu­tung oder Beweise vorliegen hat, dass ein chine­sisches Unter­nehmen ein Patent eines euro­päi­schen Unter­neh­mens verletzt, geht es vor ein Gericht. Nun wünscht man sich in China offenbar, dass ein solcher Prozess vor einem chine­sischen Gericht statt­finden soll - vermut­lich, weil man sich da einen "Heim­vor­teil" verspricht. Den Gerichten der "Lang­nasen", sprich den inter­natio­nalen Gerichten, unter­stellt man einfach mal, dass sie den Chinesen nicht wohl­gesonnen sein könnten.

Ginge es um rein inner­chi­nesi­sches Problem, sprich, die kriti­sierten Produkte würden nur im inner­chi­nesi­schen Markt verkauft, könnte man das noch irgendwo nach­voll­ziehen. Doch diese Produkte werden bekannt­lich ja welt­weit verkauft. Und spätes­tens dann gelten die Spiel­regeln des Welt­han­dels­ver­trages, den die WTO (World Trade Orga­nisa­tion, eine Insti­tution der Vereinten Nationen) orga­nisiert. Patente sind dafür da, dass Wissen auch global genutzt werden kann, nur müssen die Nutzer dem Erfinder eine Vergü­tung bezahlen.

Wenn China im Welt­handel mitspielen möchte, muss es auch die Regeln des Welt­han­dels akzep­tieren. Dann könnte man bei der WTO endlich die Frage klären, warum ein chine­sischer Hersteller wie Huawei keine Lizenz für Google-Android mehr bekommen soll.

Zwischen Inhalte-Anbieter und Netz­betrei­bern gibt es Streit darum, wer die stei­genden Leitungs- und Infra­struk­tur­kosten zahlen soll.

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