Preiserhöhungen: VZBV-Sammelklage gegen Vodafone
Der Betreff war simpel gehalten: "Info zu Ihrem Tarif" war da zu lesen. Der Inhalt der Mails, die seit dem Frühjahr Millionen Vodafone-Kunden bekommen haben, war wenig erfreulich: Der Internet-Anbieter drehte an der Preisschraube. War das rechtens?
vzbv: Vodafone Preiserhöhung unzulässig
Der vzbv findet, nein. Wegen dieser Preiserhöhungen im Festnetz-Internet sieht sich der Telekommunikationsanbieter Vodafone mit einer Klage von Verbraucherschützern konfrontiert. Die Teuerung laufender Verträge sei unzulässig, teilte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) heute mit. Eine Klage sei beim Oberlandesgericht Hamm eingereicht worden.
Erstes Verfahren nach neuem Gesetz
Kein Deal für Vodafone: Der vzbv bläst zur Sammelklage wegen "ungerechtfertigter" Preiserhöhung
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Es ist eines der ersten Verfahren, das sich auf ein Mitte Oktober in Kraft getretenes Bundesgesetz bezieht. Vodafone-Kunden können sich somit an einer neuen Form der Sammelklage beteiligen, indem sie sich in ein Klageregister eintragen. Das wird
wohl in einigen Wochen eröffnet.
Seit Frühjahr wurden Preise angehoben
Vodafone hatte im Frühjahr damit begonnen, die Preise für alle seine Festnetz-Tarife für TV-Kabel und DSL um fünf Euro pro Monat anzuheben. Für Gigabit-Kabelkunden etwa ging es im Monatspreis von 40 auf 45 Euro hoch. Insgesamt waren rund zehn Millionen Kunden betroffen. Um Mobilfunk-Kunden und Glasfaser-Festnetzverträge ging es diesmal nicht.
Vodafone: An geltendes Recht gehalten
Vodafone betont, sich an geltendes Recht gehalten zu haben. Das Unternehmen begründet die Anhebung mit höheren Kosten etwa für Energie und für Materialien. Der Großteil der deutschen Unternehmen habe in den vergangenen Monaten inflationsbedingt Preise erhöht, sagt ein Firmensprecher. "Wir haben lange versucht, uns gegen diesen Trend zu stellen." Wegen stark gestiegener Kosten habe man die Festnetzpreise aber "moderat anpassen" müssen. "Wir legen auch in Zukunft Wert darauf, dass unsere Festnetzkunden Breitband-Internet, TV und Festnetz-Telefonie zu erschwinglichen Preisen nutzen können."
Auch andere Anbieter haben Preise erhöht
Tatsächlich wurde es in diesem Jahr auch bei anderen Telekommunikationsanbietern teurer, zum Beispiel bei 1&1. Gegen diese Firmen richtet sich die Sammelklage nicht. Man könne nicht gegen alle Unternehmen gleichzeitig klagen, sondern weise nun erstmal den Preiserhöhungsvorreiter Vodafone in die Schranken, heißt es vom vzbv.
Sonderkündigungsrecht reicht nicht aus?
Der Telekommunikationsanbieter hat seinen Kunden bei den Preiserhöhungen zwar ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt, das aber reicht den Verbraucherschützern nicht aus. Aus deren Sicht hätte die Düsseldorfer Internetfirma die Preise für laufende Vertragsverhältnisse nicht einseitig erhöhen dürfen, also ohne Nachverhandlungen mit den Kunden. Dienstleister setzen höhere Preise üblicherweise bei neuen Verträgen durch. Auch bei Bestandskunden drehen Firmen bisweilen mal an der Preisschraube, werden hierbei aber von Verbraucherschützern kritisch beäugt.
vzbv: Preiserhöhungen unwirksam
"Der vbzv hält die Preiserhöhungen von Vodafone für unwirksam", sagt Verbandschefin Ramona Pop. Mit der Sammelklage setze man sich dafür ein, dass Millionen Vodafone-Kundinnen und Kunden Geld direkt wiederbekommen können. "Fünf Euro Mehrkosten pro Monat sind für viele Menschen viel Geld." Die Sammelklage mache es Verbraucherinnen und Verbrauchern leicht, sich gegen die Erhöhung zu wehren, sagte Pop. Bereits im Mai kündigte der Bundesverband der Verbraucherzentralen das Klagevorhaben an, in den Wochen danach meldeten sich den Angaben zufolge mehr als 10.000 Menschen beim vzbv.
Musterfeststellungsklage unzureichend
Wenn sich Verbraucherinnen und Verbraucher in einem Vertragsverhältnis benachteiligt sehen, können sie bisher über den Weg einer sogenannten Musterfeststellungsklage Geld zurück bekommen. Das allerdings kann mühsam sein. Denn wenn das Urteil im Sinne der Verbraucher ausgeht, ist zwar eine unrechtmäßige Handlung einer Firma schwarz auf weiß bestätigt. Daraus ergibt sich allerdings kein direkter Zahlungsanspruch gegen die Firma.
Danach muss der Bürger vielmehr selbst mit dem Unternehmen in Kontakt treten, es zur Zahlung auffordern und gegebenenfalls erneut verklagen. Vor Gericht hat er dann zwar gute Karten. Dennoch dürfte die direkte Konfrontation mit einer Firma für viele Verbraucher eine hohe Hemmschwelle darstellen.
Neue "Sammelklage" stärkt Position des Verbrauchers
Mit der neuen Sammelklage verbessert sich die Position des Verbrauchers. Nach einem für ihn positiven Urteil bestellt das Gericht einen sogenannten Sachwalter, der von dem unterlegenen Unternehmen Geld erhält. Er prüft die Ansprüche der Verbraucher und überweist ihnen dann einen Betrag. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen also nicht mehr selbst die Konfrontation mit dem Unternehmen suchen, sie haben es deutlich einfacher als früher.
Signalwirkung für die Branche
Dem Verfahren gegen Vodafone wird eine gewisse Signalwirkung an die Wirtschaft beigemessen. Es geht zwar nur um fünf Euro pro Monat, die jeder Kunde zurückbekommen könnte. Je nachdem wie viele Kunden mitmachen, könnte es für Vodafone bei einer Niederlage vor Gericht in Summe allerdings finanziell schmerzhaft werden. Zudem könnte eine Gerichtsentscheidung pro Verbraucher gewissermaßen eine abschreckende Wirkung haben - Firmen könnten bei Preiserhöhungen in laufenden Verträgen zukünftig vorsichtiger werden.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Jahrelang kannten die Telekommunikations-Preise nur eine Richtung: "Abwärts". Dass das irgendwann einmal anders werden könnte, war abzusehen. Dennoch: Die Kunden reagieren darauf sehr empfindlich.
Mit einer Preiserhöhung von laufenden Verträgen hat sich Vodafone absolut keinen Gefallen getan. Zumal betroffene Vodafone-Kunden, die beherzt zum Hörer greifen, mit der Hotline einen Rabatt aushandeln können, der die Preiserhöhung sofort wieder zurücknimmt, oft um den Preis einer vorzeitigen Verlängerung um weitere 24 Monate, die dann an die aktuelle Laufzeit angehängt werden dürfen. Sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers, aber gerichtlich abgesegnet.
Für Vodafone bringt diese erneute Vertrags-Verlängerung die Gewissheit, dass der Kunde nicht "abhaut". Gründe dafür gäbe es aktuell genügend, etwa beim Wegfall des Nebenkostenprivilegs, bei dem Kunden bisher ihren TV-Kabel-Anschluss, der oft auch Telefon und Internet kann, im Rahmen ihrer monatlichen Miete mitbezahlt haben, auch wenn sie ihn vielleicht nie genutzt haben.
Viele Kunden sind also ohnehin gerade dabei, ihre Verträge zu prüfen und zu überlegen, wie sie künftig Radio- oder TV-Empfang, wie Internet und Telefon abwickeln wollen, der Markt hat da viele gute Angebote. Da liefert Vodafone mit der Preiserhöhung eine Steilvorlage für eine außerordentliche Kündigung.
Nicht enden wollende Berichte über "untergeschobene" Verträge, über "Überberatung" oder andere Schummeleien in den Shops, durch wild umhertelefonierende Call-Center oder heuschreckenartige Haustür-Verkäufer sind für Vodafone eigentlich toxisch.
Die radikale Konsequenz, beispielsweise durch eine generelle Laufzeitkürzung aller Verträge auf maximal einen Monat ohne Wenn und Aber, die Abschaffung von "subventionierten" Handys für "1 Euro" oder die Umstellung auf ein über Banken finanziertes Kreditmodell, um das "teure" Handy "erschwinglich" zu machen, all das traut man sich bei Vodafone immer noch nicht, weil man um seine Quartals-Zahlen fürchtet. Dabei wäre ein radikaler Neustart und eine komplette Infragestellung des seit Jahrzehnten gelebten provisionsgetriebenen Vertriebsmodells die einzige nachhaltige Lösung. Traut sich der neue Chef, hier durchzugreifen oder darf er das einfach nicht?
Oder wird Vodafone-Deutschland ohnehin in Kürze nach Montabaur verkauft? Spätestens dann wird kein Stein mehr auf dem anderen bleiben.
Wegen untergeschobener Verträge wurde Vodafone von einem Gericht verurteilt.