Themenspezial: Verbraucher & Service EuGH-Urteil

Schufa-Score darf nicht maßgeblich für Kreditwürdigkeit sein (Update)

Egal ob beim Miet­ver­trag, dem Handy­anbieter oder dem Strom­ver­sorger: Mit einem schlechten Schufa-Score hat man oft wenig Chancen. Nun hat das höchste euro­päi­sche Gericht klar­gestellt, welchen Einfluss der Schufa-Score haben darf.
Von dpa /

EuGH-Urteil zum Schufa-Score EuGH-Urteil zum Schufa-Score
Foto: Schufa
Wie mächtig ist die Schufa? Anhand gewal­tiger Daten­mengen berechnet die Auskunftei, für wie kredit­würdig sie einzelne Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher hält. Banken, Online­händler, Mobil­funk­anbieter, Auto­häuser, Ener­gie­lie­feranten - sie alle wollen wissen, wie es um die Zahlungs­moral ihrer Kund­schaft bestellt ist, bevor Verträge geschlossen und Waren über­geben werden.

Unter­nehmen dürfen aller­dings nicht ausschließ­lich auf Grund­lage einer auto­mati­sierten Bewer­tung der Kredit­wür­dig­keit durch die Schufa entscheiden, ob sie Verträge mit Kunden abschließen. Der soge­nannte Schufa-Score sei als eine grund­sätz­lich verbo­tene "auto­mati­sierte Entschei­dung im Einzel­fall" anzu­sehen, sofern die Kunden der Schufa ihm eine maßgeb­liche Rolle im Rahmen der Kredit­gewäh­rung beimäßen, entschied der Euro­päi­sche Gerichtshof heute in Luxem­burg.

Banken, Tele­kom­muni­kati­ons­dienste oder Ener­gie­ver­sorger fragen meist bei privaten Auskunf­teien wie der Schufa nach der Kredit­wür­dig­keit einer Person. Die Schufa liefert dann eine Einschät­zung, den soge­nannten Score-Wert. Der soll zeigen, wie gut der Betref­fende seine Zahlungs­ver­pflich­tung erfüllt.

Hinter­grund des Verfah­rens vor dem EuGH ist ein Fall aus Deutsch­land. In einem davon hat eine Person, der ein Kredit verwehrt wurde, die Schufa aufge­for­dert, einen Eintrag zu löschen und ihm Zugang zu den Daten zu gewähren. Die Schufa teilte ihm seinen Score-Wert und allge­meine Infor­mationen zur Berech­nung mit, nicht aber die genaue Berech­nungs­methode.

DSGVO zur auto­mati­sierten Verar­bei­tung von Daten

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Das Verwal­tungs­gericht Wies­baden legte den Fall dem EuGH vor, um grund­sätz­lich das Verhältnis zur Daten­schutz­grund­ver­ord­nung (DSGVO) klären zu lassen. Die DSGVO schreibt vor, dass Entschei­dungen, die für Menschen recht­liche Wirkung entfalten, nicht nur durch die auto­mati­sierte Verar­bei­tung von Daten getroffen werden dürfen.

Die Richter in Luxem­burg entschieden nun, dass das Scoring darunter fällt und nur unter bestimmten Voraus­set­zungen zulässig ist. Die Kunden der Schufa dürften dem Score keine maßgeb­liche Rolle im Rahmen der Kredit­gewäh­rung beimessen. Das Verwal­tungs­gericht Wies­baden muss nun entscheiden, ob das deut­sche Bundes­daten­schutz­gesetz eine gültige Ausnahme von diesem Verbot enthält, die im Einklang mit der Daten­schutz­grund­ver­ord­nung ist.

Die Schufa begrüßte das Urteil: Es sorge für Klar­heit, wie die Scores in den Entschei­dungs­pro­zessen von Unter­nehmen im Sinne der DSGVO verwendet werden dürfen. "Das weit über­wie­gende Feed­back unserer Kunden lautet, dass Zahlungs­pro­gnosen in Form des Schufa-Scores für sie zwar wichtig, aber in aller Regel nicht allein entschei­dend für einen Vertrags­abschluss sind", teilte die Schufa nach dem Urteil mit.

Was ist die Schufa?

Zum Geschäfts­modell der 1927 gegrün­deten "Schutz­gemein­schaft für allge­meine Kredit­siche­rung" gehört es, Daten zu sammeln. Auf deren Basis liefert die Schufa ihren etwa 10.000 Vertrags­part­nern - unter anderem Banken und Spar­kassen, Versand­händler und Ener­gie­ver­sorger - bei berech­tigtem Inter­esse eine Einschät­zung zur Bonität (Kredit­wür­dig­keit) von Verbrau­che­rinnen und Verbrau­chern.

Nach eigenen Angaben verfügt die Schufa über Infor­mationen zu 68 Millionen Menschen in Deutsch­land. Zu mehr als 90 Prozent seien "ausschließ­lich posi­tive Infor­mationen gespei­chert". Pro Tag erteilt die Auskunftei im Schnitt 320.000 Auskünfte an Unter­nehmen. Außer der Schufa gibt es weitere Wirt­schafts­aus­kunf­teien: etwa Credit­reform und Crif.

Welche Daten sammelt die Schufa?

Die Schufa erhält von ihren Vertrags­part­nern Infor­mationen etwa über die Eröff­nung von Giro­konten, die Ausgabe von Kredit­karten, den Abschluss von Leasing­ver­trägen und Krediten. Die Schufa spei­chert zudem persön­liche Daten wie Name, Geburts­datum und Anschrift, hat aber keine Infor­mationen etwa über das Einkommen einer Person.

Was macht die Schufa mit diesen Daten?

Anhand der Daten errechnet sich der Basis-Score, der quar­tals­weise aktua­lisiert wird. Dieser beschreibt auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent eine Wahr­schein­lich­keit, mit der ein Verbrau­cher finan­ziellen Verpflich­tungen nach­kommen wird. Je höher der Score, umso höher die Kredit­wür­dig­keit. Wer Rech­nungen regel­mäßig unpünkt­lich bezahlt und oft Mahnungen bekommt, wird schlechter einge­schätzt.

Wie der Score genau berechnet wird, legt die Schufa nicht detail­liert offen. Ihr Argu­ment: "Läge das Berech­nungs­modell völlig offen, könnte der Score mani­puliert werden und hätte so keinen Wert mehr." Die Formel sei aber "der zustän­digen Daten­schutz­behörde bekannt und wird von ihr und unab­hän­gigen Wissen­schaft­lerinnen und Wissen­schaft­lern kontrol­liert". Unter­nehmen und Einzel­per­sonen wie Vermieter können Auskünfte bei der Schufa einholen.

Update: Reak­tionen auf das Urteil

Die Bürger­bewe­gung Finanz­wende begrüßte die Entschei­dung: "Das Urteil ist eine gute Nach­richt für alle Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher - und ein schwerer Schlag für die Schufa", sagte der Verbrau­cher­schutz­experte bei Finanz­wende, Michael Möller. Der Rich­ter­spruch zwinge die Schufa, verant­wor­tungs­voller als bisher mit ihrer Quasi-Mono­pol­stel­lung umzu­gehen. "Die Macht der Schufa bröckelt - das wird auch höchste Zeit."

Der Daten­schutz­experte Chris­toph Ritzer von der Kanzlei Norton Rose Fulbright in Frank­furt sieht dagegen ein "erheb­liches Dilemma" für die Kredit­wirt­schaft, wenn die Schufa-Scores nicht mehr so einfach wie bisher genutzt werden können. Denn wenn wieder Einkom­mens­nach­weise, Ener­gie­lie­fer­ver­träge und anderen Daten vorge­legt werden müssen, dürfte das Ritzer zufolge Entschei­dungen über Kredit- oder Miet­ver­träge erheb­lich verzö­gern.

"Es ist daher davon auszu­gehen, dass die Anbieter entweder die Kredit­wür­dig­keit ihrer Kunden selbst inten­siver prüfen müssen, oder die Kunden auffor­dern werden, sich bei der Schufa zu regis­trieren und dem Scoring zuzu­stimmen." Das sei ein typi­scher Pyrrhus­sieg für die Verbrau­cher: "Am Ende werden nur dieje­nigen von dem Urteil profi­tieren, die der Schufa erlauben, ihre Daten zu verar­beiten und weiter­zugeben", so Ritzer.

Verbrau­cher­schützer hoffen dennoch auf mehr Trans­parenz - und auf weitere Gesetze: "Damit Verbrau­cher endlich nach­voll­ziehen können, wie ihr Boni­täts-Score zustande kommt, sollte der Gesetz­geber den Auskunf­teien jetzt konkrete Vorgaben machen", forderte Michaela Schröder vom Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­band.

Bundes­ver­brau­cher­schutz­minis­terin Steffi Lemke (Grüne) sagte dazu: "Bereits im Koali­tions­ver­trag haben wir verein­bart, dass die Trans­parenz beim Scoring verbes­sert werden muss. Wir werden nun zeitnah entspre­chende Rege­lungen prüfen."

Spei­che­rung von Daten aus öffent­lichen Verzeich­nissen

Im zweiten Fall ging es um die Spei­che­rung von Daten aus öffent­lichen Verzeich­nissen, wie etwa Insol­venz­regis­tern. Der EuGH musste entscheiden, ob die Schufa Daten zu Verbrau­cher­insol­venzen verwerten und noch länger spei­chern darf als die Gerichte. Dieser Praxis schoben die Richter nun einen Riegel vor: Es verstoße gegen die DSGVO, wenn private Auskunf­teien solche Daten länger spei­cherten als öffent­liche Insol­venz­register. Denn die erteilte Rest­schuld­befreiung soll der betrof­fenen Person ermög­lichen, sich erneut am Wirt­schafts­leben zu betei­ligen; bei der Bewer­tung der Kredit­wür­dig­keit werde dies aber stets als nega­tiver Faktor verwendet.

Im März äußerte sich der Gene­ral­anwalt am EuGH in seinem Gutachten bereits sehr kritisch zu dieser Praxis. Daraufhin hatte die Schufa die Spei­cher­frist der Einträge frei­willig von drei Jahren auf sechs Monate verkürzt.

Über die konkreten Fälle müssen nun die deut­schen Gerichte entscheiden und dabei die Entschei­dung des EuGH berück­sich­tigen. Ende des Updates.

Die Schufa hat bei Verbrau­chern einen schlechten Ruf - und wenn sie falsche Daten über uns spei­chert, kann das böse Konse­quenzen haben. So reagieren Sie richtig bei einem falschen Schufa-Eintrag.

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