Themenmonat IFA&Konvergenz Experiment

Handy-Kameras: Klein und scharf passt nicht zusammen

teltarif.de-Experiment zeigt Grenzen von Handy-Kameras auf
Von Kai Petzke / Rainhold Birgmann

Nun ist bisher kein Handyhersteller auf die Idee gekommen, eine Kamera zu bauen, die kaum größer ist als die Lichtwellenlänge. Wozu dann die ganze Beugungsdiskussion von der vorherigen Seite? Nun, ein anderes Maß moderner Kamera-Handys nähert sich bereits bedenklich stark der Lichtwellenlänge: Die Größe der Pixel auf dem Sensor.

Wenn 2 048 mal 1 536 Pixel (das sind knapp 3,2 Megapixel) auf einen nur 4 mal 3 Millimeter großen Chip gequetscht werden, dann sind die Pixel gerade noch 2 000 Nanometer lang. Wird der Sensor bei gleicher Größe auf 8 Megapixel gesteigert, schrumpft die Pixellänge gar auf 1 200 Nanometer. Zum Vergleich: Die Lichtwellenlänge beträgt je nach Farbe 400 bis 700 Nanometer.

Beugung an der Linse bzw. an der Blende: Unschärfe unvermeidbar

Prinzip einer Kamera Um überhaupt scharfe Bilder schießen zu können, benötigt eine Kamera eine Linse: Diese sammelt das vom fotografierten Gegenstand ausgehende Licht und fokussiert es auf den Film bzw. Sensor. Im Idealfall kommen alle Lichtstrahlen, die von einem Objektpunkt ausgehen, auf dem Film bzw. Sensor wieder in genau einem Punkt zusammen, siehe die Skizze nebenan.

Meist direkt hinter der Linse sitzt die Blende. Das ist eine Scheibe mit einem Loch in der Mitte. Durch dieses Loch erfolgt die Aufnahme. Der Rest der Scheibe verdeckt hingegen Lichtstrahlen aus den besonders stark verzerrenden Außenbereichen der Linse oder regelt bei größeren Kameras über seine Größe auch die insgesamt einfallende Lichtmenge. Die Blendenöffnung wirkt nun wie der Spalt in dem auf der vorhergehenden Seite dargestellten Experiment und beugt das Licht. Allerdings erfolgt die Aufweitung sowohl nach links/rechts als auch nach oben/unten, da der Blendenring das einfallende Licht sowohl horizontal als auch vertikal begrenzt. Am Ende treffen sich die Strahlen, die von einem Objektpunkt ausgegangen sind, nicht mehr in einem Punkt auf dem Film, sondern in einem kleinen Fleck. Dieser wird als Beugungsscheibchen bezeichnet. Den Effekt der Beugung sehen Sie rechts in der Grafik unter der Überschrift "Reale Abbildung" veranschaulicht.

Eine typische Blende mit der Blendenzahl von 2,8 verursacht bei gelb-orangem Licht (590 Nanometer Wellenlänge) auf dem Sensor 4 000 Nanometer große Beugungsscheibchen. Das ist doppelt so hoch und doppelt so breit wie die oben genannte Pixelgröße einer kleinen 3,2-Megapixel-Handy-Kamera! Da allerdings nebeneinanderliegende Pixel immer verschiedene Farben aufnehmen, beträgt das effektive Pixelraster ebenfalls 4 000 Nanometer (für rote und blaue Pixel) bzw. 2 800 Nanometer (grüne Pixel), so dass die Beugungsscheibchen mit 4 000 Nanometer gerade noch akzeptabel sind.

Steigert man die Auflösung aber von 3,2 Megapixel bei unveränderten Abmessungen auf 8 Megapixel, überdeckt das Beugungsscheibchen bereits ca. zehn Pixel! Feine Details des Objekts werden somit zwangsläufig unscharf auf den Sensor abgebildet; dessen hohe Pixelzahl kann nicht mehr zur Geltung kommen.

Mehr Raum!

Prinzipiell gibt es eine einfache Lösung für dieses Problem: Die gesamte Kamera maßstäblich vergrößern. Als Beispiel zeigt die nebenstehende Skizze eine Verdoppelung der Größe von Linse, Blende und Sensor und ebenso eine Verdoppelung des Abstands von Linse bzw. Blende zum Sensor. Durch die doppelte Blendengröße halbieren sich die Beugungseffekte, durch den verdoppelten Abstand von Linse bzw. Blende zum Sensor verdoppeln sie sich aber wieder. Beide Einflüsse heben sich gegenseitig auf, so dass die Beugungsscheibchen trotz "Verdopplung" der Handy-Kamera unverändert groß bleiben.

Jedoch vergrößern sich mit der Kamera auch die Sensor-Pixel, und folglich überdecken die unverändert großen Beugungsscheibchen in einer vergrößerten Kamera entsprechend weniger Pixel, wie man im Vergleich der beiden letzten Grafiken erkennt. Und so hat eine digitale Spiegelreflexkamera mit einem Vollformat-Sensor (36 x 24 Millimeter) trotz 25 Megapixel bei Blendenzahl 2,8 keinerlei Beugungsprobleme, während die ebenfalls betrachtete 8-Megapixel-Handykamera massiv beugungsbeschränkt arbeitet.

Es würde übrigens reichen, Linse und Blende bei unverändertem Abstand zum Sensor zu vergrößern, so dass die Blendenzahl und damit auch die Größe der Beugungsscheibchen entsprechend sinkt. Jedoch nimmt unterhalb einer Blendenzahl von 2,8 der konstruktive Aufwand, der für ein gutes, scharf abbildendes Kameraobjektiv zu treiben ist, sehr schnell zu.

Mehr Licht!

Ein weiterer Vorteil einer größeren Blende (egal, ob nur die Linse samt Blende oder die komplette Kamera vergrößert wird) ist, dass mehr Licht auf den Sensor fällt und so das Rauschen reduziert wird. Aufgrund der kleinen Linsen leiden praktisch alle Multimegapixel-Handykameras unter Lichtmangel, so dass die Sensoren auch einfarbige Flächen als bunte Pixelgewitter "sehen".

Die Steuerprozessoren werden von den Herstellern jedoch mit immer aufwändigerer Software versehen, um trotz der genannten Probleme (Bildrauschen, Beugungsunschärfe) akzeptable Bilder zu erzeugen. Die Software kann jedoch keine Wunder vollbringen. Und so verwischt so manches Detail, das hinter einer größeren Linse und einer größeren Blende bei ansonsten gleicher Pixelzahl noch aufgelöst worden wäre, zu einem undefinierten Etwas.

Dennoch sind zusätzliche Pixel im Kamerasensor nicht grundsätzlich abzulehnen: Mehr Sensorelemente bedeuten mehr Informationen, die von den immer ausgefeilteren Algorithmen zur Rekonstruktion des Originalbildes verwendet werden können. Aber es kann nur ein Teil rekonstruiert werden, und so steigt die Qualität wesentlich langsamer als die Pixelzahl. Ein 2-Megapixel-Sensor hinter einer Mini-Linse vermag zum Beispiel zirka 1 Megapixel scharf aufzulösen. Ein 8-Megapixel-Sensor hinter derselben Linse schafft dann effektiv nicht 4, sondern nur 2 Megapixel, wie das Nokia N86 in einem teltarif.de-Test.

Lesen Sie auf der letzten Seite, was die "effektiv fehlenden Pixel" in der Praxis bedeuten, und worauf Sie beim Kauf einer Digitalkamera oder eines Kamera-Handys achten sollten.