Call by Call: Tele2 meldet sich zurück
Beim Start vom Call by Call gab es einen Geburtsfehler: Nur die damals Markt beherrschende Telekom war verpflichtet, diese Sparvorwahlen anzubieten. Andere private Netzbetreiber (die langsam auf der Szene auftauchten) hätten sich mühsam überkreuz zusammenschalten müssen, vermutlich mit Hilfe der Telekom, die als einzige überall „vernetzt“ war. Das erschien vielen Anbietern zu aufwendig und zu teuer und unterblieb weitgehend. Eine Zeitlang konnte man vom Festnetz-Anbieter Arcor (heute Vodafone) aus über die 01033 das Netz der Telekom (01033) erreichen und sogar Preselection buchen. Die Zahl der Nutzer blieb aber vernachlässigbar gering.
Auch im Mobilfunk war Call by Call angedacht, wurde aber in der Praxis ("zu aufwendig") nie umgesetzt. Die Mobilfunker machten außerdem die hohen Aufbaukosten der Netze geltend.
Zeiten ändern sich
Wer kennt noch Telefone mit Wählscheibe? Mit Call-by-Call wurde der Wählvorgang zum geldsparenden dafür zeitraubenden Vergnügen.
Foto: Picture Alliance - dpa
Mit den Jahren änderte sich die Telefontarif-Landschaft. Flatrates kamen immer mehr in Mode. Man zahlt
einen Preis und „alles“ ist drin. Zunächst nur Festnetz, dann Mobilfunk und inzwischen sogar
ausgewählte Länder in Europa oder weiter weg. Wozu also noch Call by Call?
Schwarze Schafe schadeten der Branche
Hinzukam, dass bestimmte „unseriöse“ Anbieter das Verfahren leidlich ausnutzten. Tarife, die sich stündlich ändern können. Tarife die erst supergünstig waren (um in die Tarifvergleiche nach oben zu kommen) und dann richtig teuer wurden. Firmen, die mit Namensänderungen und verschachtelten Konstruktionen für den Kunden quasi unerreichbar für Reklamationen blieben. Ein wesentlicher Grund, nach langem Vorlauf eine verpflichtende Tarifansage einzuführen. Doch genau hinhören: Tarife können in Cent oder Euro oder in Zeittakten angesagt werden - eine verpflichtende Regelung für die Tarifansage gibt es nicht.
Abrechnung über Telekom
Call-by-Call-Anrufe werden über die Rechnung der Telekom abgerechnet. Anfangs wurden alle Gespräche gleich auf dem Einzelverbindungsnachweis der Telekom-Rechnung mit ausgedruckt, doch jede Druckzeile kostet Geld, was die CbC-Anbieter an die Telekom zahlen müssen. Also kamen Online-Abfragen im Internet in Mode, wo man sich den Einzelnachweis im Netz nach Verifizierung umständlich anschauen kann.
Gab es Ärger mit der Abrechnung, verwies die Telekom auf den CbC Anbieter, der teilweise nur schwer erreichbar war. Man kann den unstrittigen Teil der Telekom bezahlen und muss sich dann später mit dem Inkasso des CbC-Anbieters auseinandersetzen. Das sorgte für weiteren Frust. Die Folge, die Zahl der CbC-Nutzer nahm weiter ab.
2019: Bundesnetzagentur sagt, Telekom nicht mehr marktbeherrschend
Im Juli 2019 wurde ein Konsultationsentwurfs der Bundesnetzagentur (BNetzA) zur Regulierung des Telekommunikationsmarktes veröffentlicht. Gegenstand dieses Entwurfs unter anderem der Umgang mit Call by Call und Pre-Selection in Deutschland. Die Regulierungsbehörde hielt es in ihrem letzten Konsultationsentwurf entgegen der Regelungen aus den Vorjahren nicht mehr für erforderlich und notwendig, die Deutsche Telekom zu verpflichten, Call by Call und Pre-Selecion zu ermöglichen.
Die Branche war elektrisiert: Damit hätte die Netzagentur allen Sparvorwahlen die erforderliche Grundlage entzogen. Doch dann geschah Wundersames: Die Verbände VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten) und DVTM (Deutscher Verband für Telekommunikation und Medien) suchten das Gespräch mit dem „Erzfeind“ Telekom und hatten Erfolg. Bis zum 31. Dezember 2022 ist der Fortbestand von Call by Call und Preselection gesichert.
Und darüber hinaus? Das kann im Moment noch niemand genau sagen. Vermutlich wird dann wieder eine Bestandsaufnahme gemacht, ob sich das Verfahren noch lohnt. Denn: Es kann sich selbst für die Telekom lohnen. Die Zusammenschaltung der Anbieter kostet Geld, was die Telekom einnehmen kann, zumal sie oft die Verbindungsleitungen zu diesen Anbietern stellt und sich das bezahlen lassen kann. Die Technik steht und funktioniert.
Ein entscheidender Punkt spricht für die Telekom: Nur eigene Kunden können CbC und Preselection nutzen. Würden diese Kunden mit dem gesamten Anschluss zur "Konkurrenz" wechseln, wären sie für die Telekom erst einmal verloren.
Meldet sich zurück: Tele2
Ein Anbieter, von dem wir schon lange nichts mehr gehört haben ist die Tele2. Einst Pionier bei privater Telekommunikation in Schweden, kam das Unternehmen früh nach Deutschland, hatte sogar einmal die Ambitionen, im Mobilfunk als MVNO tätig zu werden. Das scheiterte damals an den Preisvorstellungen der Tele2-Manager. Sowohl E-Plus als auch VIAG-Interkom (heute o2) winkten ab. Inzwischen ist Tele2 „Service-Provider“ im Netz der Vodafone, die angebotene Tarife enthalten inzwischen auch (gebremstes) LTE.
Tele2 (Vorwahl 010-13) setzte sich im Hintergrund seit einigen Jahren für den Erhalt von Call by Call oder Preselection ein „und hat auch die aktuellen Verhandlungen mit der Telekom maßgeblich vorangetrieben.“, so Steffen Alberti, Geschäftsführer der Tele2 Deutschland.
„Call by Call ist gerettet!“
„Gemeinsam mit anderen Branchenvertretern haben wir endlich das erreicht, wofür wir stets gekämpft haben und an dem die Regulierungsbehörden gescheitert sind: Call by Call und Pre-Selection zu erhalten. Auch heute, mehr als 20 Jahre nach der Einführung auf dem deutschen Markt, haben Sparvorwahlen nach wie vor eine Bedeutung: Pro Jahr telefonieren immer noch Millionen Menschen etwa fünf Milliarden Minuten darüber. Für diese Nutzer haben wir in den vergangenen Jahren stark gekämpft. Denn die Europäische Kommission wollte bereits seit 2014 die Grundlage für Call by Call und Preselection in Deutschland abschaffen. Der letzte Konsultationsentwurf der Bundesnetzagentur aus Juli 2019 besiegelte das Aus. Mit der freiwilligen Verpflichtung der Deutschen Telekom ist es uns als Branche jetzt gelungen, dieses Aus abzuwenden. Und auch, wenn die Vereinbarung zunächst für drei Jahre gilt, blicken wir bei Tele2 positiv in die Zukunft.“
Wer ist Tele2 heute?
Heute versorgt die Tele2 Gruppe ihre Kunden in fünf Ländern mit Telekommunikationsdienstleistungen. In Deutschland ist Tele2 seit 1998 aktiv und hat die Liberalisierung des deutschen Marktes mitgestaltet. Heute – nach mehr als 20 Jahren im Markt – sieht sich Tele2 Deutschland als Komplettanbieter für Mobilfunk (mit und ohne Hardware) sowie Festnetz- und Internetangebote via DSL oder Funk. Die zeitweise originell beworbene Sparvorwahl 0 10 13 gibt es heute noch.