Rückblick

25 Jahre TKG: Die Preise sollten purzeln

Wer heute zum Fest­netz-Telefon greift und eine Fest­netz-Nummer wählt, denkt kaum noch an die Kosten dieses Tele­fonates. Vor einem Vier­tel­jahr­hun­dert war das ganz anders.
Von mit Material von dpa

Wer denkt heute vor dem Anruf noch an Minutenpreise? Wer denkt heute vor dem Anruf noch an Minutenpreise?
Bild: Picture-Alliance / dpa
Wer heute zum Fest­netz-Telefon greift und in irgend­einer anderen deut­schen Stadt anruft, der dürfte wohl nicht mehr an die Kosten des Tele­fonats denken - und nicht bange auf den Sekun­den­zeiger gucken, ob schon die nächste Minute ange­bro­chen ist. Aber: Vor einem Vier­tel­jahr­hun­dert war das ganz anders.

Preis­schock für die Telekom

Wer denkt heute vor dem Anruf noch an Minutenpreise? Wer denkt heute vor dem Anruf noch an Minutenpreise?
Bild: Picture-Alliance / dpa
Es war ein Preis­schock für den dama­ligen Platz­hirsch: 60 Pfennig (ca. 30 Cent) pro Minute berech­nete die Deut­sche Bundes­post-Telekom Anfang 1998 für ein natio­nales Fern­gespräch - beim Neuein­steiger Mobilcom waren es mit der Call-by-Call-Vorwahl 01019 auf einmal nur noch 19 Pfennig (ca. 10 Cent). Das Monopol der Telekom war gerade gefallen, die Nach­fol­gefirma der Bundes­post musste sich dem Wett­bewerb stellen.

Immer mehr Call-by-Call-Wett­bewerber sprossen aus dem Boden, immer mehr Bundes­bürger wählten die Billig-Vorwahlen, das war die Geburts­stunde von teltarif.de.

Preise fielen - Flat­rates kamen

Die Preise fielen immer weiter. Heute sind Monats­pau­schalen ohne Minu­ten­ent­gelte gang und gäbe. Der Auftakt für die Markt­libe­rali­sie­rung war vor 25 Jahren, am 25. Juli 1996. Damals wurde das Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz (TKG) im Bundes­anzeiger veröf­fent­licht - das Ende des Telekom-Mono­pols war besie­gelt.

Nach einer einein­halb­jäh­rigen Über­gangs­phase traten die wich­tigsten Rege­lungen im Januar 1998 in Kraft. Im Rück­blick wertet der Chef der Bundes­netz­agentur, Jochen Homann, das Gesetz mit dem Kürzel TKG positiv. "Die Libe­rali­sie­rung der Tele­kom­muni­kation in Deutsch­land ist eine Erfolgs­geschichte", erin­nert er sich. "Die Verbrau­cher profi­tieren vom inten­siven Wett­bewerb zahl­rei­cher Anbieter und von über die Jahre kräftig gesun­kenen Preisen."

Gerpott: Hat der Gesetz­geber gut gemacht

Daumen rauf signa­lisiert auch der regel­mäßige teltarif.de-Gast­autor Torsten Gerpott von der Univer­sität Duis­burg-Essen. "Um möglichst viele Wett­bewerber in den Markt zu lassen, wurden die Eintritts­schwellen für das Fest­netz niedrig gehalten - das hat der Gesetz­geber gut gemacht", sagt der Tele­kom­muni­kati­ons­pro­fessor. Bei der schwie­rigen Aufgabe, ein Monopol aufzu­bre­chen und einen funk­tio­nie­renden Wett­bewerb einzu­führen, seien im Fest­netz­bereich keine großen Fehler gemacht worden. "Der deut­sche Tele­kom­muni­kati­ons­markt hat sich danach sehr gut entwi­ckelt und die Preise fielen deut­lich."

Zugang zum Fest­netz

Ein weiterer wesent­licher Bestand­teil des Tele­kom­muni­kati­ons­gesetzes, das bis heute mehr­fach novel­liert wurde, ist eine Rege­lung zum Fest­netz: Das Gesetz verpflich­tete die Telekom, ihre Wett­bewerber nicht nur beim Call-by-Call auf ihre Leitungen zu lassen, sondern ihnen auch dauer­haften Zugang zu ihren Netzen zu ermög­lichen. Die Konkur­renten konnten Verträge mit Kunden abschließen und hierbei die Leitungen der Telekom nutzen - diese bekam dafür Miete. Damit sollte Wett­bewer­bern der Einstieg in den Markt ermög­licht werden, auch wenn sie noch keine oder kaum eigene Leitungen hatten.

VATM: Telekom hat seine Kupfer­lei­tungen vergoldet

Ob dieser Weg richtig war, ist umstritten. Jürgen Grützner vom Bran­chen­ver­band VATM, in dem sich Telekom-Konkur­renten orga­nisiert haben, hält ihn für falsch. Die Telekom habe ihre alten abge­schrie­benen Kupfer­lei­tungen durch die Miet­zah­lungen "prak­tisch vergoldet bekommen und dadurch lange keinen Anreiz gehabt, in neue Tech­nolo­gien zu inves­tieren". Der Ex-Mono­polist wurde nach Einschät­zung von Grützner gestärkt, während Wett­bewerber einen schweren Stand hatten und Inves­titionen in neue Tech­nolo­gien - vor allem Glas­faser - zunächst scheuten.

Telekom-Kupfer­lei­tungen domi­nierten

Im Internet domi­nierten auf der letzten Meile - also vom Kabel­ver­zweiger bis in die Häuser - Telefon-Kupfer­lei­tungen der Telekom mit der DSL/VDSL-Tech­nologie, die im Laufe der Jahre schritt­weise opti­miert wurde - an den Glas­faser-Speed aber nicht heran kam. „1996 wurden die Weichen so gestellt, dass die Telekom noch jahr­zehn­telang von ihren Tele­fon­lei­tungen profi­tieren konnte“, so Grützner. „Damit wurde Deutsch­land als Glas­faser­land ausge­bremst.“

Nun endlich nehme der Glas­faser-Ausbau auf der letzten Meile auch bei der Telekom Fahrt auf, nachdem jahre­lang fast ausschließ­lich die Wett­bewerber den Glas­faser-Ausbau bis zum Gebäude oder bis in die Wohnung gestemmt hätten, sagt der Verbands­ver­treter, der in den 90er Jahren als Refe­rent bei der CDU/CSU-Bundes­tags­frak­tion an dem Gesetz­gebungs­ver­fahren betei­ligt war. Er schränkt zwar ein, dass die Bedeu­tung des Internet samt Glas­faser noch nicht absehbar gewesen sei. Er bemän­gelt aber, dass der Gesetz­geber seinen Kurs in den nach­fol­genden TKG-Novellen nicht geän­dert habe.

Telekom sieht Entwick­lung positiv

Und was sagt die Telekom im Rück­blick? Der Konzern sieht die Entwick­lung positiv und betont die Milli­arden­summen, die man Jahr für Jahr inves­tiere. „Die Libe­rali­sie­rung hat dafür gesorgt, einen leben­digen Wett­bewerb in Deutsch­land entstehen zu lassen“, sagt ein Firmen­spre­cher. „Die Kundinnen und Kunden können in Deutsch­land zwischen vielen Anbie­tern und Tarifen wählen.“ Es seien viele Inno­vationen entstanden, „von modernen Endge­räten über das Internet für alle bis zu dem smarten Zuhause und dem Fern­sehen über das Internet Proto­koll (IP-TV)“. Gleich­zeitig seien die Preise für Tele­kom­muni­kation gesunken.

Nicht günstig genug?

Verbrau­cher­schützer finden, die Verbrau­cher müssten nach wie vor verhält­nis­mäßig tief für ihren Inter­net­anschluss oder ihren Handy­ver­trag in die Tasche greifen. „In Staaten wie Öster­reich, Schweden oder der Schweiz scheint das Preis-Leis­tungs-Verhältnis oft besser.“ Im inter­natio­nalen Vergleich gebe es hier­zulande zu wenig Wett­bewerb, finden Kritiker und verweisen etwa auf die hohe Markt­abde­ckung von Voda­fone und von der Telekom im Fest­netz-Internet.

Schwere Zeiten für die Telekom-Beleg­schaft

Für die Beleg­schaft der Telekom war die Libe­rali­sie­rung eher kein Anlass zum Feiern - davon zumin­dest ist der dama­lige Betriebsrat Josef Bednarski über­zeugt und verweist auf den der Libe­rali­sie­rung folgenden Stel­len­abbau. Der sei zwar sozi­alver­träg­lich - ohne betriebs­bedingte Kündi­gungen - durch Betriebs­räte und Gewerk­schaft begleitet worden, aber dennoch einschnei­dend gewesen. 1995 hatte die Deut­sche Telekom nach Firmen­angaben etwa 230.000 Voll­zeit­stellen, heute sind es etwa 90.000 im Inland. „Dass die Preise sanken, war gut für die Verbrau­cher - auf die Beleg­schaft kamen jedoch harte Verän­derungen zu, mit einer hohen Anzahl von Umor­gani­sationen und einer höheren Arbeits­belas­tung“, sagt Bednarski.

Der stärkste Konkur­rent im Mobil­funk und zum Teil auch im Fest­netz, die Voda­fone, hat ihre Quar­tals­zahlen vorge­legt.

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