Mobilfunk-Infrastruktur-Gesellschaft: Viel Geld für (noch) nix
Die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft mbH (MIG) des Bundes hat hohe Kosten und 97,5 freie Stellen.
Bild: netzda-mig.de
Bundesverkehrsminister Scheuer hatte unbedingt eine Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft des Bundes (kurz MIG) haben wollen, die eigentlich dafür sorgen sollte, dass Funklöcher geschlossen werden. Rechnungshof und Kritiker empfanden die MIG von vorn herein als keine gute Idee, aber Scheuer setzte sein Projekt durch und koppelte es an die längst wieder staatliche Toll-Collect (eigentlich für die LKW-Maut zuständig) an.
580 Bewerbungen auf 97,5 Stellen
Die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft mbH (MIG) des Bundes hat hohe Kosten und 97,5 freie Stellen.
Bild: netzda-mig.de
Die MIG sollte 97,5 Stellen bekommen. Nur: Bis Ende August war noch keine einzige Stelle besetzt. Der Parlamentarische Staatssekretär des Ministeriums, Steffen Bilger (CDU), versichert hingegen, dass alle 97,5 Stellen „möglichst bis Ende des Jahres“ besetzt sein sollen. Bis Ende August seien dafür insgesamt 580 Bewerbungen eingegangen. In der MIG mit Sitz in Naumburg arbeiten bislang lediglich zwei Geschäftsführer.
Bis alle Leute da sind, muss die MIG von der Muttergesellschaft Toll Collect unterstützt werden. Natürlich nicht einfach so. Toll Collect stellte der MIG dafür alleine bis zum Juni etwas mehr als 460.000 Euro in Rechnung.
All diese Details gehen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen hervor, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Nicht ganz untätig
Ganz untätig war die MIG wohl nicht. Die MIG hat bereits 71 potenzielle Fördergebiete gefunden, für 51 davon seien die sogenannten "Markterkundungsverfahren" bereits abgeschlossen worden. Und ja, in einigen Fällen sollen sogar schon konkrete Maststandorte gefunden (amtsdeutsch "identifiziert") worden sein.
Aufträge für externe Berater
Das Ergebnis schafften die beiden MIG-Geschäftsführer aber nicht alleine, sie holten sich externe Berater dazu. Die vom MIG beauftragten Fremdleistungen sollen bis August einen Umfang von etwas mehr als 4,5 Millionen Euro gehabt haben, berichtet RND. Die externen Berater sollen alleine knapp 500.000 Euro in Rechnung gestellt haben. Jeden Monat seien bei der MIG 520.000 Euro Betriebskosten angefallen, heißt es in dem Bericht weiter.
Ziele bis 2025 erreicht?
Laut Antwort gehe die Bundesregierung davon aus, dass die MIG ihre Ziele bis Ende 2025 erreichen werde. Dafür müsste dann der Netzausbau mit nach dem 4G/LTE-Standard durch die gezielte Förderung von Betreibern (also Telekom, Vodafone, o2 oder theoretisch auch 1&1) möglichst flächendeckend gewährleistet sein.
MIG zeitlich befristet?
Die MIG solle "ein zeitlich befristetes Instrument sein, um Versorgungslücken in den Mobilfunknetzen zu schließen." Die Idee ist, dass der Bund Antennenstandorte (z.B. Masten) dort aufbaut, wo es für die Netzbetreiber "aus wirtschaftlichen Gründen" nicht rentabel ist. Die Netzbetreiber würden dann diese Standorte mit eigener Technik ausstatten und so die "weißen Flecken" auf der Landkarte schließen. Geplant sind, bis zu 5000 Mobilfunkstandorte zu errichten und anzubinden. Das will sich der Bund bis zu 1,1 Milliarden Euro kosten lassen.
MIG auf Dauer?
Vorher hörte man noch aus Berlin, das zuständige Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur wolle die MIG auf Dauer installieren und ihre Zuständigkeit dann auf 5G und Breitband im Festnetz ausdehnen. Für Kritiker heißt das: Bislang konnte die in Oppositionskreisen als „Scheuers Funklochamt“ verspottete MIG noch kein einziges Funkloch schließen.
Zukunft der MIG ungewiss
Ob die MIG über die Bundestagswahl hinaus Bestand hat, gilt in informierten Kreisen in Berlin inzwischen als nicht mehr sicher. "Die wird wieder zugemacht", so Insider gegenüber teltarif.de, die namentlich nicht genannt werden wollten.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die Funklöcher konkret zu definieren, war sicher richtig und wichtig. Jetzt muss noch ein Verfahren gefunden werden, wie die Zuschüsse für den Bau der entlegenen Stationen an die Netzbetreiber zügig ausgezahlt werden können und vor allen Dingen müssen alle bürokratischen Hindernisse (von fehlenden Baugenehmigungen, über Klagen gegen Sender oder Auflagen zur Mindest-Verlegetiefe von Signal-Kabeln) weitestgehend beseitigt werden. Ob man dafür ein extra "Amt" braucht? Eigentlich nicht.
Denn: Sollten nach der Wahl die Bundesanteile an der Deutschen Telekom durch die KfW-Bank verkauft werden, könnte eine (neue?) staatliche Telekom-Gesellschaft für Netze und Dienste mit Hohheits-Aufgaben notwendig werden. Die könnte bei der BDBOS (digitaler Behördenfunk) angesiedelt sein. Diese "Hohheits-Telekom" könnte vielleicht auch als Mobilfunk-Netzbetreiber in den Regionen auftreten, in denen die etablierten Netzbetreiber nicht bauen wollen. So macht es beispielsweise Frankreich. Das aber würde eine komplette Neufassung des TK-Gesetzes und eine komplette Neuvergabe aller Frequenzen bedeuten und würde vor allen Dingen eins: Ewig dauern und kostspielig werden, bevor nur eine zusätzliche Antenne senden kann.
Eine Ausschreibung der weißen Flecken unter den drei bzw. vier Mobilfunkern mit anschließender Vergabe des Bauauftrags an den günstigsten Bieter, wäre schneller und zielführender. Die Mehrkosten würde der Bund dem Anbieter überweisen und der "Gewinner" muss sich verpflichten, diese Standorte oder sogar Sende-Anlagen der Konkurrenz unter klaren Regelungen (Kosten) zur Verfügung zu stellen. Ob man das durch Ausstrahlen mehrerer Netzkennungen ("MOCN") oder durch explizites regionales Roaming (wie früher das D1-Roaming bei VIAG-Interkom) macht, ist Ansichtssache.
Vielleicht könnte man für das regionale Roaming auch Aufpreise bei den Kunden der Anbieter nehmen, die bislang nicht so gut ausgebaut haben. Dann kann der Kunde entscheiden, ob ihm der Mehrpreis für mehr Netz das Wert ist oder nicht. Aber jetzt sind erst einmal Wahlen und aufgrund der Gemengelage wird eine neue Regierung nicht vor Frühjahr 2022 handlungsfähig sein, völlig unabhängig davon, wer am Ende das Rennen macht. Und solange wird wohl gar nichts passieren.
Derweilen möchte die Deutsche Telekom mehr als 100.000 neue Glasfaseranschlüsse bauen.