Telekom und Vodafone verabschieden die MMS
Nachricht aus einer anderen Zeit: Ericsson T68 mit angesetzter Digitalkamera. Das Bild wurde direkt per MMS verschickt.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Die Abkürzung MMS steht für Multimedia Messaging Service, und der steht im neuen Jahr wohl weitgehend vor dem Aus. Die Idee war seinerzeit, die erfolgreiche Text-SMS und den nie Bedeutung erlangenden Dienst EMS (Enhanced Messaging System) um Multimedia-Elemente (Bilder, Töne) zu erweitern.
MMS startete 2002
Nachricht aus einer anderen Zeit: Ericsson T68 mit angesetzter Digitalkamera. Das Bild wurde direkt per MMS verschickt.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Europapremiere feierte der MMS-Dienst beispielsweise im Netz von Vodafone im April 2002. Mit dem Start der MMS entfiel auch die Beschränkung auf 160 Zeichen pro SMS, denn die MMS verkraftet bis zu 1000 Zeichen. Auch (kleinere) farbige Fotos, Musik oder Töne ließen sich als Multimedia-Nachricht versenden. Etwa ein Jahr später konnten auch kurze Video-Clips verschickt werden. „Mit der Video-MMS sollen Handybilder laufen lernen“, verkündete Vodafone damals auf der Messe CEBIT 2003. Voraussetzung von Anfang an für den Versand einer MMS war ein MMS-fähiges Handy.
Vodafone beendet MMS am 17. Januar 2023, Telekom kurz davor
Der Netzbetreiber Vodafone (Deutschland) gab nun bekannt, dass der MMS-Dienst am 17. Januar 2023 im Vodafone-Netz vollständig eingestellt werden wird.
Die Deutsche Telekom hatte schon zum 30. Juni 2020 diesen Dienst einstellen wollen, verlängerte aber dann doch noch einmal. Nun soll auch bei der Telekom dieser Dienst am 31. Dezember 2022 abgestellt werden, wie ein Telekom-Sprecher auf Anfrage von teltarif.de bestätigte.
Bei o2 gibt es noch keine Pläne zur Abschaltung von MMS, wie teltarif.de erfuhr.
Mit der Abschaltung des MMS-Dienstes, betonen die Netzbetreiber, bleibt der ältere und bewährte SMS-Dienst (Short Message Service) unangetastet und funktioniert weiterhin.
MMS-Blütezeit vor etwa 10 Jahren
Vodafone erinnert sich, dass die "MMS-Hochphase" im Dezember 2012 gewesen sei: Damals wurden rund 13 Millionen MMS verschickt.
Wer erst kürzlich in den Mobilfunk eingestiegen ist, wird sich an die MMS kaum noch erinnern, bei modernen Android- oder iOS-Handys konfiguriert sie sich automatisch. Wer auf einem iPhone eine Bildnachricht verschicken will, kann das über iMessage zu anderen Apple-Kunden kostenlos tun. War aber die Gegenstelle länger nicht im Netz oder hat das Handysystem gewechselt, kann diese Nachricht leicht unbeabsichtigt als kostenpflichtige MMS auf die Reise gehen.
MMS war immer zu teuer
Die MMS wurde von Anfang an "übertrieben" bepreist. Weil die Kunden für eine Text-SMS 19 Cent zahlen (mussten), dachten sich die Anbieter, für eine MMS mit maximal 1000 Textzeichen oder maximal 300 kB Bild-, Ton- oder Video-Anhang könnte man 39 Cent pro Stück berechnen. Ankommende MMS im Ausland schlugen vor den EU-Roaming-Richtlinien auch gewaltig aufs Konto. Kostenbewusste Kunden machten um dieses Angebot einen großen Bogen.
Da halfen auch Dienste wie die MMS-Postkarte nicht wirklich. Hier konnte man eine MMS an ein Service-Center schicken, die aus dem übermittelten Bild und dem Text eine echte Postkarte druckten und per Briefpost an den Empfänger verschickten. Dies wurde mittlerweile von Post- und Grußkarten-Apps abgelöst.
Preis nie angefasst
Der MMS-Preis wurde von den Anbietern nie angefasst. Selbst nicht, als die Datenpreise längst implodiert waren. Damit läuteten die Anbieter (ungewollt) den allmählichen Niedergang des Dienstes ein.
Gerhard Mack, Technik-Chef von Vodafone, hat bemerkt, "die MMS ist veraltet, ihre Bedeutung gering und der Kundennutzen minimal. Deshalb gehen Vodafone und die MMS ab 2023 getrennte Wege.“
Wie funktioniert die MMS?
Technisch erfolgt der Versand einer MMS wie bei einer SMS über das mobile Datennetz im 2G-, (3G-, wo noch verfügbar), 4G- oder 5G-Netz. Ein spezieller Datentarif ist dazu nicht notwendig. Das MMS-Bild wird zunächst auf dem Handy komprimiert (um Daten zu sparen), dann an das zentrale Multimedia Messaging Center im Netz weitergeleitet und von dort an den eigentlichen Empfänger zugestellt.
Während ein Smartphone-Foto heute mehrere Megabyte groß sein kann, beträgt die Maximalgröße eines MMS-Fotos in allen deutschen Netzen nur 300 Kilobyte, also 0,3 Megabyte. Fotos, die per MMS versendet werden, kommen somit aufgrund der Kompression in einer geringeren Auflösung beim Empfänger an.
MMS-Nutzung heute gering
In den Mobilfunknetzen ist die MMS-Nutzung in den letzten Jahren deutlich gesunken. Wer heute Bilder, Töne oder Videos verschicken möchte, kann das über einen Messenger-Dienst oder per E-Mail tun. Auch die Anzahl der Endgeräte, auf denen die Internet-Nutzung und die Verwendung von Apps zum Versand von multimedialen Inhalten nicht möglich ist, hat stark abgenommen. Gängige Alternativen für die MMS sind populäre Messenger wie z.B. WhatsApp, Facebook Messenger, Signal, Telegram, etc. oder Kommunikationstechnologien wie die Rich Communication Services (RCS) auf Android-Geräten sowie die „iMessage“ auf iPhones. Als die MMS noch "angesagt" war, wurden die meisten MMS-Nachrichten jeweils im Monat Dezember verschickt, wohl um Weihnachtsbaumfotos zu teilen sowie Weihnachts- und Silvestergrüße in Form animierter Grafiken zu versenden.
Von 13 Millionen auf 650.000
Von den rund 13 Millionen MMS im Dezember 2012 sind heute noch etwa fünf Prozent (rund 650.000) Nachrichten geblieben. Der Netzbetreiber Vodafone geht beispielsweise davon aus, dass die Zahl der monatlich versendeten MMS-Nachrichten in den kommenden Monaten weiter abnehmen wird.
Zum Vergleich: Im Dezember 2012 wurden im Vodafone-Netz rund 1,5 Milliarden SMS verschickt – die MMS hat im Vergleich zur SMS immer ein Schattendasein geführt, kein Wunder bei den absurden Preisen, die bis heute berechnet wurden.
MMS in anderen Ländern
In anderen Ländern ist die MMS durchaus populärer. Da wurde eine Textnachricht immer gleich bepreist, egal, ob sie als SMS oder MMS verschickt wurde. Seitdem es Flatrates für SMS gibt, wirkt sich das in verschiedenen Ländern auch auf MMS aus, in Deutschland trauten sich die Anbieter (bis auf wenige Ausnahmen) das nie.
Wenn die MMS per SMS angekündigt wird
Wer aktuell eine MMS empfangen sollte, obwohl sein Handy dafür gar nicht eingerichtet oder geeignet ist, wird sich schon über eine Text-SMS mit URL und Passwort gewundert haben. Hier ist erhöhte Vorsicht geboten, da aktuell viele betrügerische SMS verschickt werden, die zum Download und der Installation von gefährlichen Apps verleiten sollen.
Wenn eine solche SMS kommt, sollte sie genau analysiert werden. Bei MMS-Nachrichten der Telekom wird eine URL zum Abruf der echten MMS genannt, die https://www.mms.telekom.de lautet. Auf der aufgerufenen Webseite muss dann die eigene Rufnummer im internationalen Format (+4917112345678) angegeben und beim Passwort (PIN) penibel auf Groß- und Kleinschreibung und den Unterschied zwischen dem Buchstaben "B" und der Zahl "8" geachtet werden.
Zum Abruf solcher MMS sollte am besten ein Desktop-PC verwendet werden, weil es bei Smartphones oder Tablets zu Problem kommen könnte. Interessanterweise funktionieren die beworbenen Links der betrügerischen SMS-Nachrichten auf einem PC in den allermeisten Fällen interessanterweise nicht, ein aktueller Virenscanner und ein geupdatetes System vorausgesetzt.
MMS in Zukunft?
Was nach dem 17. Januar 2023 bzw. 31. Dezember 2022 passieren wird, wenn noch MMS-Nachrichten von "außerhalb" an Telekom oder Vodafone Kunden geschickt werden (z. B. aus dem o2-Netz oder von ausländischen Rufnummern), ist derzeit noch nicht bekannt.
Lösungen für Geschäftskunden
Vodafone weist seine Geschäftskunden darauf hin, dass bis Ende Dezember 2022 die MMS im Vodafone-Netz uneingeschränkt genutzt werden könne, am 17. Januar 2023 schaltet Vodafone den Dienst vollständig ab. Für Geschäftskunden werde Vodafone im Bedarfsfall individuelle Lösungen anbieten.
Nachfolger RCS?
Der Weltverband GSMA hatte aufgrund des Erfolges von OTT-Messengern wie WhatsApp früh nach einer netzübergreifend genormten Multimedia-Lösung gesucht, die RCSe (Rich Communication Suite enhanced) genannt wurde. Dieser RCS-Dienst, auch unter dem Namen Joyn geläufig, kam nie richtig vom Fleck und führte lange Zeit ein Schattendasein.
Erst der Android-Hersteller Google verschaffte dem RCS-Dienst einen Schub, indem Google diesen RCS-Dienst serienmäßig in seine "Message"-App einbaute, die sonst SMS- und MMS-Nachrichten unter Android verwaltet.
Nutzer mit einem iPhone können diese RCS-Nachrichten nur empfangen, wenn sie auf ihrem Handy eine spezielle RCS-App installiert haben. Original-Telekom-Kunden können hier beispielsweise Message+ [Link entfernt] verwenden.
Wenn Android-Nutzer Nachrichten an Apple-Nutzer verschicken, kann es passieren, dass diese Nachrichten verloren gehen, wenn der Apple-Nutzer keinen RCS-fähigen Client installiert hat. Es kann also durchaus sinnvoll sein, die Gegenstelle persönlich oder telefonisch zu befragen, ob die Nachricht angekommen ist.
Die Telekom hat für RCS eine Infoseite eingerichtet. Der Messenger Chat auf Basis von RCS stehe den Nutzerinnen und Nutzern uneingeschränkt zur Verfügung. Man werde aber den Fokus weiter auf klassische Tarif- und Endgeräteangebote legen.