Analyse

Die Schatzkiste der Mobilfunkbetreiber

"Mobilfunkbetreiber sitzen auf einer wahren Schatzkiste mit umfassenden Informationen" findet der Analyse-Spezialist Inrix und legt den Anbietern nahe, aus Bewegungsprofilen Profit zu schlagen. Aber will man das wirklich?
Von Marie-Anne Winter

Bewegungsdaten als neue Einnahmequelle für Mobilfunk-Anbieter. Bewegungsdaten als neue Einnahmequelle für Mobilfunk-Anbieter.
Bild: intrix.com
Der Rohstoff des digitalen Zeitalters sind Daten - und spezialisierte Unternehmen arbeiten längst daran, das ständig wachsende Datengebirge gewinnbringend auszubeuten. Das betrifft nicht nur die Werbebranche, die das Verhalten von Internetnutzern immer genauer auswertet, um personalisierte Angebote zu platzieren. Zahlreiche Branchen werten das Verhalten ihrer Kunden aus, Reiseanbieter, Automobilhersteller, Lebensmittel- und Modekonzerne. Und jene, die keinen direkten Kontakt zu ihren Kunden haben, versuchen über andere Quellen an die begehrten Daten zu kommen. Deshalb rücken Unternehmen in den Fokus, bei denen massenhaft Daten anfallen - etwa Telekommunikationsanbieter. Bewegungsdaten als neue Einnahmequelle für Mobilfunk-Anbieter. Bewegungsdaten als neue Einnahmequelle für Mobilfunk-Anbieter.
Bild: intrix.com

Und hier gibt es natürlich ebenfalls schon spezialisierte Unternehmen, deren Geschäftsmodell es ist, sich weitere Geschäftsmodelle für die Auswertung von Daten auszudenken. Eins davon ist die Analyse-Firma Inrix, ein internationaler Anbieter von Transportinformationen, Analysen und Fahrerdienstleistungen für das vernetzte Auto und Smart Cities in der gesamten Welt. Inrix hat heute seine Population Analytics Plattform vorgestellt, die Milliarden anonymisierter und aggregierter Datenpunkte aus Mobilfunknetzen und GPS für die Bereitstellung von Erkenntnissen aus Populationsbewegungen an Regierungen, Verkehrsbehörden, Städteplaner, Einzelhändler und Werbetreibende verwendet.

Effektive Auswertung dank Partnern

"Mobilfunkbetreiber sitzen auf einer wahren Schatzkiste mit umfassenden Informationen, und sie haben bereits begonnen, das erhebliche Potenzial zu nutzen, welches sich ihnen durch die Monetarisierung ihrer Datenbestände bietet", erklärt Rafay Khan, Chief Revenue Officer von Inrix. "Bei unseren öffentlichen Auftraggebern zählen wir zu den Pionieren bei Bewegungsanalysen in UK und wir haben bewiesen, dass wir genaue Erkenntnisse über die Bewegung von Populationen liefern können, indem wir Datensätze aus Mobilfunknetzen und GPS kombinieren und damit den Umsatz von Betreibern fördern."

In Großbritannien verwendet Inrix die anonymisierten Daten seiner Mobilfunkpartner für die Bereitstellung von Informationen über Populationsbewegungen, beispielweise detaillierte Erkenntnisse über die Reisen und Reisegewohnheiten von Menschengruppen. Im Gegenzug erzielt der Betreiber zusätzliche Einnahmen. Mobilfunkanbieter, die bisher noch keine Erträge aus Bewegungsanalysen erwirtschaften, könnten über die Zusammenarbeit mit Unternehmen wie Inrix, die über fortschrittliche Analysefähigkeiten verfügen, Investitionen in eine neue und teure Infrastruktur vermeiden.

Mobilfunkdaten für die Verkehrsplanung

Emil Berthelsen, Principal Analyst von Machina Research, sagte: "Mobilfunkbetreiber müssen erkennen, dass Bewegungsanalysen nicht einfach eine Erweiterung ihrer bestehenden Datenanalysetätigkeit sind und dass sie dabei mit Anbietern zusammenarbeiten müssen, die über ausgereifte Plattformen verfügen. Um ihre Datenbestände effektiv monetisieren zu können, benötigen Betreiber Partner, die Erfahrung in der Zusammenarbeit mit und dem Verkauf an Regierungen und Städte sowie an andere vertikale Sektoren haben, wie z. B. den Einzelhandel."

Nach eigener Darstellung hat Inrix bereits viel Erfahrung mit der Bereitstellung von Analysedienstleistungen an den öffentlichen Sektor. Zur Kundenbasis zählen Verkehrsbehörden in der ganzen Welt, etwa die I-95 Corridor Coalition in den USA. Während der Olympischen Spiele in London 2012 war Transport for London (TfL) eine der ersten Verkehrsbehörden, welche die Fähigkeiten der Bewegungsanalysen von Inrix bei der Analyse des Populationsflusses und der -dichte in der Stadt in Echtzeit eingesetzt hat. Damit konnte TfL laut Inrix bessere Entscheidungen bei der Verkehrsplanung treffen.

Umsatz auf Kosten des Datenschutz?

"Indem Mobilfunkbetreiber Regierungen bei der Verbesserung der urbanen Mobilität und des Waren- und Dienstleistungsverkehrs unterstützen, können sie bei der Entwicklung von Smart Cities eine wichtige Rolle spielen", sagte Khan. "Unsere lange Erfahrung mit der Bereitstellung von Datenanalysen an Verkehrsbehörden in der ganzen Welt kann Mobilfunkbetreibern helfen, neue Märkte zu erschließen und gleichzeitig lukrative, neue Einnahmequellen zu eröffnen." Bewegungsanalysen seien für Mobilfunkbetreiber der Schlüssel zur Freisetzung von Umsatzpotenzial aus großen Datenmengen.

Nach einer Marktprognose von Machina Research könnten Mobilfunkbetreiber in Kooperation mit Unternehmen wie Inrix durch Bewegungsanalysen in den nächsten Jahren zusätzlich Geld verdienen weil Regierungen wegen der zunehmenden Anzahl von Menschen, die in die großen Ballungszentren ziehen, viel in die Reduzierung von Verkehrsstaus, die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur und die Verbesserung urbaner Mobilität investieren würden.

Aber was heißt das für all jene, deren Bewegunsprofile und sonstige Daten für derartige Analysen verwendet werden - also für alle Mobilfunk-Kunden? Inzwischen ist bekannt, dass es nicht allzu schwierig ist aus anonymisierten Datensätzen heraus zu lesen, welche konkrete Person zu welchem Profil gehört - Metadaten sind keineswegs anonym. Und auch wenn die Optimierung des öffentlichen Nahverkehrs prinzipiell eine gute Sache ist, liegt auf der Hand, dass man mit den dafür verwendeten Daten auch andere Analysen zu ganz anderen Zwecken machen könnte. Hier muss auf jeden Fall noch einmal ausführlich über Datenschutz geredet werden. Denn bei Bewegungsprofilen handelt es sich um sehr persönliche Daten.

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