Eigenes LTE-Netz für die Polizei?
Die Bundesanstalt für Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (kurz BDBOS) wurde gegründet. Mit viel Mühen und Wehen und aus chronisch leeren Kassen wurde ein bundesweites nagelneues digitales Polizei- und Sicherheitsfunknetz aus dem Boden gestampft, das inzwischen wohl einigermaßen funktioniert, zumindest dort, wo schon Sender stehen. Diese "Flächendeckung" hängt vom jeweiligen Bundesland ab, hört man auf den Fluren.
Eigentlich ist dieses Netz ziemlich geheim. Ja man darf nicht einmal sagen (oder am besten auch nicht wissen), wo die Sender des Netzes stehen. Internetaktivisten, die darüber im Netz diskutierten oder gar Standorte veröffentlichten, erhielten merkwürdige Anrufe mit der klaren Ansage: Das geht Euch nix an.
BDBOS-Funk nicht so gut bei Daten
Die (bayerische) Polizei hat zwar schnelle Autos, aber der digitale Polizei-Datenfunk ist viel zu langsam.
Foto: Bayrische Polizei
Nun ist - nach allem, was öffentlich bekannt wurde - das digitale Behördennetz immer noch nicht ganz fertig und trotzdem schon wieder veraltet. Das Netz wurde für Sprache und ein klein wenig Daten konzipiert. Sprich: die Behörden-Daten-Raten sind viel zu langsam. Von Zeit zu Zeit liest man, dass sich örtliche Dienststellen mit Mobiltelefonen oder Tablets in den Netzen von Telekom, Vodafone und vielleicht auch o2 behelfen und darüber dann auch größere Datenmengen beim Einsatz austauschen. Selbst einen digitalen Behördenfunkmessenger gibt es schon, weil WhatsApp geht aufgrund deren Herkunftsland und der dortigen "Datenschutz"-Praxis absolut gar nicht.
Networkslicing bei 5G wäre ideal und kostengünstig
Da wäre doch 5G mit richtig schnellen Verbindungen und Bandbreiten eine gute Gelegenheit, auch von Polizei und Sicherheitsdiensten mitgenutzt zu werden. Telekom und Vodafone schlugen vor, besondere Network-Slices für Behörden einzurichten, die dann absolute "Vorfahrt" auf dem 5G-Netz gehabt hätten, eigentlich ein sinnvolles Verfahren. Man hätte aus dem Stand ein bundesweites Netz mit ein paar Löchern gehabt und die wären sicher schnell gestopft worden, alleine schon aus staatlichem Interesse. Aber nein.
Wieder was Eigenes
Jetzt wurde bekannt, dass die bereits erwähnte Bundesanstalt für Digitalfunk sich um "eigene" Frequenzen bei 450 MHz bemüht und zwar "mit Nachdruck", wie deren Leiter gegenüber der Zeitung "Wirtschaftswoche" erklärte. Auf 450 MHz lief lange Zeit das wohl seinerzeit die Fläche am besten abdeckende analoge Mobiltelefon-Netz in Deutschland mit dem Namen "C-Tel" oder "C-Netz". Nachdem dieses "C-Netz" vorzeitig abgeschaltet wurde, wurden die Frequenzen von der Deutschen Telekom zur Versorgung von ICE-Zügen mit Internet genutzt. Doch auch das ist eigentlich Geschichte. Aktuell funken noch Telekom und der niederländische Energie-Dienstleister Alliander auf 450 MHz ... noch bis 2020. Danach reklamiert die BDBOS (Bundesanstalt für Digitalfunk von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) die Frequenzen nun für einen digitalen Polizeifunk in LTE-450 Technologie, diesmal soll noch die Bundeswehr mit dabei sein. Man muss kein Prophet sein, dass dieser neue Sicherheitsfunk kommen wird. Irgendwann - und wieder wird es Jahr(zehnt)e dauern, bis dieser Funk halbwegs flächendeckend zur Verfügung steht.
Energiewirtschaft schockiert
Bei der Energiewirtschaft hingegen zeigt man sich laut Wirtschaftswoche "schockiert" darüber. Die Stromnetzbetreiber nutzen die Frequenzen beispielsweise, um ihre Stromnetze auch bei Leitungsunterbrechnungen noch steuern zu können und im Notfall stabile Kommunikationskanäle zu haben.
Bei den Mobilfunk-Anbietern dürfte so kurz vor dem Weihnachtsfest auch keine Freude aufkommen.
Vorteile von 450 MHz
Die Frequenzen bei 450 MHz haben gegenüber den heute von den öffentlichen Mobilfunkern genutzten Handyfrequenzen wesentliche Vorteile. Zum einen werden für ein Netz bei 450 MHz ("70cm" Wellenlänge) relativ wenige Sendemasten benötigt, womit man eine vergleichsweise große Fläche abdecken kann. Zum anderen können 70cm-Wellen auch Mauern gut durchdringen und so für Netz in Gebäuden und Kellern sorgen. Zum Vergleich: Der bisherige behördliche Digitalfunk liegt bei ungefähr 420 MHz, GSM funkt typischerweise auf 900 MHz, LTE wird auf Frequenzen ab 700 MHz bis 3,8 GHz und höher nutzbar sein.
Bundesnetzagentur als Schiedsrichter
Die Bundesnetzagentur teilte auf Anfrage mit, dass ihre Bedarfsabfrage Anfang 2018 auf „widerstreitende Interessen unterschiedlicher Nutzergruppen“ gestoßen sei. Nach Vorstellung der Agentur sollen nun erst einmal die zuständigen Ministerien untereinander eine Einigung herbeiführen. Das Kern-Problem: Der zur Diskussion stehende Frequenzbereich, um den es auf 450 MHz geben könnte, hat nur eine Bandbreite von 5 MHz. Viel ginge da technisch ohnehin nicht. Für richtig satte Datenmengen bliebe am Ende doch wieder der öffentliche Mobilfunk - oder weitere Frequenzen.