Themenspezial: Verbraucher & Service Streaming

Popcorn Time ist tot: Weckruf für die Filmindustrie

Popcorn Time zeigt als Netflix für Piraterie-Content, was Verbraucher wünschen: Eine einfach zu nutzende Möglichkeit, aktuelle Filme und Serien anzusehen. Warum kriegt die Filmindustrie das nicht für eine legale Nutzung hin?
Von Marie-Anne Winter

Die Entwickler von Popcorn Time verabschieden sich. Die Entwickler von Popcorn Time verabschieden sich.
Screenshot von getpopcornti.me/
In den vergangenen Tagen hat die Streaming-Anwendung Popcorn Time bzw. deren Ende und die angebliche Wiederauferstehung durch Nachahmer für Schlagzeilen gesorgt. Popcorn Time sei eine Art Netflix für Piraten-Content schrieb techcrunch.com. Das trifft die Sache ziemlich gut, denn es handelte sich um einen einfach zu nutzenden Streaming-Dienst, mit dem man so ziemlich alle aktuellen Spielfilme und Serien ansehen konnte: Man musste nur die App installieren, einen Film aussuchen und "Watch it Now" anklicken. Es gab allerdings einen Haken: Die Nutzung von Popcorn Time und vergleichbaren Anwendungen ist hierzulande illegal, auch wenn die Entwickler von Popcorn Time nicht müde wurden, zu betonen, dass ihr Projekt als Projekt völlig legal sei. Die Entwickler von Popcorn Time verabschieden sich. Die Entwickler von Popcorn Time verabschieden sich.
Screenshot von getpopcornti.me/

Das Problem von Popcorn Time und ähnlichen Anwendungen sind auch nicht die Software, sondern die gestreamten Inhalte: Bei diesen handelt es sich um illegale Filmkopien, die über das BitTorrent-Protokoll direkt aus den Tauschnetzwerken auf das jeweilige Endgerät gestreamt werden. Mit der Software der Popcorn-Time-Entwickler wurde auch Anfängern die Nutzung von Torrents möglich, die sich nicht mit solchen Netzwerken auskennen. Leider ist die Nutzung solcher Torrents hierzulande strafbar - insbesondere, wenn es sich bei den ausgetauschten Daten um offensichtlich urheberrechtlich geschütztes Material handelt. Insofern dürfen sich Popcorn-Time-Nutzer nicht wundern, wenn nach dem Filmgenuss die Abmahnung kommt.

Die Entwickler von Popcorn Time wollten laut eigener Aussage [Link entfernt] vor allem zeigen, dass ein solches Projekt möglich ist und sie seien stolz darauf, auf diese Weise zum Vorkämpfer für Verbraucher in aller Welt geworden zu sein. Ihrer Ansicht nach ist nicht Piraterie das Problem, sondern mangelnder Service. Das Piraterie-Problem sei durch eine Industrie entstanden, die sich Innovationen verweigere und an rückständigen Geschäftsmodellen festhalte.

Um aktuelle Filme anzusehen, würden Menschen Konsequenzen bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung riskieren - mit Popcorn Time hätten sie wenigstens ein angenehmes Nutzungserlebnis. Pocholín, das Maskottchen von Popcorn Time. Pocholín, das Maskottchen von Popcorn Time.
Grafik von Popcorn Time
Vielleicht könnte man die Leute einfach freundlich fragen, ob sie nicht ein paar Mäuse pro Monat zahlen möchten, um die Filme zu sehen, die sie sehen möchten. Mit dem Projekt hätten sie gezeigt, dass ein solches Modell möglich wäre. Weil aber nun endlose Debatten über Urheberrecht, rechtliche Konsequenzen und so weiter bevorstünden, fühlten sich die Leute von Popcorn Time zunehmend bedroht und hätten beschlossen, ihr Projekt vom Netz zu nehmen.

Das Elend mit der legalen Nutzung

Nun gibt es auch in Deutschland bereits eine Reihe von legalen Video-on-­Demand- und Streaming-Angeboten. Eine Übersicht zu Online-Videotheken finden Sie in dieser Meldung, einen Vergleich von Video-on-Demand-Anbietern haben wir ebenfalls für Sie zusammen gestellt. Allerdings ist die Benutzung dieser Dienste zum Teil recht umständlich - was wir bei der Online-Ausleihe bei Media Markt erleben mussten, können Sie hier lesen. Insofern verwundert es nicht, dass Popcorn Time dermaßen eingeschlagen ist. Eine einfache, komfortable und dann auch noch günstige Lösung für den Filmgenuss auf Wunsch könnte tatsächlich helfen, das Piraterie-Problem vielleicht nicht zu lösen, aber doch einzudämmen.

Ein anderes Problem ist auch, dass es in den unterschiedlichen Ländern zum Teil sehr lange dauert, bis aktuelle Inhalte endlich zur Verfügung gestellt werden. Was nützt es, wenn die aktuelle Serie, die beispielsweise gerade in den USA ausgestrahlt und lebhaft diskutiert wird, erst in einem Jahr in Deutschland legal herunter geladen werden kann? Oder man sich für eine bestimmte israelische oder norwegische Serie interessiert, die es vermutlich nie ins deutsche Fernsehen oder in eine deutsche Online-Videothek schaffen wird? Warum werden ausgerechnet hier die größten Vorteile des Internet, nämlich die weltumspannende Infrastruktur, mit der man Daten von den entlegensten Orten der Welt an jeden anderen Ort der Welt übertragen kann, zunichte gemacht, in dem man Nutzer nach regionalen Kriterien systematisch aussperrt?

Stünden zu einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis legale Möglichkeiten zur Verfügung, würden gewiss zahlreiche Nutzer die Finger von den weniger legalen lassen. Solange es aber keine oder nur sehr viel umständlichere Angebote gibt, braucht sich die Filmindustrie nicht zu wundern, dass sie den Piraten nur hinterherlaufen kann.

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