Jahreszahlen

"Nicht gut genug": Vodafone-Chefin greift zum Rotstift

Die Voda­fone Group hat ihre Zahlen vorge­legt. In Europa, auch in Deutsch­land sehen die gar nicht gut aus. Welt­weit sollen 11.000 Stellen einge­spart werden.
Von mit Material von dpa

Der inter­national tätige Netz­betreiber Voda­fone plc hat heute seine Gesamt-Zahlen für das Geschäfts­jahr 2022/23 (endet am 30. April) vorge­legt: In Afrika läuft es gut, in Europa weniger.

Welt­weit 11.000 Stellen weniger

Welt­weit sollen 11.000 Stellen gestri­chen werden, was etwa 10 Prozent der Beleg­schaft bedeutet. "Unsere Leis­tung war nicht gut genug", erklärte Konzern­chefin Marghe­rita Della Valle heute in London. "Um dauer­haft liefern zu können, muss sich Voda­fone ändern." Ihre Prio­rität seien "Kunden, Verein­fachung und Wachstum". Auf dem Dach vom Vodafone in Düsseldorf wird das Verhalten von Bienenvölkern erforscht. Ob die Bienen die Geschäftszahlen kennen? Auf dem Dach vom Vodafone in Düsseldorf wird das Verhalten von Bienenvölkern erforscht. Ob die Bienen die Geschäftszahlen kennen?
Foto: Picture Alliance/dpa
In Deutsch­land sollen bis März nächsten Jahres 1300 von 14.300 Voll­zeit-Stellen wegfallen - dieses natio­nale Vorhaben war bereits bekannt. Hier­zulande soll der Rotstift vor allem in der Verwal­tung ange­setzt werden. In "kunden­nahen Berei­chen" - etwa im Service und in der Technik - sollen hingegen 400 Stellen neu aufge­baut werden. Unterm Strich sinkt die Beschäf­tig­ten­zahl in Deutsch­land also plan­mäßig um 900.

Massiver Druck

Voda­fone ist unter massivem Druck. Während sich die Konkur­renten Deut­sche Telekom und Telefónica (o2) im Aufwind befinden, sinkt die Kunden­zahl von Voda­fone in Deutsch­land. Im abge­lau­fenen Geschäfts­jahr 2023 schrumpfte das berich­tete opera­tive Ergebnis des globalen Konzerns von 15,2 Milli­arden Euro im Vorjahr auf knapp 14,7 Milli­arden Euro. Voda­fone begrün­dete dies vor allem mit höheren Ener­gie­kosten und einer schlech­teren Geschäfts­ent­wick­lung in Deutsch­land.

Europa: Rück­gang der Kunden­zahlen

Im Vergleich der Geschäfts­jahre sank die Zahl der euro­päi­schen Mobil­funk­ver­trags­kunden von 66,4 Millionen auf 64,8 Millionen. Bei Breit­band im Fest­netz sank die Zahl von 25,6 auf 24,7 Millionen. Einen leichten Zuwachs gab es bei "konver­genten" Kunden, also bei Kombi­tarifen von Mobil­funk und Fest­netz, hier waren es am Schluss 100.000 Kunden mehr. Wer Kombi­ange­bote bucht, kann einiges im Jahr sparen. In Spanien ging der Service-Umsatz pro Kunde um 5,4 Prozent gegen­über dem Vorjahr zurück, Italien rutschte um 2,9 Prozent und Deutsch­land, wie bereits erwähnt um 1,6 Prozent.

Afrika: Zuwachs

Ganz anders die Zahlen in Afrika: Die Kunden­zahlen wuchsen dort von 184,5 auf 189,9 Millionen Kunden. Die Zahl der Daten­nutzer klet­terte in Afrika von 89 auf 94,8 Millionen. Die Finanz­kenn­zahl "ROCE" (Return on Capital Employed) sank vor Steuern von 7,2 auf 6,8 Prozent, es rentiert sich also in Europa nicht mehr so wie früher.

Deutsch­land: Rück­gang bei Service-Umsatz und EBITDAaL

Deutsch­land, so der Geschäfts­bericht, bleibt "unter Druck" mit einem Rück­gang von 1,6 Prozent des Service Umsatzes und von 6,1 Prozent des "adjusted EBITDAaL" (berei­nigtes EBITDA nach Leasing). Im inter­natio­nalen Geschäfts­kun­den­bereich konnte Voda­fone immerhin um 2,6 Prozent zulegen.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die regel­mäßig vorge­legten Geschäfts­zahlen sind für Außen­ste­hende oft nur ein Zahlen­rätsel, geben Fach­leute aber einige Einblicke. Dabei sind alle Unter­nehmen darauf ausge­richtet, "möglichst gute Zahlen" zu liefern.

Konzen­trieren wir uns auf Deutsch­land. Voda­fone steht "unter Druck", was wohl durch lang­jäh­riges allei­niges Ausrichten auf maxi­male Renta­bilität entstand. Die Kunden und ihre Bedürf­nisse wurden dabei mehr oder weniger ausge­blendet. Fast jeder hat eigene Erleb­nisse mit Voda­fone oder kennt Betrof­fene, die nicht unbe­dingt positiv sein müssen. Das spricht sich lang­fristig herum und wirkt sich auf die Geschäfts­zahlen aus.

Der sich regel­mäßig mit zigtau­send E-Mails zu Wort meldende "VF-Insider" wird in Düssel­dorf nach wie vor wie ein rohes Ei behan­delt. Seine massive Kritik sollte ernster genommen und das Gespräch gesucht werden. Wenn es wirk­lich stimmt, dass bestimmte "Händler" kompletten Zugriff auf alle Kunden­daten haben, ohne dass die betrof­fenen Kunden davon wissen oder dem jemals zuge­stimmt haben, gibt es hier einiges zu tun.

Frau Della Valle hat Recht: Das gesamte Geschäfts­modell bei Voda­fone gehört drin­gend auf den Prüf­stand. Nur das Wort "Wachstum" sollte sie aus ihrer Agenda (z.B. für Deutsch­land) vorerst einmal strei­chen, auch wenn das den Anteils­eig­nern nicht gefallen wird. Eine Lösung könnten gene­rell maximal einmo­natige Vertrags­lauf­zeiten und einfa­chere, klar verständ­liche Tarife ohne jegliche Rabatte und Sonder­rege­lungen sein, um das verlo­rene Vertrauen wieder aufzu­bauen. Der Verkauf von Hard­ware wie Handys, Tablets, Uhren etc. müsste künftig strikt vom Handy­ver­trag getrennt werden, um wieder Klar­heit hinein­zube­kommen. Manchem "Vertriebler" wird das sicher nicht gefallen.

Klare Tarife ohne Rabatte wären aber auch eine klare Ansage an den Kunden, der wissen möchte, was der Spaß am Ende wirk­lich kostet. Cash-Backs und Kick-Backs, WKZ und andere Spiel­chen verne­beln nur die Wirk­lich­keit. Empfind­liche Kunden bleiben dann von vorn­herein weg.

Eine weitere Aufgabe für Voda­fone ist ein massiver Netz­ausbau - beson­ders tief in der Provinz. Entweder mit eigenen Stationen oder mit einer vertief­teren Zusam­men­arbeit durch MOCN oder MORAN (=gemein­same Nutzung vorhan­dener Sende­sta­tionen) mit Telekom und Telefónica und viel­leicht auch mit 1&1.

Wenn Gerüchte stimmen, will die arabi­sche E&-(Etisalat)-Gruppe, den Voda­fone-Welt­kon­zern zerlegen, d.h. die in Afrika und im arabi­schen Raum aktive und profi­table "Vodacom"-Abtei­lung heraus­lösen. Bleibt die Frage, ob der Rest einer "Voda­fone-Europe" dann noch über­lebens­fähig wäre? Spanien und Portugal stehen zum Verkauf, auch in Italien gibt es einen Inter­essenten. Voda­fone-UK will mit Three fusio­nieren. Bleiben am Ende (nur?) noch Voda­fone in Deutsch­land und viele Fragen.

Die pfif­fige Discounter-Marke im Voda­fone-Netz, Simon Mobile, testet WLAN-Calling mit ersten Kunden.

Weitere News zum Thema Business & Geschäftskunden