Früher undenkbar

Berlin: Jetzt Internet-Zugang für Häftlinge im Knast

Gefan­genen der Frauen-JVA in Lich­ten­berg steht erst­mals Internet zur Verfü­gung. Damit sollen sie auf ein Leben in Frei­heit vorbe­reitet werden. Das Projekt stößt aber auch auf Kritik.
Von dpa /

Das Haftraummediensystem in der Justizvollzugsanstalt für Frauen Berlin am Standort Lichtenberg Das Haftraummediensystem in der Justizvollzugsanstalt für Frauen Berlin am Standort Lichtenberg
Bild: picture alliance/dpa
Ob digi­tale Buch­aus­leihe, Versenden einer E-Mail oder nächstes Level bei Angry Birds: Die Insas­sinnen der Justiz­voll­zugs­anstalt (JVA) Lich­ten­berg haben seit dem 1. Dezember mit dem soge­nannten Haft­raum­medi­ensystem Zugang zu verschie­denen Inter­net­diensten. Damit will Berlin als erstes Bundes­land seinen Vollzug digi­tali­sieren. Das Pilot­pro­jekt hat das Ziel, die Gefan­genen auf ein Leben außer­halb der Haft vorzu­bereiten, und soll im kommenden Jahr schritt­weise auf ganz Berlin ausge­weitet werden.

"Mit dem Haft­raum­medi­ensystem gehen wir einen wich­tigen und einzig­artigen Schritt", lobte Berlins Justiz­sena­torin Lena Kreck den neuen digi­talen Service bei dessen Vorstel­lung am Mitt­woch. "Wir nehmen den Reso­zia­lisie­rungs­auf­trag ernst." Dieser fuße auf dem Grund­gesetz und der Berliner Landes­ver­fas­sung, wie Kreck betonte, und umfasse auch einen Zugang zur digi­talen Welt. Damit solle die Eigen­stän­dig­keit und die Vernet­zung der Inhaf­tierten geför­dert werden.

Bisher nur Telefon, TV und Radio

Bisher konnten Gefan­gene und Siche­rungs­ver­wahrte fern­sehen, Radio hören und tele­fonieren. Nun sollen sie Internet-Seiten von Medien und beruf­liche Bildungs­ange­bote nutzen dürfen. Mit dem System haben die Nutze­rinnen konkret die Möglich­keit, digi­tale Anträge zu stellen, Online-Spiele zu nutzen und auf bestimmte Webseiten zuzu­greifen, wie den Verbund Öffent­licher Biblio­theken Berlins oder das Stadt­portal Berlin. Verlin­kungen auf nicht-zuläs­sige Seiten sind gemäß Projekt­lei­tung abge­schaltet - darunter fallen auch Social-Media-Platt­formen.

Das Haftraummediensystem in der Justizvollzugsanstalt für Frauen Berlin am Standort Lichtenberg Das Haftraummediensystem in der Justizvollzugsanstalt für Frauen Berlin am Standort Lichtenberg
Bild: picture alliance/dpa
Bestimmte Dienste sowie die Bereit­stel­lung der Geräte und deren Instand­hal­tung sind kostenlos. Kosten­pflichtig sind hingegen Ange­bote wie Video­tele­fonie, deren Preis laut Justiz­senat durch die Neue­rung gesunken ist und die von den Nutze­rinnen bezahlt werden. Auch das Versenden von E-Mails, die laut Justiz­senat anlass­bezogen vom Personal kontrol­liert werden können, kostet Geld. Angaben zu den für das Land Berlin anfal­lenden Kosten, beispiels­weise für Bera­tungs­dienste im Rahmen des Verga­bepro­zesses, machten die Verant­wort­lichen nicht.

2023 in allen Berliner Gefäng­nissen

Das Pilot­pro­jekt stößt aller­dings auch auf Kritik. "Reso­zia­lisie­rung bedeutet zunächst sinn­volle Beschäf­tigung, vor allem sinn­volle Arbeits­ange­bote für alle JVA-Insassen", teilte Holger Krestel, FDP-Spre­cher für Recht und Verfas­sungs­schutz, mit. Zunächst solle demnach die Justiz moderner und digi­taler und Haft­anstalten sicherer gemacht werden, statt den Inhaf­tierten Internet zu gewähren.

Den Plänen der Justiz­ver­wal­tung nach soll das neue System 2023 in allen Berliner Gefäng­nissen etabliert werden. Zunächst in der Frauen-JVA in Pankow, ab März erst­malig auch im Männer-Gefängnis und bis Oktober in allen Einrich­tungen.

Laut Justiz­ver­wal­tung befinden sich derzeit rund 3530 Menschen in den sieben Haft­anstalten Berlins. Für Frauen gibt es demnach insge­samt 146 Haft­plätze. Im Gefängnis in Lich­ten­berg sind derzeit 86 Frauen.

Schon vor einigen Jahren waren zu hohe Tele­fon­gebühren im Gefängnis gekippt worden.

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