Wolkig

Cloud: Deutsche Bahn schaltet eigene Server komplett ab

Groß-Projekte in Deutsch­land dauern länger und sind dann teurer als geplant. Der Transfer der Bahn-Server in die Cloud wurde schneller fertig als gedacht.
Von mit Material von dpa

Wird bereits in seine Bestandteile zerlegt: Das Gebäude des (ehemaligen) Bahnrechenzentrums in Berlin. Wird bereits in seine Bestandteile zerlegt: Das Gebäude des (ehemaligen) Bahnrechenzentrums in Berlin.
Foto: Picture Alliance / dpa
Zwei Jahre früher als geplant hat die Deut­sche Bahn ihre eigenen Rechen­zen­tren abge­schaltet. Die komplette Infor­mati­ons­technik (IT) wurde in die Cloud verla­gert, also in ein externes Netz von Rech­nern, wie das Unter­nehmen heute mitteilte. Die Konzern­füh­rung hatte das große IT-Projekt bereits im Jahr 2016 beschlossen, um flexi­bler und kosten­güns­tiger die rund 450 IT-Anwen­dungen der Bahn zu betreiben. Nutz­nießer der Verein­barung sind auch die US-Konzerne Amazon und Micro­soft, die ihre Cloud­dienste für die Bahn über das Internet zur Verfü­gung stellen.

Euro­paweit Vorreiter

Wird bereits in seine Bestandteile zerlegt: Das Gebäude des (ehemaligen) Bahnrechenzentrums in Berlin. Wird bereits in seine Bestandteile zerlegt: Das Gebäude des (ehemaligen) Bahnrechenzentrums in Berlin.
Foto: Picture Alliance / dpa
Die IT-Chefin der Bahn, Christa Koenen, betonte, das Verkehrs­unter­nehmen Bahn sei damit "euro­paweit Vorreiter" und einer der ersten großen Konzerne, die konse­quent auf die Cloud setzten. Diese Entschei­dung habe sich auch in Zeiten von Corona als gold­richtig erwiesen. "Unsere IT-Systeme funk­tio­nierten auch geräuschlos, als Zehn­tau­sende Mitar­bei­tende gleich­zeitig ins Home­office wech­selten." Zudem habe die Bahn die IT voll­ständig aus der Ferne betreiben können. "Mit physi­schen Rechen­zen­tren wäre das nicht so einfach möglich gewesen."

Warum die Bahn jetzt ihre Daten bei Micro­soft und Amazon spei­chert

Norma­ler­weise werden viele Projekte in Deutsch­land viel zu spät oder viel zu teuer fertig: Große IT-Projekte in Deutsch­land enden nicht selten wie der Bau des Berliner Flug­hafens BER, der am Wochen­ende endlich an den Start geht. Doch die Bahn zeigt nun bei der Abschaf­fung der eigenen Rechen­zen­tren, dass das nicht immer so sein muss - auch wenn heikle Anfor­derungen zu lösen waren.

Eigent­lich hatte sich die Deut­sche Bahn für den grund­legenden Umbau ihrer Computer-Infra­struktur Zeit bis zum Jahr 2022 genommen. Doch in diesen Tagen werden im Bahn-Rechen­zen­trum Berlin-Mahls­dorf die letzten Rechner abge­baut. In Spit­zen­zeiten hatte die Bahn rund 8000 Server selbst betrieben, um den riesigen Daten­strom aus den Zügen und der Bahn-Infra­struktur auszu­werten. Dazu gehört auch der Verkauf der Tickets über Apps und die Bahn-Website.

Auch Smart­phone Apps laufen in der Cloud

Zu den Aufgaben der Bahn-IT gehört es aber auch, die Infra­struktur für die Smart­phone-App DB Navi­gator zu betreiben oder in Echt­zeit den Zustand von 28 000 Weichen zu über­wachen. Alleine durch die Fern­kon­trolle der Weichen wurden im vergan­genen Jahr rund 3600 Störungen früh­zeitig erkannt und verhin­dert.

Keine eigene Bahn-Server mehr

Die eigenen Bahn-Server gibt es nun nicht mehr. Alles kommt aus der Cloud. Das sind Rechen­zen­tren von Micro­soft und Amazon, die mit ihren Diensten Azure und AWS Spei­cher­platz und Rechen­leis­tungen über das Internet bereit­stellen.

"Wir haben quasi unter dem rollenden Rad die IT-Anwen­dungen in die Cloud gehoben und dann weiter opti­miert", betont Christa Koenen, IT-Chefin der Bahn. "Damit haben wir jetzt mehrere hundert Anwen­dungen in die Cloud migriert. Und nachdem vor zwei Wochen die letzte Anwen­dung unser Rechen­zen­trum verlassen hat, konnten wir jetzt mit dem Rückbau starten."

Kunden soll(t)en nichts mitbe­kommen

Die Kunden der Bahn sollten von dem Umbau hinter den Kulissen am besten gar nichts mitbe­kommen. Mit mehr als 1500 Buchungen pro Minute betreibt sie eines der größten Ticket­sys­teme in Europa, das den Kauf der Fahr­scheine über digi­tale Kanäle wie bahn.de oder die App "DB Navi­gator" ermög­licht. "Das ist unser Rück­grat, da darf nichts wackeln. Und das ist nun auch in der Cloud so."

Ganz im Gegen­teil, betont die Bahn: Die App DB Navi­gator zickt jetzt bei einem großen Ansturm nicht mehr rum, weil die Cloud-Server kaum über­lastet werden können.

Heikle Entschei­dung

Ein IT-Spezialist der Bahn zieht am ehemaligen Server den Stecker: Eine Glasfaserverbindung wird getrennt. Ein IT-Spezialist der Bahn zieht am ehemaligen Server den Stecker: Eine Glasfaserverbindung wird getrennt.
Foto: Picture Alliance / dpa
Als der Bahn-Vorstand im Jahr 2016 den Beschluss fasste, 450 Anwen­dungen der Bahn in die Cloud zu verla­gern, wurde die Entschei­dung in der Öffent­lich­keit auch kritisch aufge­nommen.

Schließ­lich zeich­nete sich damals schon ab, dass ein US-Konzern zum Zug kommen wird, der im Zwei­fels­fall dem US-ameri­kani­schen Recht unter­liegt. Nicht erst seit den Enthül­lungen von Edward Snowden ist klar, dass die Daten­schutz­gesetze in den USA deut­lich laxer sind und Dienste wie die NSA in großem Umfang Daten über Personen und Unter­nehmen sammeln.

DSGVO einhalten

Dieses Daten­schutz­gefälle zwischen Europa und den USA hat zuletzt auch beim Urteil des Euro­päi­schen Gerichts­hofs ("Schrems II") eine Rolle gespielt, mit dem die EU-Daten­schutz­ver­ein­barung "Privacy Shield" mit den USA gekippt wurde. Danach reichen auch die Stan­dard­ver­träge nicht aus, die Provider wie Amazon, Micro­soft und Google zur Erfül­lungen der gesetz­lichen Verpflich­tungen für ihre Kunden in Europa zur Verfü­gung stellen.

Bahn-IT-Chefin Koenen sagt: "Wir haben natür­lich gleich zu Anfang des Projektes einen ganz beson­deren Fokus auf Sicher­heit und Daten­schutz gelegt." Dabei setzt die Bahn zum einen auf eine harte Verschlüs­selung, die neugie­rige Blicke der US-Dienste verhin­dern soll: "Wir verschlüs­seln alle Daten, und nur wir können sie entschlüs­seln. Das heißt, nur wir haben Zugriff auf die Schlüssel und nicht die Cloud-Provider", betont die Geschäfts­füh­rerin der Bahn-IT-Tochter DB Systel. Daher können die Bahn auch Anwen­dungen, bei denen der Daten­schutz eine wich­tige Rolle spiele, in der Cloud betreiben.

Tech­nisch und juris­tischer Schutz

Neben dem tech­nischen Schutz setzt die Bahn aber auch auf Klein­gedrucktes: "Wir haben das mit den Cloud­pro­vidern auch entspre­chend vertrag­lich abge­sichert und über­prüfen die Einhal­tung regel­mäßig." Dabei nutze die Bahn ausschließ­lich euro­päi­sche Rechen­zen­tren in Frank­furt und in den Nieder­landen.

Gleich­wohl sieht Koenen die Gefahr, sich von einem großen Cloud-Betreiber abhängig zu machen. Die Bahn verfolge deshalb eine "Multi-Cloud-Stra­tegie". Neben Amazon AWS kommt auch Micro­soft Azure zum Einsatz. Anbieter aus Deutsch­land oder Europa gingen aber leer aus. "Zum Zeit­punkt der Ausschrei­bung gab es zwischen den Anbie­tern aus den USA und den euro­päi­schen Wett­bewer­bern noch eine deut­liche funk­tio­nale Lücke. Und meiner Einschät­zung nach hat sich das bis heute noch nicht ausrei­chend geän­dert", bedauert Koenen.

Das könne sich aber ändern. Die Bahn werde den Markt weiter beob­achten, weil sich die Cloud-Land­schaft in den kommenden Jahren weiter­ent­wickeln werde. "Und es ist absolut nicht ausge­schlossen, dass wir dann entspre­chend auch mal den Cloud-Provider wech­seln."

Betroffen von der Ände­rung waren auch rund 1000 Mitar­beiter, die in den Bahn-Rechen­zen­tren beschäf­tigt waren. "Von denen haben wir fast alle behalten und weiter­bilden können." Viele hätten einen soge­nannten Cloud-Führer­schein gemacht und arbei­teten jetzt in der Betriebs­füh­rung der Cloud­dienste. Manche sind auch in die Soft­ware-Entwick­lung gegangen und schreiben Programme für die Deut­sche Bahn. Fach­leute sind hier weiter gesucht: Pro Jahr stellt die Bahn rund 1000 IT- und Digi­tal­experten ein, Tendenz stei­gend.

Cloud-Geschäft verhilft Micro­soft zu Gewinn­sprung

Solche Groß-Projekte wie bei der Deut­schen Bahn, aber auch die Corona-Pandemie treiben die Nach­frage nach IT-Diensten aus der Internet-Wolke an. Von diesem Trend profi­tiert derzeit vor allem Micro­soft. Die Inves­toren freuen sich aber nicht nur über den Cloud-Boom, sondern setzen auch auf eine neue Spiele-Konsole.

Das boomende Cloud-Geschäft mit IT-Diensten im Internet hält den Soft­ware-Riesen Micro­soft auf Erfolgs­kurs. Im abge­lau­fenen Geschäfts­quartal (bis Ende September) nahm der Gewinn im Vergleich zum Vorjah­res­zeit­raum um 30 Prozent auf 13,9 Milli­arden Dollar (11,8 Mrd. Euro) zu, wie Micro­soft am Dienstag nach US-Börsen­schluss in Redmond im US-Bundes­staat Washington mitteilte.

Der Umsatz wuchs um zwölf Prozent auf 37,2 Milli­arden Dollar. "Die Nach­frage nach unseren Cloud-Ange­boten führte zu einem starken Start in das Geschäfts­jahr", sagte Amy Hood, Finanz­chefin von Micro­soft.

Micro­soft über­traf die Erwar­tungen der Wall-Street-Analysten deut­lich, die Aktie reagierte nach­börs­lich zunächst mit Kurs­auf­schlägen, fiel dann aber wieder etwas zurück. Das lukra­tive Geschäft mit Cloud-Services für andere Unter­nehmen und Apps brummte weiter - Micro­softs Azure-Platt­form stei­gerte die Erlöse um 48 Prozent.

Auch mit seinen Office-Programmen profi­tierte der Konzern vom pande­mie­bedingten Trend zur Heim­arbeit. Micro­soft drängt hier mit seinem Soft­ware­paket Teams in den Markt, das unter anderem mit der Kommu­nika­tions­soft­ware Slack und dem Video­kon­ferenz­dienst Zoom konkur­riert. Teams hat nach Angaben von Micro­soft-Chef Satya Nadella jetzt mehr als 115 Millionen täglich aktive Nutzer vergli­chen mit 75 Millionen Anwen­dern im April.

Viele Verän­derungen der Arbeits­welt, die wegen der Corona-Pandemie vorge­nommen wurden, würden voraus­sicht­lich von Dauer sein, sagte Nadella. "Es ist klar, dass die Menschen mehr Flexi­bilität brau­chen werden, wann, wo und wie sie arbeiten." Die wirt­schaft­liche Leis­tung jedes Unter­neh­mens im kommenden Jahr­zehnt werde durch die Geschwin­dig­keit ihrer digi­talen Trans­for­mation bestimmt.

Starker Nach­frage erfreuten sich auch das Gaming-Geschäft rund um die Xbox-Spiel­kon­sole und Micro­softs Surface-Tablets. Hier gab es Umsatz­anstiege um 30 bezie­hungs­weise 37 Prozent. Insge­samt verbuchte die PC-Sparte, zu der auch das Betriebs­system Windows zählt, einen sechs­pro­zen­tigen Zuwachs der Erlöse auf 11,8 Milli­arden Dollar.

Micro­soft hat die Corona-Krise bislang nichts anhaben können, die Aktie ist seit Jahres­beginn um mehr als 36 Prozent gestiegen. In diesem Jahr hat der Konzern seinen Börsen­wert um ein Drittel auf 1,6 Billionen Dollar erhöht.

Micro­soft will mit seiner Azure Cloud übri­gens nun auch 5G-Netze ermög­lichen.

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