DAB+ soll 2016 wichtigstes Thema für die Radiobranche werden
Ausblick: Digitalradio 2016
Bild: Pure
Ein Thema spaltet die Gesellschaft: Auch über vier Jahre nach der Einführung von DAB+
gehen die Meinungen über die Notwendigkeit der Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks auseinander.
Viele, die bereits ein Digitalradio besitzen, lieben es, sind begeistert vom Mehrwert durch neue Programme
und Rauschfreiheit und haben sich vom alten UKW längst abgewendet.
Lob und Shitstorm
Ausblick: Digitalradio 2016
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Andere wollen am liebsten, dass sich gar nichts ändert, was sich regelmäßig auch in Leserreaktionen zu
unseren Texten zeigt, die von großem Lob bis zum Shitstorm reichen. So sagte ein Leser zuletzt, dass er,
wenn er die Wahl zwischen einem reinen UKW-Radio und einem UKW/DAB-Kombiradio hätte, immer zu ersterem
greifen würde, selbst, wenn das Digitalradiomodell keinen Cent mehr kosten würde. Die Gründe gehen in
viele Richtungen: Einige behaupten, Digitalradios seien "Stromfresser", andere sagen, sie wollten nur
den lokalen "Dudler" hören, und dafür reiche UKW aus. Viele kritisieren auch den immer noch schlechten
DAB+-Netzausbau in ihrer Region oder fehlende attraktive Programme. Und wiederum andere befürchten,
dass die UKW-Empfangsteile in Digitalradios immer minderwertiger werden oder, dass UKW schneller
abgeschaltet werden könnte, wenn sie ein Modell kaufen würden, das auch DAB+ beherrscht. In diesem
Fall würden nämlich nicht selten über zehn Geräte im Haushalt zu Elektroschrott.
Politik bereitet Ende von UKW vor
Doch genau darauf zielen Politik, Senderbetreiber, Programmanbieter, die Industrie und das Bundesministerium für digitale Infrastruktur aktuell ab: Auch 2016 werden sie weiter am runden Tisch an einer Roadmap arbeiten, an dessen Ende die Abschaltung des analogen UKW-Radios stehen soll. Das Deutschlandradio wünscht hierfür nach wie vor das Jahr 2025. Bereits ab 2018 will der nationale Hörfunk sukzessive aus der analogen UKW-Verbreitung aussteigen und zunächst unwirtschaftliche Kleinsender auf dem Land abschalten. Ein Schritt, den Klassik Radio bereits in diesem Jahr vollzogen hatte. Einen langen Simulcast UKW-DAB+ will und kann sich kein Sender leisten.
So sehr es Liebhaber der analogen Radios noch ärgert: Die Zeichen stehen inzwischen auch beim Hörfunk unumkehrbar auf Digitalisierung, und nach der Abschaltung der Mittelwelle zum 31. Dezember gilt auch UKW inzwischen als endlich, nur ein konkretes Datum für den Ausstieg fehlt noch. Neben DAB+ wird Internetradio der wichtigste Verbreitungsweg in der digitalen Welt, beide Techniken werden im Rahmen eines hybriden Radios gegenseitig ihre Stärken ausspielen. Erstmals wird personalisiertes Radio möglich, bei dem der Hörer aktiv in Inhalte eingreift oder diese selbst auswählt.
Grundlage für einen Erfolg von DAB+ ist aber zunächst ein flächendeckender Netzausbau: Bis Ende 2016 wollen die Verantwortlichen diesem Ziel ein gutes Stück näher kommen. Vor allem der "Bundesmux" mit vier Programmen des Deutschlandradios und acht Privatsendern gewinnt massiv an Reichweite, die voraussichtlichen neuen Standorte haben wir bereits in dieser Meldung aufgeführt. Erstmals werden auch bisher weiße Flecken wie Vorpommern in den Genuss des digital-terrestrischen Radios kommen. Auch die ARD-Anstalten wollen - eine Genehmigung der KEF vorausgesetzt - im kommenden Jahr die Netze weiter ausbauen.
Privatradios geben Blockade gegen DAB+ auf
Während die Radiohörer noch teils kritisch auf DAB+ reagieren, erkennen die bislang zögerlichen Privatradios in Deutschland langsam die Zeichen der Zeit: Im Rahmen von Pilotprojekten wollen der Privatsender R.SA aus Sachsen sowie kommerzielle Anbieter aus Niedersachsen 2016 erstmals auch digital-terrestrisch über DAB+ senden. In Sachsen-Anhalt starten mit 89.0 RTL In The Mix und 1A Deutsche Hits zwei weitere digitale Ableger der Privatsender Radio Brocken und Radio SAW im landesweiten Netz (Kanal 11C).
Voraussichtlich am 11. Januar soll das Dance-Programm PN Eins Dance [Link entfernt] landesweit über Bayern über Digitalradio DAB+ (Kanal 10D) starten. Ferner kündigte Programmchef Tim Forster bei Facebook einen Ableger des Programms an: PN Eins Urban soll mit den Musikrichtungen Black, HipHop und RnB neue Hörer erreichen und in den Lokalensembles via DAB+ und im Internet ausgestrahlt werden.
In Hessen starten gleich im Januar die nichtkommerziellen Lokalradios aus dem Rhein-Main-Gebiet auf zwei Kanälen im Digitalradio, am 1. Februar startet die christliche Welle ERF Pop, und weitere Anträge liegen nach Informationen von teltarif.de derzeit der Landeszentrale für privaten Rundfunk (LPR Hessen) vor, sodass sich das Programmangebot im regionalen Multiplex (Kanal 11C) von bisher sechs auf bis zu 11 Sender bis Sommer 2016 erhöhen dürfte. Im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach startet im kommenden Jahr zudem das erste privat finanzierte, lokale DAB+-Ensemble in Deutschland. Für Hans-Dieter Hillmoth, Geschäftsführer und Programmdirektor der hessischen Privatradiogruppe Radio/Tele FFH ist DAB+ das wichtigste Thema für die Hörfunkbranche im kommenden Jahr. Im Branchendienst "text intern" weist er aber auch darauf hin, dass finanzielle Mittel für kommerzielle Radios beim Digitalumstieg unumgänglich seien, daher sei die Frage "Gibt's endlich Geld für die Privaten, um DAB+ zu finanzieren?" ebenso wichtig.
Die Branche fordert inzwischen auch einen verpflichtenden technikneutralen Multichip in allen neuen Radiomodellen. Dieser soll neben UKW auch DAB/DAB+ sowie optional Internetradio beherrschen. Insgesamt erwartet die Industrie 2016 erstmals über eine Million verkaufte Digitalradios mit DAB+ in einem Jahr. Schon für 2015 wurden Rekordverkäufe gemeldet, die Mehrheit greift bei Neukäufen jedoch immer noch zu rein analogen Geräten - ohne DAB+.
Baustellen verbleiben
Schon oft wurde zu einem Jahreswechsel der Durchbruch für DAB+ herbeigeredet. Für Einige aus der Branche ist dieser bereits eingetreten. Dennoch gibt es noch einige Baustellen: Die wichtigsten lauten Refinanzierungs-Möglichkeit für kommerzielle Radioveranstalter, serienmäßiger Einbau in Fahrzeuge und DAB+ als Feature in Smartphones und Tablets. Erst wenn diese drei Punkte erfüllt sind, kann man wirklich von einem endgültigen Durchbruch bei DAB+ sprechen.