RTL: Zurück zum Heimatmarkt
Luxemburg hatte nie das Flair europäischer Metropolen wie Paris, Madrid oder Berlin. Das Großherzogtum wirkt auf Besucher ländlich und gediegen. Die "RTL City" passt dementsprechend nicht so richtig ins Stadtbild. Dennoch zeigte man sich in Luxemburg über das Projekt hocherfreut, wie auch Premierminister Xavier Bettel bei der Einweihung 2017 unterstrich: "Wir sind stolz und natürlich zufrieden, dass die RTL Group als globales Medienhaus ihre Verbundenheit zu Luxemburg unterstreicht – nicht zuletzt mit der Errichtung ihres neuen Unternehmenssitzes in unserer Hauptstadt." In der Retrospektive muss man allerdings fragen, ob RTL heute wirklich noch ein globaler Medienkonzern ist. Die aktuelle Strategie deutet in eine andere Richtung und diese birgt durchaus Risiken.
Rolle rückwärts
Henning Tewes leitete bei RTL unter anderem das Kroatiengeschäft
Foto: Mediengruppe RTL
Seit den 1980er-Jahren wuchs RTL kontinuierlich. Der Medienkonzern war in europäischen Kernmärkten wie Deutschland, Frankreich, Belgien den Niederlanden und sogar in Ungarn oder Kroatien omnipräsent. Köln ist nach wie vor das unumstrittene Epizentrum der Mediengruppe, doch in sonstigen Auslandsmärkten läuft der Rückbau. Ganz aktuell hat RTL sein Kroatiengeschäft abgewickelt, neuer Eigentümer ist Central European Media Enterprises (CME).
Nun sind Budapest und Zagreb vergleichsweise weit weg von Luxemburg. Ein Medienkonzern mit globalem Anspruch muss nicht zwangsläufig in Südosteuropa vertreten sein. Bei einem Rückzug aus Frankreich sieht es aber schon anders aus, denn das Land ist zweifelsohne ein europäischer Kernmarkt und mit Blick auf das Werbegeschäft von großer ökonomischer Relevanz. Wer sich dort verabschiedet, kann nicht mehr den Anspruch erheben, globaler Medienkonzern zu sein. Offen gestanden reicht es dann nicht mal mehr für den Titel "Europäischer Medienkonzern".
Fokus auf Kernmärkte
Natürlich ist vollkommen nachvollziehbar, dass RTL seine Ressourcen bündelt und sich mit Deutschland auf den wichtigsten Markt in Europa konzentriert. Bertelsmann-Chef Thomas Rabe hat sogar immer wieder durchblicken lassen, dass man hier weiteres Wachstumspotenzial sieht. Sogar ein Zusammenschluss mit ProSiebenSat.1 wurde von seiner Seite regelmäßig ins Spiel gebracht.
Auf der anderen Seite ist es für einen Medienkonzern mehr als riskant, sein Schicksal am Erfolg in einem Land zu knüpfen. Klar ist: Auch hierzulande ändern sich die ökonomischen Rahmenbedingungen durch Corona, Krieg und Inflation - vom erdrückenden Wettbewerb mit amerikanischen Streaming-Diensten ganz zu schweigen. Was Kunden nicht mehr an der Kasse ausgeben können und wollen, schlägt sich letztendlich auf dem Werbemarkt nieder. Und an eben diesem Werbemarkt hängt für RTL viel.
Zukunft bleibt unsicher
Ein Zusammenschluss von RTL und ProSiebenSat.1 dürfte jedoch zumindest vorerst nicht auf der Agenda stehen, schließlich hat man unabhängig von kartellrechtlichen Fragen in Unterföhring genug Baustellen, vor allem beim andauernden Zwist mit dem italienischen Großaktionär Media For Europe. Dementsprechend ist RTL im Kampf mit amerikanischen Streaming-Diensten vorerst auf sich allein gestellt.
Fakt ist aber: Zeiten des nicht enden wollenden Wachstums sind für die Privatfernsehbranche in Deutschland definitiv passé, das gilt gleichermaßen für ProSiebenSat.1 wie auch RTL. Einen Boom des werbefinanzierten TV wie in den 1980ern und 1990ern wird es heute nicht mehr geben. Schlimmer noch, der vorhandene Werbekuchen wird kleiner. Auch Netflix, Disney und Amazon wollen im Streaming am lukrativen Werbemarkt mitverdienen. Dass RTL ausgerechnet in dieser Phase an seinen wirtschaftlichen Standbeinen in Europa sägt, kommt denkbar ungelegen.