Medien

RTL: Zurück zum Heimatmarkt

Was 1988 mit dem Umzug von Luxem­burg nach Köln begann, entwi­ckelte sich zu einem der größten Medi­enpro­jekte Europas. Nun steht die RTL Group vor Abschluss eines riskanten Stra­tegie­wech­sels.
Ein Kommentar von Björn König

Luxem­burg hatte nie das Flair euro­päi­scher Metro­polen wie Paris, Madrid oder Berlin. Das Groß­her­zogtum wirkt auf Besu­cher länd­lich und gediegen. Die "RTL City" passt dementspre­chend nicht so richtig ins Stadt­bild. Dennoch zeigte man sich in Luxem­burg über das Projekt hoch­erfreut, wie auch Premier­minister Xavier Bettel bei der Einwei­hung 2017 unter­strich: "Wir sind stolz und natür­lich zufrieden, dass die RTL Group als globales Medi­enhaus ihre Verbun­den­heit zu Luxem­burg unter­streicht – nicht zuletzt mit der Errich­tung ihres neuen Unter­neh­mens­sitzes in unserer Haupt­stadt." In der Retro­spek­tive muss man aller­dings fragen, ob RTL heute wirk­lich noch ein globaler Medi­enkon­zern ist. Die aktu­elle Stra­tegie deutet in eine andere Rich­tung und diese birgt durchaus Risiken.

Rolle rück­wärts

Foto: Mediengruppe RTL Henning Tewes leitete bei RTL unter anderem das Kroatiengeschäft
Foto: Mediengruppe RTL
Seit den 1980er-Jahren wuchs RTL konti­nuier­lich. Der Medi­enkon­zern war in euro­päi­schen Kern­märkten wie Deutsch­land, Frank­reich, Belgien den Nieder­landen und sogar in Ungarn oder Kroa­tien omni­prä­sent. Köln ist nach wie vor das unum­strit­tene Epizen­trum der Medi­engruppe, doch in sons­tigen Auslands­märkten läuft der Rückbau. Ganz aktuell hat RTL sein Kroa­tien­geschäft abge­wickelt, neuer Eigen­tümer ist Central European Media Enter­prises (CME).

Nun sind Buda­pest und Zagreb vergleichs­weise weit weg von Luxem­burg. Ein Medi­enkon­zern mit globalem Anspruch muss nicht zwangs­läufig in Südost­europa vertreten sein. Bei einem Rückzug aus Frank­reich sieht es aber schon anders aus, denn das Land ist zwei­fels­ohne ein euro­päi­scher Kern­markt und mit Blick auf das Werbe­geschäft von großer ökono­mischer Rele­vanz. Wer sich dort verab­schiedet, kann nicht mehr den Anspruch erheben, globaler Medi­enkon­zern zu sein. Offen gestanden reicht es dann nicht mal mehr für den Titel "Euro­päi­scher Medi­enkon­zern".

Fokus auf Kern­märkte

Natür­lich ist voll­kommen nach­voll­ziehbar, dass RTL seine Ressourcen bündelt und sich mit Deutsch­land auf den wich­tigsten Markt in Europa konzen­triert. Bertels­mann-Chef Thomas Rabe hat sogar immer wieder durch­bli­cken lassen, dass man hier weiteres Wachs­tums­poten­zial sieht. Sogar ein Zusam­men­schluss mit ProSiebenSat.1 wurde von seiner Seite regel­mäßig ins Spiel gebracht.

Auf der anderen Seite ist es für einen Medi­enkon­zern mehr als riskant, sein Schicksal am Erfolg in einem Land zu knüpfen. Klar ist: Auch hier­zulande ändern sich die ökono­mischen Rahmen­bedin­gungen durch Corona, Krieg und Infla­tion - vom erdrü­ckenden Wett­bewerb mit ameri­kani­schen Strea­ming-Diensten ganz zu schweigen. Was Kunden nicht mehr an der Kasse ausgeben können und wollen, schlägt sich letzt­end­lich auf dem Werbe­markt nieder. Und an eben diesem Werbe­markt hängt für RTL viel.

Zukunft bleibt unsi­cher

Ein Zusam­men­schluss von RTL und ProSiebenSat.1 dürfte jedoch zumin­dest vorerst nicht auf der Agenda stehen, schließ­lich hat man unab­hängig von kartell­recht­lichen Fragen in Unter­föh­ring genug Baustellen, vor allem beim andau­ernden Zwist mit dem italie­nischen Groß­aktionär Media For Europe. Dementspre­chend ist RTL im Kampf mit ameri­kani­schen Strea­ming-Diensten vorerst auf sich allein gestellt.

Fakt ist aber: Zeiten des nicht enden wollenden Wachs­tums sind für die Privat­fern­seh­branche in Deutsch­land defi­nitiv passé, das gilt glei­cher­maßen für ProSiebenSat.1 wie auch RTL. Einen Boom des werbe­finan­zierten TV wie in den 1980ern und 1990ern wird es heute nicht mehr geben. Schlimmer noch, der vorhan­dene Werbe­kuchen wird kleiner. Auch Netflix, Disney und Amazon wollen im Strea­ming am lukra­tiven Werbe­markt mitver­dienen. Dass RTL ausge­rechnet in dieser Phase an seinen wirt­schaft­lichen Stand­beinen in Europa sägt, kommt denkbar unge­legen.

ProSiebenSat.1: Zukunft bleibt weiter offen.

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