Im Interview: So bewertet "Flip4New" gebrauchte Handys
Online-Rückkaufportale für Elektroartikel sind beliebt. Der potenzielle Verkäufer sucht beispielsweise nach dem Smartphone-Modell, das er verkaufen möchte, beantwortet wenige Fragen und bekommt einen Preis angezeigt. Jetzt kann er zuschlagen, in dem er den Verkauf abwickelt und das Gerät an das Portal schickt. Anschließend wird das Smartphone nochmal von Profis gecheckt und der Verkäufer bekommt sein Geld.
Ist das wirklich so einfach? Und wie funktioniert die professionelle Bewertung? Lennart Kleuser, einer von zwei Geschäftsführern des Rückkaufportals Flip4New, hat uns in einem Interview einen Blick hinter die Kulissen gewährt.
Flip4New - So werden Smartphones bewertet
So sieht die Bewertungsmaske für Smartphones aus
Screenshot: teltarif.de
Letztlich funktioniert es genauso wie oben beschrieben. Im Falle der Online-Rückkaufmethode kann der potenzielle Verkäufer sein Smartphone, das er verkaufen möchte,
mit wenigen Klicks bewerten lassen.
Letztlich müssen nur drei Fragen beantwortet werden. Da wäre zunächst die Frage nach dem optischen Zustand des Geräts. Zur Auswahl stehen "Schlecht", "In Ordnung", "Gut", "Sehr gut" und "Wie neu". Jeder Zustand ist mit einer Erklärung bedacht. So definiert beispielsweise ein schlechter Zustand:
"Das Gerät weist starke/tiefe, mit dem Fingernagel spürbare Kratzer auf dem Display (inkl. Vorderseite) auf. Auf dem Gehäuse (inkl. Rückseite) dürfen tiefe, mit dem Fingernagel spürbare Kratzer/Abschürfungen, Verformungen, Risse oder Dellen vorhanden sein. Das Gerät wurde geöffnet und/oder weist anderweitige auffallende optische Mängel auf."Zu "Wie neu" heißt es auf der Webseite von Flip4New:
"Das Gerät ist neuwertig und weist keine Kratzer auf dem Display (inkl. Vorderseite) oder dem Gehäuse (inkl. Rückseite) auf."Anschließend gibt es zwei Ja/Nein-Fragen. Mit "Lässt sich das Gerät einwandfrei benutzen?" ist unter anderem gemeint, ob sich beispielsweise das Smartphone einschalten lässt und sich danach nicht wieder selbstständig ausschaltet. Ferner ist die Frage nach einem SIM-Lock/Net-Lock relevant und entsprechend ebenfalls mit Ja oder Nein zu beantworten. Anschließend wird ein Preis angezeigt.
Wir haben das Szenario mit einem Samsung Galaxy S10+ (512 GB) durchgespielt, den Zustand des Geräts mit "Wie neu" bewertet, eine einwandfreie Nutzung bestätigt und die SIM-Lock-Frage verneint. Heraus kam ein Preis von 487 Euro.
teltarif.de: Herr Kleuser, kann ich mich als Verkäufer darauf verlassen, dass ich diesen Betrag auch tatsächlich bekomme?
Lennart Kleuser: Wir wollen dem Kunden möglichst das auszahlen, was er auf der Seite gesehen hat. Das ist unser Credo. Es nützt natürlich nichts, wenn ein Gerät mit "Wie neu" bewertet wurde, in Wirklichkeit aber übersät ist mit Kratzern oder einen Wasserschaden hatte. Der Kunde sollte das Gerät ehrlich bewerten. Das gerade beschriebene ist allerdings der Extremfall. Grundsätzlich macht uns der Kunde rechtlich gesehen ein Ankaufangebot, das wir annehmen oder ablehnen können. Und andersrum genauso. Der Verkauf ist damit 'risikolos'.
teltarif.de: Was passiert, wenn der Kunde das Gerät eingeschickt hat?
Lennart Kleuser: Wir bewerten die Geräte rein objektiv und haben immer im Hinterkopf: Ein anderer Kunde möchte dieses Gerät kaufen. Die elektronischen Geräte werden in den meisten Fällen an den Endkunden weiterverkauft. Sollte der von uns bewertete Preis von dem abweichen, was der Kunde zuvor auf der Webseite angezeigt bekommen hat, machen wir ihm ein neues Angebot. Der Kunde kann das Angebot annehmen oder ablehnen. Lehnt er es ab, schicken wir ihm das Gerät auf unsere Kosten wieder zurück. Auch das Zubehör, wie beispielsweise das Netzteil, wird an den Kunden zurückgesandt. In den meisten Fällen bekommen die Kunden aber den Preis, der ihnen zuvor angezeigt wurde. Unsere Abweichungsquote liegt zwischen 10 und 20 Prozent.
teltarif.de: Sind auch Abweichungen nach oben möglich?
Lennart Kleuser: Ja, das ist möglich. Wenn wir der Meinung sind, ein Gerät wurde vom Kunden zu schlecht bewertet, kann es auch vorkommen, dass wir den höheren Preis zahlen. Das machen wir aber ohne fragen und überweisen dem Kunden den höheren Betrag. Wir arbeiten auch mit einem Kulanz-System. Ergibt unsere Prüfung beispielsweise eine gute Bewertung und der Kunde hat den Preis angezeigt bekommen, der aus einer sehr guten Bewertung resultiert, dann bekommt er den höheren Preis. Das liegt daran, dass es sich nur um eine geringe Abweichung handelt.
Das Bewertungssystem von Flip4New im Detail
teltarif.de: Wie funktioniert das Bewertungssystem?
Lennart Kleuser: Es gibt spezielle Handytechniker mit klaren Vorgaben. Der Techniker sieht übrigens vor seiner Prüfung nicht, wie der Kunde das Smartphone bewertet hat. Das Bewertungssystem ist technischer und optischer Natur.
Zunächst wird das Gerät an eine Diagnosesoftware angeschlossen, die 54 automatisierte Prozesse durchführt. Zu den wichtigsten Kriterien zählen Akku-Funktionalität und ob das Gerät einen Wasserschaden oder einen Displayschaden gehabt hatte. Anschließend folgt die optische Bewertung durch den Techniker. Dabei werden "Display", "Backcover" und "Framework" untersucht.
Lennart Kleuser, einer von zwei Geschäftsführern von Flip4New
Bild: Flip4New
Die Untersuchung findet unter natürlichen Bedingungen statt. Wir verwenden also kein spezielles Licht und Kratzer werden auch nicht mit
der Lupe gesucht. Die Bewertung erfolgt mit Blick auf das Gerät 30 bis 40 cm vom Körper des Technikers entfernt.
Der Techniker muss anhand seiner Einschätzung vorgegebene Fragen beantworten. Dann berechnet die Software den Zustand des Geräts.
Ein Kratzer auf dem Backcover fällt nicht so stark ins Gewicht wie ein Kratzer auf dem Display.
Anschließend vergleicht die Software das Ergebnis mit der Kundenbewertung. Geht das Smartphone in den Weiterverkauf, wird das Gesamtpaket natürlich gesäubert, Komponenten werden gereinigt und es wird bei Bedarf ein neues Netzteil mit entsprechendem USB-Kabel beigelegt. In Kürze werden wir unser Online-Bewertungssystem erweitern, damit der Kunde noch mehr Möglichkeiten hat, das Gerät, das er verkaufen möchte, zu bewerten. In Zukunft planen wir auch, die Optik von einer Software und nicht von einem Techniker bewerten zu lassen. Das hängt unter anderem mit der Bewertung der Tiefe von Kratzern mit Hilfe eines Fingernagels zusammen. Denn nicht jeder hat ja die gleiche Fingernagellänge.
teltarif.de: Was passiert mit Geräten, die nicht in den Wiederverkauf gehen? (Wir haben beispielhaft das Samsung Galaxy S10+ mit "Schlecht" und als nicht mehr einwandfrei benutzbar bewertet. Außerdem haben wir dem Gerät einen SIM-Lock beschert. Der uns angebotene Preis betrug 50 Euro)
Lennart Kleuser: Wir kaufen auch Geräte an, die nicht mehr einwandfrei funktionieren und in schlechtem Zustand sind. Dann prüfen wir, inwiefern das Gerät noch repariert werden und anschließend in den Weiterverkauf gehen kann. Es kann ja durchaus sein, dass ein Gerät an mehreren Stellen defekt, das Display aber unbeschadet ist. Entweder kann das Smartphone repariert werden oder wir nutzen das Gerät als Ersatzteillager und extrahieren die Komponenten, die noch brauchbar sind.
teltarif.de: Was passiert mit persönlichen Daten, die auf dem Smartphone zurückgeblieben sind?
Lennart Kleuser: Wir empfehlen grundsätzlich, persönliche Daten zu löschen und das Gerät auf Werkseinstellungen zurückzusetzen. Aber keine Sorge, sollte das nicht der Fall sein, werden wir das System in einem standardisierten Verfahren bereinigen und überschreiben, sodass persönliche Daten nicht mehr reproduzierbar sind. Es kann sicherlich mal vorkommen, dass Speicherkarten in den Slots vergessen wurden. Die können wir grundsätzlich aber nicht zurückschicken, der Aufwand ist zu groß. Wir garantieren aber eine Vernichtung des Mediums und der darauf befindlichen Daten.
teltarif.de: Herr Kleuser, vielen Dank für das Gespräch.
Infos zu Flip4New
Das Logo von Flip4New
Logo: Flip4New
Bevor Lennart Kleuser gemeinsam mit Michael Sauer Flip4New im Jahr 2009 in einem "Frankfurter Hinterzimmer" gründete,
war er als Investmentbanker bei der Deutschen Bank in Frankfurt am Main und London tätig.
Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen nach eigenen Aussagen rund 70 Mitarbeiter und ist in sechs Ländern mit über 1200 Sales Points vertreten.
Kunden, die gebrauchte Elektronik kaufen wollen, können das unter anderem über den eigenen Online-Shop machen.
Das Rückkaufportal [Link entfernt] akzeptiert nicht nur Android-Smartphones, sondern beispielsweise auch iPhones, iPads, Android-Tablets, MacBooks, Notebooks, Camcorder und Spielekonsolen.
Informationen zu weiteren Rückkaufportalen lesen Sie in unserem Vergleichstest.