Telekom: Ein Sender gegen 10 km Funkloch
Telekom-Pressesprecher Georg von Wagner in den Fluten der Isenach, deren Tal ein über 10km langes Funkloch entlang der B37 darstellt.
Video: Deutsche Telekom / Screenshot: teltarif.de
Deutschlands vielleicht bekanntestes und langjährig im Internet diskutiertes Funkloch liegt im Pfälzer Wald, genauer zwischen 67098 Bad Dürkheim und 67468 Frankenstein (Pfalz), wo auf etwa 10 km so gut wie nichts geht. Und das entlang einer von Ausflüglern gern befahren Bundesstraße (B37).
Viele Ausbau-Versuche
Telekom-Pressesprecher Georg von Wagner in den Fluten der Isenach, deren Tal ein über 10km langes Funkloch entlang der B37 darstellt.
Video: Deutsche Telekom / Screenshot: teltarif.de
Zwar gab es immer wieder zaghafte Anläufe, das Loch zu stopfen. Mannesmann Mobilfunk (Vorläufer von Vodafone) entdeckte im Wald einen verlassenen Sendemast der NATO und konnte diesen schon in den 1990er Jahren mieten. Seitdem wird von dort mit GSM900 gesendet und ein kleiner Teil des Tales mehr schlecht als recht erreicht, mehr passierte nicht. E-Plus diskutierte früh intern den Vollausbau des Tals und kam zu dem Schluss, dass mindestens drei Sendemasten samt Technik notwendig gewesen wären. Das Projekt verschwand als "viel zu teuer" wieder in den Schubladen.
Auch politische Anfragen im Rheinland-Pfälzischen Landtag gaben nur eine lapidare Antwort: "Ja, da gibt es noch Verbesserungsbedarf", dann passierte wieder ewig lange nichts.
Wir jagen Funklöcher
Dann kam 2019 die Aktion "Wir jagen Funklöcher" der Telekom. Die Kreisstadt Bad Dürkheim (Autokennzeichen "DÜW") hatte sich bei der Aktion beworben und den Zuschlag erhalten. Ab Sommer 2021 - so der Plan - soll der westliche Stadtrand und der angrenzende Pfälzerwald "eine zeitgemäße Mobilfunkversorgung" bekommen.
Die Bundesstraße B37 schlängelt sich durch das beschauliche Isenach-Tal und führt dann auf einen Pass, der hier "Frankensteiner Steige" genannt wird. Auf der Passhöhe ist dann wieder Empfang aus dem Ort Frankenstein (Pfalz), wo es Sendemasten aller drei verbliebenen Netzbetreiber gibt. Diese Bundesstraße ist bei Motorradfahrern sehr beliebt und bei Störungen auf der parallelen Autobahn A6 (Mannheim-Saarbrücken) dient sie als Umleitungsstrecke. Nur Netz gibt es dort nicht.
20 Jahre "Funkloch-Treffen"
teltarif.de-Redakteur Henning Gajek lädt seit 20 Jahren einmal im Jahr eine Handvoll Mobilfunk-Spezialisten zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch über Mobilfunk ein, zum sogenannten "Funkloch-Treffen". Im Laufe der Jahre kamen schon einige Promis aus der Mobilfunkszene (von Telekom, Mannesmann/Vodafone, E-Plus oder VIAG-Interkom/o2) in das Tal und genossen die urtümliche Landschaft und (fast) kein klingelndes Handy. Mit Satelliten-Mobil-Telefonen kann man im Wald an wenigen Stellen Glück haben und an ausgesuchten Stellen oder mit sehr guter Fahrzeugantennenanlage können Signale von Vodafone oder o2 empfangen und genutzt werden, aber überwiegend herrscht Funkstille.
Telekom drehte Video im Wald
Regelmäßig berichtet die Deutsche Telekom auf ihren YouTube-Kanal Telekom Netz über ihre Aktivitäten und den Ausbau des Netzes. Regelmäßig wurden und werden Gewinner der Wir-Jagen-Funklöcher-Aktion vorgestellt. Im aktuellen Video geht es um den Netzausbau bei Bad Dürkheim.
Im Video kommen alle wichtigen Beteiligten zu Wort. Gleich zu Beginn hat sich aber ein Fehler eingeschlichen: Der Bach heißt schlicht Isenach, ohne "B".55-Meter-Mast soll dem Funkloch ein Ende bereiten
Der Plan der Telekom: Entweder auf dem etwa 442 Meter hohen Hahnackerkopf oder nahe des Forsthauses und ehemaligen Jagdschlosses Kehrdichannichts soll ein 55 Meter hoher Stahlgittermast auf einem 10-mal-10-Meter-Beton-Fundament aufgebaut werden. Strom gäbe es beim Jagdhaus, die Stadtwerke Bad Dürkheim wären beim Verlegen der Leitung behilflich. Das Mobilfunk-Signal könnte über Richtfunk zum Turm "Bad Dürkheim 2" und von dort nach Eisenberg (Pfalz) weitergeschickt werden, wo es dann im Glasfaser-Netz der Telekom ankäme. Eine Glasfaser direkt zum Mast wäre etwas kniffliger, weil es dort weit und breit keine Glasfaser gibt oder wenn, dann gehört sie dem privaten Mitbewerber Inexio, der den Internet-Ausbau des Landkreises bei einer Ausschreibung gewonnen hat.
Die Idee eines Sendemasten im Wald soll es, so berichten Eingeweihte, vor Jahren schon einmal gegeben haben. Damals seien Forstwirtschaft und Naturschutz "nicht überzeugt" gewesen. Das könnte sich inzwischen geändert haben. Wenn ein Forstarbeiter sich im Wald verletzt oder ein Wanderer Hilfe braucht, gibt es zwar beschilderte Rettungspunkte im Wald, die empfehlen die "112" zu wählen, nur wo kein Netz ist, geht das nicht.
Bad Dürkheim durch "Wurstmarkt" berühmt
Die Stadt Bad Dürkheim ist bundes- oder sogar weltweit bekannt. Alljährlich im September (nur dieses Jahr nicht) findet der Dürkheimer Wurstmarkt statt, das mit 600 000 Besuchern größte Weinfest der Welt. Auf dem Wurstmarktgelände steht das Dürkheimer Riesenfass, mit einem theoretischen Füll-Volumen von 1,7 Millionen Litern das größte Weinfass der Welt. Im Inneren des gigantischen Holzfasses schwappt aber kein Wein, sondern es kann als Restaurant für über 400 Gäste dienen.
Die Stadt Bad Dürkheim hat rund 18 500 Einwohner und ist an sich recht gut mit Mobilfunk versorgt, wenn man von einigen "Schwachstellen" im Ortsteil Seebach absieht. Nur ganz im Westen der Kurstadt, kurz hinter dem Ortsteil Hardenburg im Naturpark Pfälzerwald und im Isenachtal, gibt es es bisher allein schon aufgrund der schwierigen Geographie mit tiefen Tälern und zahlreichen Biegungen keinen Mobilfunk-Empfang.
Deshalb hatte sich die Stadt Bad Dürkheim bei der Aktion „Wir jagen Funklöcher“ der Deutschen Telekom beworben. Mit dieser Initiative schließt die Telekom auf eigene Kosten Lücken in Orten und Regionen, in denen sich eine Versorgung wirtschaftlich meist gar nicht rechnet. Die Bedingung: Die Gemeinde, die sich bewirbt, muss einen eindeutigen Ratsbeschluss im Gepäck haben, plus einen für den Sender nutzbaren und zugelassenen Standort.
Damit will die Telekom das Engagement und die Eigeninitiative von Kommunen belohnen, die von sich aus auf die Telekom zukommen und einen passenden Mobilfunkstandort vorschlagen. Unter den zahlreichen Bewerbern wurde auch Bad Dürkheim ausgewählt. Derzeit laufen die Vorbereitungen für das vergleichsweise aufwändige Projekt. Etwa 200 000 Euro betragen die Kosten in der Regel für einen solchen Maststandort.
Mobilfunk für das Isenachtal
Viele Menschen wohnen zwar nicht dauerhaft im idyllischen Isenachtal. Dafür zieht es gerade am Wochenende zahlreiche Ausflügler zum Wandern und Entspannen in den Naturpark. Thorsten Brand ist Ortsvorsteher des Bad Dürkheimer Ortsteils Hardenburg und zugleich Wirt der Waldgaststätte „Alte Schmelz“. Er leidet unter der schlechten Mobilfunk und Festnetz-Internetversorgung. Seitdem die Telekom ihr ISDN-Angebot eingestellt hat, blieb ihm nur noch der Wechsel zu einem Festnetz-DSL-Anschluss von Vodafone, wo er auch seinen Mobilfunkvertrag hat, denn der bereits erwähnte Nato-Sende-Turm reicht gerade bis zu ihm.
Brand kennt als „Ortsversteher“, die Gegebenheiten und die Bedürfnisse der Menschen: „Das Thema Mobilfunk wird immer wichtiger. Wir sind einfach auf eine gute Mobilfunkversorgung angewiesen – also nicht nur wir Gastronomen, sondern auch die Gäste.“
Der Mast auf dem Berg
Um das Waldgebiet, die angrenzenden Gemeinden und einige Papierfabriken mit Mobilfunk zu versorgen, soll auf einer Anhöhe ein 55 Meter hoher Funkmast als Stahlgitterkonstruktion errichtet werden – der aber so gut in die Landschaft integriert ist, dass er das Idyll im Pfälzerwald kaum beeinträchtigt. Vom Tal aus wird man ihn kaum sehen können. Der Mast soll in Einzelteilen angeliefert und ans Ziel gebracht werden – über Forstwege, die für den Holztransport ohnehin schon relativ breit und belastungsfähig angelegt sind.
Andreas Windhab, Deutsche Funkturm, möchte einen 55m Funkmasten bauen, um das riesige Funkloch zu erschließen.
Video: Deutsche Telekom / Screenshot: teltarif.de
„Strom ist leider mitten auf dem Berg bisher keiner verfügbar“, berichtet Andreas Windhab von der Deutschen Funkturm GmbH, die für die Telekom die Funkmasten errichtet. Aber hier arbeiten die Stadtwerke Bad Dürkheim bereits an einer Lösung, um ein Stromkabel direkt unterhalb schon bestehender Wege möglichst waldschonend nach oben zu verlegen. Glasfaser muss dagegen keine verlegt werden, denn der geplante Mast wird per Richtfunk ans weltweite Datennetz der Telekom angebunden. „So kommen wir ins öffentliche Netz und haben dann die Performance, um das Gebiet breitbandig zu versorgen.“
Umweltschutz an oberster Stelle
Weil der Pfälzerwald nicht nur eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands ist, sondern auch UNESCO-Biosphärenreservat, stehen bei allen Planungen und Arbeiten Umwelt- und Naturschutz an oberster Stelle. Frank Stipp, Forstamtsleiter von Bad Dürkheim, erklärt, worum es dabei geht: „Das eine ist das waldrechtliche Verfahren. Das heißt, sie brauchen eine Genehmigung des Forstamtes, wenn sie ein Stück Wald roden oder in eine andere Nutzungsart umwandeln wollen. Und dann müssen wir natürlich naturschutzrechtliche und wasserrechtliche Fragen prüfen.“
Erste Hilfe für Wanderer und Touristen
Doch nicht nur Hotellerie, Gastronomie und Erholungssuchende warten dringend auf eine zeitgemäße Mobilfunkanbindung, sondern auch Rettungs- und Einsatzkräfte. Frank Stipp kennt die Probleme vor Ort: „Im Pfälzerwald gibt es noch in nennenswertem Umfang Ecken, die entweder nicht mit allen Netzen erreichbar sind, oder zum Teil auch gar nicht erreichbar sind.“ Und so steht an den Anfahrpunkten für Rettungsfahrzeuge im Wald zwar immer die „112“ als Kontakt – aber ohne Mobilfunk ist auch kein Notruf für verletzte Waldarbeiter möglich, oder für Wanderer, die ohne Hilfe nicht mehr weiterkönnen.
Die sorgfältigen Prüfungen all dieser Fragen liefern die Antwort darauf, ob hier ein Funkmast aus allen Naturschutzaspekten genehmigungsfähig ist. Wenn die Antwort positiv ausfällt, können die Bad Dürkheimer vielleicht schon auf dem „Worschdmarkt“ 2021 nicht nur auf die Rückkehr ihres Weinfestes nach einem Jahr Corona-Pause anstoßen, sondern auch auf eine zeitgemäße Mobilfunkversorgung im benachbarten Pfälzerwald.
Die Telekom ist sich sicher, dass die Bad Dürkheimer im Sommer 2021 einen weiteren Grund zu feiern haben könnten. Dann sollte der Mast im Wald bereits senden und zahlreiche Rettungspunkte, Wald- und Wanderwege versorgen.