Verhalten Optimistisch

Bitkom-Chef Dirks: Software eats the World

Der deutsche ITK-Markt verzeichnet ein Wachstum auf über 160 Milliarden Euro. Auch im Bildungs­bereich müsse umgedacht werden: Bitkom-Chef Dirks fordert Informati­kunter­richt als Pflichtfach.
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Lankabel an einem PC der ITK Markt wächst Der ITK-Markt in Deutschland wächst
Foto:dpa
Der Markt für Informations- und Kommu­nika­tions­technik (ITK) in Deutsch­land boomt - zumindest auf den ersten Blick. Laut Digital­verband Bitkom (Bundes­verband Informations­wirtschaft Tele­kommunika­tion und Neue Medien e.V.) kletterte der Umsatz dieses Jahr auf 160 Milliarden Euro. Nächs­tes Jahr könnten es sogar 162 Milliarden Euro werden. "Die Welt wird von Apps und Algorithmen beherrscht: Software eats the world", so Thorsten Dirks, Chef der fusionierten Telefónica Germany und derzeitiger Präsident des Bitkom. Das gewaltige ITK-Wachstum könne auch für den Bildungs­bereich nicht folgen­los bleiben. Informatik (ab Klasse 5) und Englisch (ab Klasse 1) sollten Pflicht­fächer in den Schulen werden, fordert der Bitkom-Chef.

In einer Telefon­konferenz warb Dirks zudem für eine zügige Digita­lisierung der Verwaltung: "In unseren Behörden ist der Alltag in viel zu vielen Fällen noch analog, unvernetzt, ineffizient - eher 1996 als 2016." Wenn zum Beispiel jemand umziehe, "warum kann er nicht einmal seine neue Adresse bekannt geben und alle wissen dann Bescheid?" Eine digitale öffen­tliche Verwaltung sollte Vorreiter und kein Hemmschuh sein.

Gesamtumsätze steigend, Telekommunikationsdienste sinkend

Lankabel an einem PC der ITK Markt wächst Der ITK-Markt in Deutschland wächst
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Trotz steigender Gesamt­umsätze klagt die Branche jedoch über sinkende Ein­nah­men bei den Tele­kommu­nikations­diensten. Die Umsätze aus Laufzeit-Verträgen und Prepaid-Angeboten für mobiles und festes Telefo­nieren und Internet sinken. Um dem entgegen­zuwirken, werden von den Netz­betreibern immer höhere Investi­tionen in den Netz­ausbau erwartet. Es herrsche Preis­wettbewerb, so Bitkom-Chef Dirks, höhere Preise seien aber derzeit nicht möglich. Hinzu kämen neue regula­torische Eingriffe wie beispiels­weise bei den Roaming-Tarifen oder der Termi­nierung (Kosten für Anruf­zustellung in Mobil­funknetze), die spürbaren Druck auf die Umsätze ausüben. Trotzdem betont Dirks ausdrücklich: "Keiner stiehlt sich heraus, weiter zu investieren", denn der "Ausbau ist Treiber für digitale Trans­formation" und "ohne Breit­band ist nichts."

Im einem nächsten Schritt müsse das "industrielle Internet" angegangen werden. "Wir müssen in der Lage sein, für die Industrie Breitband aufbauen zu können", so Dirks. Man befinde sich in der zweiten Halbzeit auf dem Weg zur Digita­lisierung.

Schon Ende 2018 bundesweit 50 MBit/s?

Bitkom-Präsident Dirks geht davon aus, dass Ende 2018 bei den Internet­zugängen bundes­weit mindestens 50 MBit/s Geschwindig­keit erreicht werden. Auch dies könne aber nur ein Mark­stein auf dem Weg hin zu noch höheren Geschwindig­keiten sein. Glas­faser gebe es derzeit schon bis zu den Verteiler­kästen. Dies wiederum sei die Grund­lage für den späteren FTTH-Ausbau bis in die Häuser.

Die auf den ersten Blick über­raschen­den Aussagen des Bitkom-Chefs werden verständ­lich, wenn man sich die Struktur des Digital­verbands genauer anschaut. Der Bitkom vertritt mehr als 2 300 Unternehmen der digitalen Wirtschaft, unter ihnen auch 1 000 Mittel­ständler, 300 sogenannte Start-ups und - nach eigenen Angaben - "nahezu alle Global Player". Im Mitglieder­verzeichnis finden sich bekannte Namen wie die Deutsche Telekom, Deutsche Post AG, aber auch private Mit­bewerber wie 1&1, Vodafone oder Telefónica, bis hin zu Forschungs­einrichtungen an Universi­täten. Bei einem solch breiten Mitglieder-Spektrum ist es nicht immer einfach, die teil­weise stark diver­gierenden Interessen unter einen Hut zu bekommen. Man denke zum Beispiel an den Ausbau der Orts­netze mit Kupfer- oder Glas­faser.

ITK-Umsätze sollen weiter steigen

Für 2016 sieht der Bitkom den deutschen ITK-Markt auf über 160 Milliarden Euro wachsen, was die Wachstums­prognose von 1,7 Prozent für das laufende Jahr bekräftigt. Die Unter­nehmen schufen bereits 20 000 neue Arbeits­plätze. 2017 sollen die ITK-Umsätze um weitere 1,2 Prozent auf 162 Milliarden Euro steigen. "Angesichts wirtschaft­licher Turbu­lenzen wie dem geplanten Austritt der Briten aus der EU sowie neuerlichen Sorgen um den Banken­sektor ist es eine gute Nachricht, dass wir unsere Prognose aus dem Frühjahr bestätigen können“, freut sich Dirks. Besonders erfreulich sei, dass das Umsatz­wachstum den Arbeits­markt belebe. Mindestens 20 000 neue Arbeits­plätze würden die Unter­nehmen der Branche im laufenden Jahr schaffen. Aktuell beschäftige die ITK-Branche in Deutsch­land zum Jahres­ende etwas über 1 Million Menschen und liege als zweit­größter industrieller Arbeitgeber knapp hinter dem Maschinenbau.

Trotzdem müsse Deutschland gegen­über anderen Ländern mit einer starken Digital­wirtschaft aufholen, mahnt Dirks. Denn: "In den USA wächst der ITK-Markt doppelt so schnell wie bei uns". Und weiter: "Die digitale Transformation gibt es nicht zum Null-Tarif. Wir brauchen mehr Investi­tionen in digitale Techno­logien, wenn die digitale Trans­formation gelingen soll." Wachstums­treiber sei derzeit die Informations­technologie, die laut Bitkom dieses Jahr um 3,6 Prozent auf 84 Milliarden Euro zulegen konnte. Die Geschäfte der Software­anbieter seien mit einem Plus von 6,2 Prozent auf 21,6 Milliarden Euro über­durch­schnittlich gewachsen. Die Umsätze mit IT-Services sind auf 38,2 Milliarden Euro gestiegen, wobei sich Aufträge aus der Digitali­sierung der Unternehmen besonders stark bemerkbar machen. IT-Hardware legte um 2,8 Prozent auf 24,3 Milliarden Euro zu.

Sinkender Smartphone-Umsatz: Telekommunikation wieder im Minus

Die Telekommunikation selbst allerdings sei nach einem kurzen Zwischen­hoch im Jahr 2015 wieder ins Minus gerutscht. Der Prognose zufolge werden die Umsätze um 0,4 Prozent auf 66,9 Milliarden Euro zurück­gehen. Deutlich schwächer läuft vor allem das Geschäft mit TK-Endgeräten (zum Beispiel Telefone), das um 2,1 Prozent auf 11,1 Milliarden Euro zurückgeht. Hintergrund sind die erstmals sinkenden Umsätze mit Smartphones (minus 1,5 Prozent auf 10,4 Milliarden Euro). Zwar sei die Nachfrage nach Smartphones weiterhin ungebrochen, auch die Absatz­zahlen hätten neue Rekord­marken erreicht. Doch angesichts sinkender Durchschnitts­preise pro Gerät gehen die Umsätze zurück. Nach wie vor im Minus sind auch die Umsätze mit Festnetz- und Mobil­diensten, die auch auf Grund von Regulierungs­effekten um 0,3 Prozent auf 49,2 Milliarden Euro zurückgehen.

Positiv entwickelt sich der Infra­struktur­bereich, der um 2,1 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro zulegen konnte. "Die gegen­läufige Entwicklung bei den Umsätzen mit Diensten einerseits und Infrastruktur­systemen andererseits macht ein Dilemma der Tele­kommunikations­branche deutlich: Die Netz­betreiber müssen weiter stark in den Netz­ausbau investieren, während die Einnahmen aus ihrem Kern­geschäft mit Tele­kommunika­tions­diensten rückläufig sind", so Dirks.

Vor allem das Hardware-Geschäft schwächelt

Auch bei der Unterhaltungs­elektronik (Radio, Fernsehen, Spiele­konsolen, etc.) zeichnet sich der langjährige Abwärtstrend deutlich ab. Die Umsätze sanken um 0,9 Prozent auf 9,5 Milliarden Euro. Positive Impulse gaben lediglich Sport-Groß­ereignisse wie die Fußball-Europa­meisterschaft oder die Olympischen Spiele. 2017 wird für den gesamten Markt ein leichtes Plus von 1,2 Prozent auf dann 162,4 Milliarden Euro wartet.

Als Ursache für die etwas niedrigere Wachstums­rate ermittelte der Bitkom neben dem leicht abgeschwächten Wachstum der Gesamt­wirtschaft vor allem ein erwartet schwächeres Geschäft mit IT-Hardware wie Desktop-PCs und Notebooks. Auch der stärkere Rückgang bei den Umsätzen mit Festnetz- und Mobil­diensten aufgrund von Preis­wettbewerb und Regulierungs­effekten sei für das niedrige Wachs­tum verantwortlich. Viel Hoffnung setzt der Bitkom auf "digitale Hubs", wo sich große und mittlere Automobil- und Logistik­unternehmen, Banken, Versicherungen oder Unter­nehmen des Gesundheits­wesens mit Start-ups zusammen­tun.

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