1&1: Viertes Mobilfunknetz soll noch dieses Jahr starten
Bei der letzten Mobilfunkversteigerung hat 1&1 Frequenzen für ein viertes Mobilfunknetz ersteigert. Danach war erst einmal lange Zeit Ruhe. Die Branche rätselte, ob es wirklich Realität werden würde.
Da ein komplett flächendeckendes Netz über Nacht nicht realisierbar ist, gab es ein Verhandlungsgebot, das die etablierten Netzbetreiber dem vierten Anbieter zum Start nationales Roaming zur Verfügung stellen sollten. Das kennen wir in Deutschland von VIAG-Interkom (heute o2). Die konnten eine Zeit lang das "D1"-Netz der Telekom mitbenutzen. Vorher hatte VIAG sich mit einer ausländischen SIM-Kennung (Swisscom) versucht.
Die Verhandlungen fanden statt, aber zwei der drei Netzbetreiber hatten offenbar keine große Lust darauf. Nach den Gesetzen der Marktwirtschaft sorgt jeder neue Mitspieler für sinkende Preise, weil die meisten Kunden ein Produkt, besonders wenn sie es technisch nicht verstehen, nur noch nach dem Preis beurteilen. Die etablierten Netzbetreiber fürchten nach wie vor einen ruinösen Preiskrieg, der wenig Geld für den Netzausbau übrig lässt und die Renditen schmälert.
1&1 bringt 11 Millionen Kunden mit
Ralph Dommermuth will noch dieses Jahr mit seinem Netz starten
Bild: Picture Alliance / dpa
1&1 hatte schon vorher den Service-Provider Drillisch mit unzähligen Untermarken übernommen. Dessen Marken hatten Service-Provider-Verträge mit Telekom, Vodafone und E-Plus oder o2. Geblieben sind Verträge mit o2 und Vodafone. Von daher war es naheliegend, dass 1&1 ein Roaming-Abkommen mit o2 abschloss und die Senderstandorte von Vodafone (gehören inzwischen der Vantage Towers) nutzt.
Was Telekom oder Vodafone in den Verhandlungen sonst noch konkret angeboten hatten, ist öffentlich nicht bekannt. Es scheint durchaus plausibel, dass die Preisvorstellungen nicht mit der Kalkulation des neuen Anbieters übereinstimmten.
Wer ist Ralph Dommermuth?
Über Ralph Dommermuth, gelernter Bankkaufmann und Gründer von 1&1 und United Internet, ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Er liebt das Segeln, sein Unternehmen sponsorte zeitweise ein Team im Americas Cup.
Dommermuth will ein kombiniertes 4G/5G-Netz der allerneuesten Generation aufbauen, das von vornherein auf virtualisierte Open-RAN-Technik setzt. Bekannt wurde, dass Dommermuth privat ein älteres Nokia-Handy verwendet (als Nokia noch selbst Handys hergestellt hat), das vermutlich nicht wirklich "internetfähig" ist.
Interviews mit Dommermuth sind selten. Die Sonntagszeitung Welt am Sonntag hatte die Gelegenheit und dabei verriet Dommermuth, dass er noch dieses Jahr tatsächlich mit Kunden starten möchte.
Bis zum Jahresende werde das Netz, das derzeit von "1&1 Mobilfunk" gebaut wird, "im Umfeld von etwa 1000 Basisstationen verfügbar" sein. Wo die genau stehen werden, verriet er jedoch nicht.
Schwerpunkt: Mobiler Internetzugang?
Dabei verfolgt Dommermuth ein anderes Konzept als die bisherigen Anbieter, die damals noch Wert auf mobile Erreichbarkeit und Sprach-Telefonie gelegt haben. Dommermuth möchte "zum Start Mobilfunkleistungen als Alternative zum Festnetzanschluss anbieten" – per WLAN-Router, der zu Hause an einem festen Platz steht und sich per 5G mit seinem Netz verbinden wird. Die ersten Smartphone-Nutzer sollen dann Mitte 2023 folgen.
Aktuell sind die über elf Millionen Mobilfunkkunden von 1&1 im Netz von Telefónica (o2) oder in geringerem Umfang im "D2-Netz" von Vodafone eingebucht (ein Wechsel des Netzes wäre nur durch SIM-Karten und Tarif-Tausch möglich). Künftig werden die Kunden im eigenen 1&1-Netz eingebucht sein. Wo das neue Netz noch nicht verfügbar ist, wird es Roaming im o2-Netz geben.
Alle Kunden müssen bis 2025 im neuen Netz sein
Nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur müssen die 1&1-Kunden bis 2025 in das neue Mobilfunknetz umgezogen sein. Das wird - so hatte Dommermuth kürzlich verraten - ohne SIM-Kartentausch möglich sein. Auf jeder SIM-Karte sei bereits eine zweite "Kennung" (IMSI) enthalten, die 1&1 über das Netz aktivieren kann, wenn es soweit ist.
Dommermuth will kein reines 5G-, sondern ein kombiniertes 4G/5G-Netz bauen, damit auch Kunden mit älterer Hardware davon profitieren können. Bleibt die Frage, was das Angebot kosten soll: Die künftigen Mobilfunktarife sollen laut WELT "sehr attraktiv sein", aber es werde "keine Preisschlacht" geben.
Binnen weniger Jahre profitabel
Während die Branche bisher davon ausging, dass Service-Provider mehr verdienen als echte Netzbetreiber, geht Dommermuth wohl davon aus, dass das neue Netz innerhalb weniger Jahre profitabel sein werde.
Die Kosten für den Erwerb von Funkfrequenzen, die Aufträge an Netzausrüster und die Miete für die Standorte könnten sich in den nächsten Jahren auf rund fünf Milliarden Euro belaufen.
Ausbauziele früher erreichen
Bis 2030 muss 1&1 auf seinen ersteigerten 5G-Frequenzen die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland erreichen. Die WELT zitiert Dommermuth mit den Worten: „Unser Ziel ist nicht nur, das modernste Mobilfunknetz Europas zu bauen, sondern auch die Ausbauziele früher zu erreichen.“
Dommermuth gibt sich optimistisch, dass die "knappen" Flächenfrequenzen zwischen 700 und 900 MHz auch für vier Anbieter reichen würden. In anderen Ländern gäbe es auch vier Anbieter mit dem gleichen Frequenzangebot.
Bereits vor kurzem wurde bekannt, dass der Rundfunkdienstleister Media Broadcast den Field-Service für das neue Netz von 1&1 übernehmen wird.