Rückblick

Retro-Test Nokia 1611 von 1997: Der "Knochen" oder das "Brikett"

Klobiges GSM-Handy, das mit Mannesmann-Vertrag erschwinglich war
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Verglichen mit heutigen Smartphones mutet der Funktionsumfang des Nokia 1611 sehr minimalistisch an: Außer Telefonie und SMS (was damals noch extra beworben wurde!) beherrschte es nichts. Im Bereich der Telefonie gab es schon die heute gebräuchlichen Anruflisten und Anrufumleitungsmöglichkeiten. Bei den Telefoneinstellungen durfte der Nutzer immerhin verschiedene Klingeltöne und deren Lautstärke auswählen. Ein recht neues Feature war in die Ein-Tasten-Wahl.

Die separate Taste mit dem Tonband-Symbol dient zur Abfrage der Mailbox Die separate Taste mit dem Tonband-Symbol dient zur Abfrage der Mailbox
Foto: teltarif.de
Trotzdem mutet die Bedienung für heutige Verhältnisse fast kryptisch an. Das Nokia 1611 hatte noch keine direkt unter dem Display liegenden Tasten, deren jeweilige Funktion am unteren Bildschirmrand angezeigt wurde. Nach dem Betätigen der Menütaste navigierte man innerhalb des Menüs mit einer Wipptaste, bestätigt wurde mit der Taste "M", gelöscht mit "C". Recht neu war die separate Taste zum Anwählen der eigenen Mailbox - erst später wurde diese Funktion auf die Zifferntaste "1" verschoben. Ein eigenes Telefonbuch hatte das Handy nicht - es konnte lediglich auf den SIM-Speicher zugreifen und diesen editieren.

Wirklich gut war das Nokia 1611 bei der Sprachqualität, und dies auch bei schlechtem Netz. Darum war es ganz besonders als Autotelefon beliebt. Sowohl Nokia als auch die Zubehörindustrie befeuerte diesen Trend mit einer Unmenge an KFZ-Zubehör für das Modell.

Die SIM-Karte im Scheckkarten-Format belegte die ganze Breite des Handys Die SIM-Karte im Scheckkarten-Format belegte die ganze Breite des Handys
Foto: teltarif.de
Das herausragendste Original-Zubehör von Nokia war aber ein echter Solar-Akku, der bei entsprechend guter "Sonnenversorgung" das beiligende Netzteil fast überflüssig machen konnte. Allerdings war der Akku so teuer, dass er für die typische Einsteiger-Zielgruppe unerschwinglich war. Diese singuläre Erscheinung im Handy-Markt kam erst viele Jahre später wieder - meist in Form von ansteckbaren Solar-Ladegeräten.

Der Standard-Akku des Nokia 1611 war immerhin schon mit Nickel-Metallhydrid-Zellen (NiMH) und nicht mehr mit den seinerzeit bei Handys schon veralteten Nickel-Cadmium-Zellen (NiCd) ausgestattet. Damit konnte das Mobiltelefon bis zu 170 Stunden im Standby und etwa 3,5 Stunden Gesprächszeit bieten, was für die damaligen Verhältnisse recht gut war. Lithium-Ionen-Akkus (Li-Ion) standen damals kurz vor dem Durchbruch im Handy-Markt, kamen aber zuerst in Telefonen der Oberklasse zum Einsatz.

Mannesmann-Vertragskonditionen: 1,89 DM Minutenpreis tagsüber

Prospekt mit Vertragskonditionen des D2-Fun24 Prospekt mit Vertragskonditionen des D2-Fun24
Grafik: Mannesmann D2, Scan: teltarif.de
Im Frühjahr 1997 begann Mannes­mann D2 damit, seine Consumer-Mobil­funk­ver­träge von 12-monatiger auf 24-monatige Lauf­zeit um­zu­stellen, um Grund­gebühren und Minuten­preise senken zu können. Dadurch konnten erstmals auch finanz­schwächere Kunden in den Genuss von Mobilfunk kommen. Das Prepaid-Modell stand zwar mit Free&Easy von E-Plus schon in den Start­löchern, doch die wesentlich besser aus­ge­bauten D-Netze boten aus­schließ­lich Lauf­zeit­ver­träge.

Der D2-Fun24 kostete damals 24,95 DM Grundgebühr monatlich bei 60/1-Sekunden-Abrechnung. Wer von Beginn des Telefonats eine 10-Sekunden-Abrechnung wollte, musste 5 DM mehr Grundgebühr bezahlen. Mit einem Minutenpreis von 39 Pf in der Nebenzeit von 18:00 bis 8:00 Uhr sowie am Wochenende und an Feiertagen blieben die Kosten einigermaßen überschaubar.

Highlight im Mannesmann-D2-Prospekt 1997: Der Nokia 9000 Communicator als erstes Smartphone Highlight im Mannesmann-D2-Prospekt 1997: Der Nokia 9000 Communicator als erstes Smartphone
Bild: Mannesman D2, Scan: teltarif.de
Happig war aber der Minutenpreis von 1,89 DM während der Hauptzeit ins Festnetz und in andere Mobilfunknetze. Bereits nach einem 14 minütigen Telefonat hatte man damit einen Betrag in Höhe der Grundgebühr auf der Telefonrechnung. Eine Strategie bestand darin, möglichst viele Freunde und Verwandte für einen D2-Vertrag zu werben, denn zu diesen konnte man dann auch in der Hauptzeit für 69 Pf Minutenpreis telefonieren. Notorische Handy-Verweigerer mussten dafür bis 18:00 Uhr warten, bis sie die Ehre eines Anrufs bekamen. Einige Monate nach Vertragsstart verlegte Mannesmann D2 gnädigerweise den Beginn der Nebenzeit auf 17:00 Uhr.

1999 musste das "Brikett" dann einem modernen Nokia 6110 weichen und im Jahr 2000 übernahm Vodafone die Mannesmann-Mobilfunksparte.

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