Kampagne

"Netz auf Augenhöhe": o2 mit Telekom & Vodafone gleichauf?

Durch die massive Ausbau­offen­sive von o2 auch in länd­lichen Gebieten sei das o2-Netz endgültig auf Augen­höhe mit dem Wett­bewerb ange­langt, schreibt heute o2. Das macht neugierig.
Von

Durch die massive Ausbau­offen­sive von o2 auch in länd­lichen Gebieten ist das o2-Netz endgültig auf Augen­höhe mit dem Wett­bewerb ange­langt, teilt heute der Netz­betreiber mit.

"Augen­höhe" das bedeutet also, dass selbst im einsamsten Ort des Landes immer auch o2 empfangbar sein müsste, wenn dort die Telekom oder Voda­fone funk­tio­niert? Beim Lesen dieser Zeilen war unsere Neugier geweckt.

Von connect mit "Sehr Gut" ausge­zeichnet

"Willkommen im sehr guten Netz von o2" ist der Claim einer neuen Werbekampagne "Willkommen im sehr guten Netz von o2" ist der Claim einer neuen Werbekampagne
Foto/Grafik.Telefónica Deutschland
Telefónica begründet das wie folgt: "Das Fach­magazin connect zeich­nete das o2-Netz im Dezember 2020 erst­mals mit der Note "sehr gut" aus. Dieses Ergebnis ist Ausgangs­punkt für die neue Netz­kam­pagne „Will­kommen im sehr guten Netz von o2 “, die ab heute reich­wei­ten­stark ausge­spielt wird. Ziel der Kampagne ist es, o2 in den Köpfen der Menschen nach­haltig als erst­klas­sigen Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter mit ausge­zeich­netem Netz zu veran­kern."

Schauen wir genauer hin: Im connect-Mobil­funk-Netz­test 2021 erhielt o2 in der Tat die Wertung "Sehr Gut" (852 Punkte); insge­samt wurden vergeben: Dreimal Sehr Gut (926, 876 und 852 Punkte), o2 liegt also auf dem dritten Platz.

Wenn wir in unsere Mail­post­fächer schauen, wenn wir uns im Internet in einschlä­gigen Foren umsehen, bekommen wir deut­lich diver­gie­rende Antworten.

Nur 1,16 MBit/s im Down­stream

So hat Redak­tions­kol­lege Markus Weidner beispiels­weise im hessi­schen Büdingen das o2 Netz vor Ort vor wenigen Tagen wie folgt erlebt:

"Beim Warten [...] hatte ich über mein Samsung Galaxy S20 Ultra noch ein biss­chen Inter­net­radio gehört. Dabei wunderte ich mich, dass die Receiver-App nur sehr langsam star­tete, da es offenbar Probleme beim Daten­bank­zugriff gab. "Ich rech­nete im ersten Moment mit einem Daten­bank­fehler, führte dann aber doch einen Speed­test durch. Schnell wurde deut­lich, dass nicht die App oder die dahin­ter­lie­gende Daten­bank das Problem verur­sacht. Viel­mehr war mein Internet-Zugang der "Flaschen­hals". Nur 1,16 MBit/s im Down­stream und 5,19 MBit/s im Upstream sind eher pein­lich. Einzig die Ping­zeiten (um 24 ms) waren akzep­tabel. Ich hatte die Internet-Verbin­dung mit dem o2-Daten-eSIM-Profil herge­stellt, das ich im Samsung Galaxy S20 Ultra betreibe. Das o2-Netz war demnach völlig über­lastet."

Frust am Seddiner See

Im April 2020 hatten wir vom Seddiner See in Bran­den­burg (Mittel­mark) berichtet. Dort gibt es ein Indus­trie­gebiet, wo seiner­zeit die o2-Versor­gungs­qua­lität zu wünschen übrig ließ, die 4G-Station war oft über­lastet. o2 hatte seiner­zeit ange­kün­digt, LTE massiv aufrüsten zu wollen, konnte aber noch keinen Termin nennen.

Vor wenigen Tagen meldet sich ein teltarif.de-Leser im Forum: "Nach einem Jahr hat sich dort der Zustand verschlech­tert. Wir haben hier ein hoff­nungs­loses über­las­tetes Telefónica (o2) Netz, sogar Tele­fonieren ist eine Zumu­tung." Oft sei das "Mobil­funk­netz nicht verfügbar", mitten im Gespräch werde fast jedes Tele­fonat abge­bro­chen."

Der Leser aus Seddin ist sich ziem­lich sicher, dass "laut BNetzA [...] Telefónica an diesem Standort die Vorgaben nicht erfüllt [hat]!" Am glei­chen Standort würden Telekom und Voda­fone die Kunden "mit 5G und top 4G" versorgen - auf Augen­höhe?

Neue Werbe­kam­pagne geplant

Zurück zu o2: Das Unter­nehmen plant eine neue Netz­kam­pagne, die in diesen Tagen starten soll. Unter dem Motto „Will­kommen im sehr guten Netz von o2 “, soll ab heute "reich­wei­ten­stark ausge­spielt" werden, sprich es wird an vielen Ecken Anzeigen geben, auf Plakat­wänden, in Zeitungen, Zeit­schriften und natür­lich auch im Internet.

Wolf­gang Metze, Privat­kun­den­vor­stand bei Telefónica Deutsch­land (o2), ist "sehr stolz darauf, unseren o2 Kunden jetzt ein sehr gutes Netz bieten zu können. Erst­mals in der Unter­neh­mens­geschichte von Telefónica/o2 erhielt das o2 Netz die Note ‚sehr gut‘. Wir sind nun bei der Netz­qua­lität weit­gehend gleichauf mit den Wett­bewer­bern, bei einem im Vergleich sehr attrak­tiven Preis-Leis­tungs-Verhältnis. Ob in der Stadt oder auf dem Land – wir ermög­lichen es unseren o2 Kunden, sehr gut verbunden zu sein. Mit der Netz­kam­pagne wollen wir diese Botschaft nach außen zu den Menschen tragen und allen Menschen den Zugang zur digi­talen Welt ermög­lichen“.

Revival für "o2 can do"

Auch der oft zitierte und gerne verball­hornte Werbe-Claim "o2 can do" soll wieder belebt werden. o2 soll als "Marke der Frei­heit" präsen­tiert werden und die Kunden "weiter konse­quent in den Mittel­punkt allen Handelns" stellen.

Ziel sei es, Stück für Stück die kleinen und zum Teil auch größeren Unzu­frie­den­heiten von Tele­kom­muni­kati­ons­kunden zu besei­tigen. Um dies zu unter­mauern, will o2 auf einen bekannten Claim: "o2 can do" setzen.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Der Netz­betreiber VIAG Interkom ist in Deutsch­land am 1.10.1998 gestartet, ich selbst wurde am 8.10.1998 Kunde, bin also quasi von Anfang an dabei. Ich habe damals die Abkür­zung "VIAG" mit "Very Inte­resting Adven­ture Game" über­setzt, denn es war und ist teil­weise bis heute ein großes Aben­teuer-Spiel. Ein Spiel, wo man inter­essante und nette Menschen kennen lernen kann und versu­chen muss, sich durch Tarife und Optionen, Hotlines und Shops zum Wunsch-Tarif und Wunsch-Service durch­zuar­beiten. Wo es immer wieder span­nend ist, wann und wo man welches Netz empfangen kann. Wer an diese Geschichte spie­lerisch heran­geht, wer immer einen Plan B in der Tasche (sprich eine zweite SIM-Karte eines anderen Netzes) dabei hat, wird dieses Spiel gerne mitspielen.

VIAG begeis­terte uns damals erst mit dem Swisscom-, dann mit dem D1-Roaming. Das schaffte Netz, wo sonst keines gewesen wäre, aber es wurde zweimal holter­diep­olter ausge­schaltet und die Leute ins Funk­loch gejagt, ohne Vorankün­digung und Infor­mation zum Netz­ausbau vor Ort. Viele Kunden sind damals gegangen, andere haben durch­gehalten, einige sind wieder gekommen.

Aus VIAG Interkom wurde o2. Manche Probleme verschwanden, neue kamen dazu, beispiels­weise eine Netz­fusion zwischen zwei Anbie­tern, die vorher erbit­terte Konkur­renten gewesen waren und über Nacht zusam­men­arbeiten mussten. Wieder mussten die Kunden sich mit Netz­aus­fällen und Störungen herum­schlagen, ehema­lige E-Plus-Kunden haben unter Umständen bis heute nicht die glei­chen tech­nischen Para­meter und Netz­funk­tionen, wie Original-o2-Kunden. Warum das so ist, war nicht heraus­zufinden.

Die Netz­fusion von E-Plus und o2 ist inzwi­schen (weit­gehend) geglückt. Es wurden viele neue Stationen aufge­baut, wo vorher gar nichts war. Es gibt viele Ecken, wo es zwar irgendwie Netz gibt, aber wo dieses Netz bis zum Anschlag ausge­lastet ist, weil (zu) güns­tige Tarife viele Kunden ange­lockt haben. Wie kann man güns­tige Preise und gute Netz­qua­lität in Einklang bringen?

Wer auf sein Mobil­telefon ange­wiesen ist, weil er oder sie in Bereit­schaft jeder­zeit erreichbar sein muss, weil es darauf ankommt, auch an den unmög­lichsten Stellen unbe­dingt Netz haben zu müssen, der könnte sich durch solche Werbe­aus­sagen leicht verloren fühlen. Oder den Anbieter wech­seln.

Keine Frage: o2 hat Gewal­tiges geleistet und ist dabei, sein Netz massiv aufzu­rüsten. Ja, sie haben stel­len­weise (aber längst nicht überall) sogar den Wett­bewerber Voda­fone schon ein- oder sogar über­holt.

Nur auf Augen­höhe mit allen Anbie­tern, einschließ­lich der Telekom? Das ist eine sehr mutige Aussage. Sie kann beim Kunden ein Schmun­zeln bis hin zur Enttäu­schung und mehr auslösen. Und dann wäre genau das Gegen­teil von dem erreicht, was eigent­lich gewollt ist.

o2 sollte seine Kunden viel­leicht darauf hinweisen, was man für güns­tiges Geld bekommen kann. Das ist schon einiges. Aber "Augen­höhe" ist es damit noch lange nicht. In Deutsch­land liegt die Telekom unein­holbar vorne, im welt­weiten Vergleich von Tutela auf Platz 37. Viel­leicht sollte o2 mal den Blick in die Schweiz oder nach Öster­reich lenken.

Da zeigt sich, welche Netz­qua­lität heute schon möglich ist. Zu Preisen, die uns hier die Tränen in die Augen treiben. In der Schweiz gibt es für knapp unter 25 Euro im Monat Sprach-Tele­fonie, SMS und eine mengen­mäßig nicht limi­tierte Daten­flat­rate (schweiz­weit) und dazu noch 100 Minuten/Monat und 1 GB/Monat für Tele­fonate und Surfen nach und inner­halb der EU und einige weitere Länder (Angebot von Wingo, der Discount-Tochter von Swisscom).

o2 can do - o2 must do. Es ist noch viel zu tun.

Mehr zum Thema Netzausbau