Themenspezial: Verbraucher & Service Streit

"Diensteanbieterverpflichtung": Zustimmung aus der Politik

"Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung": Bei den Netz­betrei­bern schrillen die Alarm­glo­cken, klei­nere Anbieter sehen sie als Wett­bewerbs­garantie - alle Probleme löst sie nicht.
Von mit Material von dpa

Es ist ein sper­riger Begriff, um den aktuell heftig gerungen wird: "Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung". Bei Handy­netz-Betrei­bern schrillen die Alarm­glo­cken, klei­nere Mobil­funk­anbieter stellen ihn hingegen als Wett­bewerbs­garantie dar - und als wichtig für Verbrau­cher.

Der Wett­bewerb auf dem deut­schen Mobil­funk­markt könnte sich bald verschärfen: Mit einer soge­nannten "Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung" sollen die großen deut­schen Handy­netz-Betreiber (explizit) dazu gezwungen werden, klei­nere Konkur­renten auf ihr Netz zu lassen. Für Firmen wie Freenet und EWE Tel, die beim Verkauf von Handy­ver­trägen auf die Netze von Telekom, Voda­fone und o2 ange­wiesen sind, wäre das Rücken­wind - ihre Posi­tion würde sich erheb­lich verbes­sern. Die Netz­betreiber lehnen die Pflicht zur Vermie­tung hingegen ab. Nun melden sich Poli­tiker zu Wort und signa­lisieren, dass sie für eine entspre­chende Vorschrift wären.

Grünen und Linke klar dafür

Wird die Bundesnetzagentur bei einer künftigen Frequenzersteigerung wieder eine Diensteanbieterverpflichtung einführen? Wird die Bundesnetzagentur bei einer künftigen Frequenzersteigerung wieder eine Diensteanbieterverpflichtung einführen?
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"Fairer Zugang von Diens­tean­bie­tern stärkt den Wett­bewerb", sagt der Grünen-Bundes­tags­abge­ord­nete Maik Außen­dorf. Das komme den Inter­essen der Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher zugute, da der Wett­bewerb für nied­rige Preise und bessere Service­qua­lität sorge.

Auch die Linke Anke Domscheit-Berg ist dafür. Das belebe den Wett­bewerb und ermög­liche den Menschen güns­tige Zugänge zu zeit­gemäßen Mobil­funk­tarifen, sagt die Bundes­tags­abge­ord­nete. Der Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­band ist eben­falls klar dafür.

CSU und SPD eher vorsichtig

Poli­tiker anderer Couleur sind zurück­hal­tender, lassen ihre grund­sätz­lich posi­tive Haltung aber durch­bli­cken. So sagt der CSU-Bundes­tags­abge­ord­nete Hans­jörg Durz, dass ein funk­tio­nie­render Wett­bewerb auch mit Diens­tean­bie­tern ein klares Ziel sei. Der FDP-Abge­ord­nete Rein­hard Houben hält den Wett­bewerb am Mobil­funk­markt für einge­schränkt. "Vor diesem Hinter­grund sollte sehr genau geprüft werden, ob es nicht sinn­voll wäre, eine Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung in die nächsten Frequenz­auf­lagen zu inte­grieren."

Eher vorsichtig äußert sich der SPD-Abge­ord­nete Johannes Schätzl. "Eine Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung ist natür­lich ein sehr starker Eingriff in den Markt, den man gut recht­fer­tigen müsste", sagt er und weist darauf hin, dass die Netz­betreiber ihre Inves­titionen nun mal refi­nan­zieren müssten.

Drei Netz­betreiber mit je 25 Prozent

Der deut­sche Handy­markt ist domi­niert von den drei Netz­betrei­bern Telekom, Voda­fone und Telefónica Deutsch­land (o2). Die haben einen Markt­anteil von jeweils mehr als einem Viertel, wie aus einer Unter­suchung des Bran­chen­ver­bandes VATM zum Jahr 2022 hervor­geht. Nur 17 Prozent des Mobil­funk-Service­umsatzes geht direkt an die Konkur­renz. Unter den Kleinen ist Freenet mit acht Prozent­punkten noch am größten. Schlechte Geschäfte macht Freenet nicht, die Hamburger sind profi­tabel und wollen ihre Gewinne in den nächsten Jahren stei­gern.

Vertre­tern von Netz­betrei­bern stehen bei dem Thema Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung die Haare zu Berge. Sie argu­men­tieren, dass der Wett­bewerb im Mobil­funk­markt sehr wohl funk­tio­niere, und sie fürchten, dass ihre Inves­titionen in neue Netze durch die Vermie­tungs­pflicht teil­weise entwertet würden. "Die Forde­rung nach einem 5G-Abga­bezwang zu fest­geschrie­benen Ramsch-Preisen würde den Netz­ausbau in Deutsch­land ausbremsen", sagt ein Voda­fone-Spre­cher. Es käme zu einer "Umver­tei­lung der Gelder weg von jenen, die sie drin­gend für den Aufbau neuer Funk­masten und zum Schließen von Funk­löchern benö­tigen, hin zu denen, die ihre eigenen Gewinne ohne großen Aufwand weiter maxi­mieren wollen".

Ähnlich argu­men­tiert ein Telekom-Spre­cher. "Der eine baut und der andere hat den Spaß? Das ist kein faires Modell", sagt er. Deutsch­land habe "einen ausge­prägten Mobil­funk­markt an Dritt­anbie­tern, auch auf dem Netz der Telekom". Eine noch stär­kere Regu­lie­rung als bisher würde "die notwen­digen Inves­titionen in den Netz­ausbau weiter erschweren". Das wäre auch für Kundinnen und Kunden miss­lich, schließ­lich sei der Netz­ausbau für sie doch sehr wichtig.

Von der Bundes­netz­agentur hieß es, ob und welche Diens­tean­bie­ter­rege­lung ange­messen sein werde, werde auf Grund­lage einer Beur­tei­lung der Wett­bewerbs­ver­hält­nisse zu entscheiden sein.

Aus Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung wurde Verhand­lungs­gebot

Früher gab es besagte Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung, inzwi­schen ist sie ausge­laufen. In der Frequenz­auk­tion 2019 wurde ein weicheres "Verhand­lungs­gebot" fest­geschrieben. Das besagt, dass die großen Drei mit den kleinen Mobil­firmen ohne eigenes Netz verhan­deln müssen - eine Pflicht zum Vertrags­abschluss gibt es aber nicht. Nun ist gewis­ser­maßen die Gret­chen­frage, ob es im Rahmen des dama­ligen Verhand­lungs­gebots zu Verträgen über 5G-Kapa­zitäten gekommen ist - oder ob es ein stumpfes Schwert war, das den klei­neren Firmen gar nicht geholfen hat und sie bei 5G außen vor blieben.

Bisher setzen die Mobil­funk­unter­nehmen, die kein eigenes Netz haben, auf den lang­sameren Funk­stan­dard 4G. Da 5G inzwi­schen aber immer selbst­ver­ständ­licher wird, ist der Zugriff auf diesen Funk­stan­dard enorm wichtig. Bekommen die virtu­ellen Netz­betreiber kein 5G, dürften sie am Markt bald unter Druck geraten.

Bekommen klei­nere Anbieter wirk­lich kein 5G?

Aber haben die klei­neren Handy­tarif-Anbieter tatsäch­lich kein 5G? Der Sozi­alde­mokrat Schätzl fordert dies­bezüg­lich mehr Klar­heit und Trans­parenz. Die Bundes­netz­agentur sollte alle offenen Fragen klären und hierzu den Stand der Dinge objektiv darstellen, sagt er.

Tatsäch­lich gab es nach 2019 Vertrags­abschlüsse über 5G, viele waren es aber nicht. Ein Freenet-Spre­cher berichtet davon, dass man drei 5G-Tarife habe. Diese seien aber "fast nicht nach­gefragt", auch weil sie relativ langsam seien - die Maxi­mal­geschwin­dig­keit wurde abge­senkt, sie ist also nicht so hoch wie bei einem 5G-Vertrag von Voda­fone. Außerdem seien diese Freenet-5G-Tarife "premium", so der Firmen­spre­cher - gemeint ist, dass sie recht teuer sind.

Freenet: "Diskri­minie­rendes Verhalten"

Wie hitzig die Debatte ist, macht eine Wort­mel­dung von Freenet-Vorstand Rick­mann von Platen deut­lich. Der wirft den Netz­betrei­bern ein "diskri­minie­rendes Verhalten" vor, das die Netz­agentur endlich beenden solle. Den Vorwurf der Diskri­minie­rung weisen die großen Drei von sich. Telefónica betont zum Beispiel, das Verhand­lungs­gebot "part­ner­schaft­lich und konstruktiv" auszu­üben.

Eine Entschei­dung über die Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung ist noch nicht in Sicht, die Netz­agentur wird sie im Rahmen der Frequenz­ver­gabe im Jahr 2024 fällen. Gut möglich, dass das Streit­thema danach vor Gericht landet. Der Beirat der Behörde, in dem Bundes­poli­tiker und Länder­ver­treter sitzen, tagt an diesem Montag in Berlin. Das umstrit­tene Thema dürfte dabei zur Sprache kommen.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Wir haben das Thema "Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung" hier schon ausführ­lich erläu­tert. Es gibt diese Verpflich­tung derzeit in der Tat nicht. Service-Provider und MVNO sind bei den Netz­betrei­bern nicht sonder­lich beliebt, weil sie hohe Rabatte brau­chen, um güns­tige Preise reali­sieren zu können und damit die Rendite und mögliche Rück­lagen für den Netz­ausbau und mögli­cher­weise für neue absurd teure Frequenz­ver­stei­gerungen redu­zieren. Wenn die Politik jetzt noch den Austausch von tech­nisch hervor­ragender Huawei-Technik aus rein poli­tischen Gründen durch­setzt, ist das ein weiterer Kosten­faktor, den irgend­jemand (die Kunden? der Steu­erzahler?) beglei­chen muss.

Schon heute können alle Service-Provider "5G" bekommen, wenn auch nicht zum "Dumping"-Preis, den die Provider zu brau­chen glauben, um "wett­bewerbs­fähig" zu bleiben.

Wer als (neuer) Service-Provider bei der Telekom anklopft, soll Bran­chen­gerüchten zufolge mindes­tens 2,5 Millionen SIM-Karten abnehmen müssen, bevor die Telekom mit ihm reden mag. Gut möglich, dass im Rahmen einer Verpflich­tung dieser Grenz­wert abge­senkt werden müsste.

Kunden von Service-Provi­dern sollten sich aber immer bewusst sein: Gibt es vor Ort eine Netz­stö­rung, können diese Kunden sich nur bei ihrem Service-Provider beschweren und müssen dann hoffen, dass dieser dem wahren Netz­betreiber auch "Bescheid" gibt. Oft unter­bleibt das, weil beim Service gespart werden muss und soll. Kunden eines Original-Netz­betrei­bers können hier deut­lich besser dran sein, zahlen dafür aber unter Umständen auch mehr.

Und: Der neue Netz­betreiber 1&1 hätte von einer Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung bald nichts mehr, weil er ja jetzt selbst Netz­betreiber und bald gar kein Service-Provider mehr ist. Wenn dann die örtliche Sende­sta­tion des Roaming-Part­ners gestört ist, siehe oben.

Wir haben 1&1 kürz­lich in Monta­baur besucht.

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