30 Jahre SMS: Aufstieg und Fall des Kurznachrichtendienstes
Anfänglich wurde die Kurznachricht (SMS = Short Message Service) belächelt, maximal 160 Zeichen waren möglich. Doch dann eroberte sie die Welt - um dann von WhatsApp und Co. auch wieder verdrängt zu werden.
Wer den Short Message Service (SMS) genau erfunden hat, wer zuerst auf die bahnbrechende Idee kam, ungenutzte Kapazitäten im Mobilfunknetz für das Senden und Empfangen von Kurznachrichten zu verwenden, bleibt unter Historikern umstritten. Das erste tragfähige Konzept - da sind sich die Experten einig - stammte 1985 vom Bundespost-Manager Friedhelm Hillebrand.
SMS mit 160 Zeichen - eine deutsche Erfindung
Anfangs wurde der deutsche Mobilfunkpionier noch belächelt, vor allem weil er der Machbarkeit zuliebe die SMS auf eine Länge von 160 Zeichen beschränkt hatte. Der studierte Elektrotechniker war sich sicher, dass 160 Zeichen völlig ausreichen, um interessante Nachrichten zu transportieren: Er argumentierte damit, dass bei Fax und Postkarte meist auch nicht mehr Zeichen verwendet werden.
Erste SMS am 03.12.1992 in England
Ein SMS Versand per Handy war 1992 noch nicht möglich. Die erste Nachricht wurde am Computer am Abend des 3.12.1992 verschickt.
Foto: Vodafone
Das Versenden der weltweit ersten SMS war dann aber dem britischen Softwareentwickler Neil Papworth im Auftrag von Vodafone vergönnt. Er probierte am 3. Dezember 1992, also vor 30 Jahren, die neue Übertragungstechnik aus und sendete von seinem Computer aus die berühmt gewordenen 14 Buchstaben "Merry Christmas" (Fröhliche Weihnachten) auf das Orbitel TPU-901 Mobiltelefon (in Form eines tragbaren Handköfferchens) des Vodafone-Managers Richard Jarvis. Ein Mobiltelefon, mit dem man eine SMS hätte schreiben können, gab es damals noch nicht.
Kommerzieller Start 1994
Kommerziell startete der neue Dienst dann 15 Monate später auf der Computermesse CeBIT 1994 in Hannover. Die Preise waren aus heutiger Sicht gesalzen. Anfangs kosteten die Kurzmitteilungen noch 39 Pfennig (umgerechnet 20 Cent) pro Stück, mit der Einführung des Euro etablierten sich dann 19 Cent als Standardpreis für eine SMS. Irgendwann lockten SMS-Discounter die Kundschaft mit Preisen von fünf oder sechs Cent pro SMS an, doch nicht alle Kunden konnten davon profitieren.
Der Goldesel
Zunächst entwickelte sich der "Short Message Service" zum Goldesel der Branche. Schon 1998 wurde erstmals die Schwelle von einer Milliarde versendeten SMS in Deutschland überschritten. Danach ging es rasant weiter. Der Rekord wurde 2012 mit knapp 60 Milliarden SMS erreicht.
Bei der Deutschen Telekom hatte die SMS ihr Allzeithoch zum Jahreswechsel 2011/12. Am Silvester- und Neujahrstag wurden zusammen 137,4 Millionen Kurzmitteilungen übermittelt.
Der SMS-Boom spülte den Telekommunikationsanbietern Gewinne in Milliardenhöhe in die Kassen. Er änderte aber auch die Art und Weise, wie insbesondere Jugendliche untereinander kommunizieren.
Eingabe ziemlich umständlich
Dabei war die Eingabe der Texte im Vergleich zu heutigen Smartphones unglaublich kompliziert: Es gab keine Buchstaben-Tastatur, sondern nur die Ziffern von 0 bis 9 sowie * und #. Jede Ziffer wurde mehrfach mit Buchstaben belegt. Wer zum Beispiel den Buchstaben "f" schreiben wollte, musste dreimal hintereinander auf die Taste "3" drücken.
Diese Umstände förderten einen Abkürzungsjargon, den heute noch manche bei WhatsApp und Co. verwenden. So stehen die Buchstaben "hdg" für "Hab Dich gern" oder "GN8" für "Gute Nacht". Akla? (Alles klar?) Mancher quittierte solche Dinge mit "LOL" (Laughing out loud = lautes Gelächter).
SMS rückgängig
Inzwischen nutzen nur noch wenige Menschen die SMS für ihre private oder berufliche Kommunikation. Die Zahl der versendeten SMS in Deutschland sank seit dem Höchststand von 2012 (59,8 Milliarden) jedes Jahr kontinuierlich und erreichte 2020 mit 7,0 Milliarden einen Tiefstand. Im Jahr 2021 verzeichnete die Bundesnetzagentur allerdings erstmals wieder ein leichtes Plus auf 7,8 Milliarden.
Daraus schöpft die Branche Hoffnung: "Die SMS war vor 30 Jahren eine Innovation, aber Technik-Geschichte ist sie noch nicht: Sie wird uns noch viele Jahre begleiten", erklärt Tanja Richter, die Technikchefin von Vodafone Deutschland.
Leichtes Plus bei SMS
Das leichte Plus hat aber vor allem damit zu tun, dass die SMS häufig bei Anwendungen wie Online-Banking zum Versand mobiler Transaktionsnummern verwendet wird. Bei Telefónica (o2) hat sich das Volumen in diesem Bereich in den vergangenen vier Jahren verdoppelt.
Das bestätigt auch der Digitalverband Bitkom: "Die SMS wird weiterhin eine Rolle in der Kommunikation spielen", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder voraus. "Nicht nur für Menschen, die kein Smartphone besitzen, sondern insbesondere bei Authentifizierungsverfahren, etwa bei Bezahldiensten."
Milliarden-Gewinne wie früher wird die SMS aber nicht mehr bringen, weil sich die internet-basierten Messengerdienste längst durchgesetzt haben. Sie sind in der Regel komplett kostenlos oder kosten nur eine kleine Startgebühr wie Threema aus der Schweiz. Außerdem können Nachrichten-Apps wie WhatsApp, iMessage, Signal, Telegram, Threema, Viber oder Wire die Inhalte durch eine Verschlüsselung schützen.
Nachfolger RCS mit Problemen
Inzwischen bieten einige Netzbetreiber mit RCS (Rich Communication Services) einen als SMS-Nachfolger gestarteten Dienst an, der auch eine Verschlüsselung bieten würde. Doch RCS konnte sich bislang weder in Deutschland noch international richtig durchsetzen. Das liegt vor allem an der Tatsache, dass RCS aktuell nur auf der Android-Plattform von Google wirklich unterstützt wird.
Apple verwendet beim iPhone mit iMessage einen eigenen "SMS-Nachfolger", der nicht mit RCS kompatibel ist. Ein RCS-Client für iPhones, den die Telekom ihren Kunden zur Verfügung stellte, verschwand über Nacht aus dem App-Store, Nachfragen zum Verbleib blieben unbeantwortet.
Daran wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern. Apple-Chef Tim Cook erteilte unlängst auf einer Konferenz dem RCS-Standard eine Absage: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Nutzer von uns verlangen, dass wir da viel Energie reinstecken." Zuvor hatte ein Konferenzteilnehmer gesagt, dass er seiner Mutter, die ein Android-Smartphone besitzt, gerne vom iPhone aus ein Video zusenden würde. "Kauf Deiner Mutter ein iPhone", antwortete Cook lakonisch.
Angela Merkel und die SMS
Die SMS war in der Ära vor WhatsApp & Co. nicht nur bei jungen Leuten populär. So steuerte Angela Merkel (Jahrgang 1954) als Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende oft ihr Kabinett und die Partei mit gezielten SMS. In der schwarz-gelben Koalition betonte 2010 der damalige Außenminister Guido Westerwelle (FDP), wie intensiv er mit der Regierungschefin per SMS kommuniziere. "Absolut ungetrübt, sehr intensiv und regelmäßig" sei der Umgang miteinander: "Wir simsen, was das Zeug hält." Das Wort "simsen" für das Senden und Empfangen von SMS war schon 2004 in den Duden aufgenommen worden. Die damalige Kanzlerin nahm bei ihrer intensiven SMS-Nutzung auch das Risiko in Kauf, abgehört zu werden. SMS werden bis heute nicht verschlüsselt.
Als 2013 durch die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden der Verdacht aufkam, dass Merkel von US-Geheimdiensten ausgespäht wurde, sagte sie nur, Ausspähen unter Freunden gehe gar nicht.
SMS und Online-Banking
Wer seine Bankgeschäfte online abwickelt, konnte seine Transaktionen lange Zeit mit Einmal-TAN-Ziffern, die über SMS an den Kunden verschickt wurden, initiieren oder bestätigen. Doch böse Menschen schafften es, sich Ersatz-SIM-Karten zu erschleichen und so den SMS-Verkehr auf fremde Handys "umzuleiten". Vielleicht auch aus Kostengründen haben die meisten Banken die SMS-TAN eingestellt und setzen entweder auf einen TAN-Generator, den der Kunde kaufen muss oder den Versand der TAN über eine eigene App ("Push-TAN").
SMS an Silvester
Währen in den Boomjahren SMS-Nachrichten an Silvester und Neujahr teilweise stundenlang im Netz kreisten oder verloren gingen, ist das heute kein Thema mehr. Selbst nach Mitternacht am Neujahrsmorgen kommen SMS-Nachrichten umgehend an. Die Netzbetreiber hatten in der Vergangenheit massiv aufgerüstet.
SMS im Festnetz
Übrigens: SMS-Nachrichten gibt es auch im Festnetz. Dazu braucht es spezielle Festnetz-Telefone, die diesen Dienst unterstützen, ferner einen Dienstleister (beispielsweise die Telekom). Dann ist es auch möglich, SMS-Nachrichten vom Handy zum Festnetz zu schicken. Sollte das Festnetz-Telefon nicht SMS-fähig sein, bekommen Sie möglicherweise einen Anruf von der Rufnummer 01930100. Wenn Sie abheben, liest eine Stimme die Nachricht zweimal vor. Andere Dienstleister verwenden eine 0900-Rufnummer und rechnen die SMS-Versandkosten über den Anruf dieser Rufnummer ab.
Mehr Infos zur SMS lesen Sie in unserem Info-Artikel.