Globalisierung

Internet-Handel: Darum hat der Zoll so viel Extra-Arbeit

Drogen und Waffen aus dem Darknet, Medikamente und Potenzmittel vom Internet-Händler aus Fernost: Der Zoll wird bei internationalen Brief- und Waren­sendungen immer häufiger fündig. Plagiate entstehen aber auch in Deutschland.
Von dpa /

Deutlicher Zuwachs bei Drogen, Markenpiraterie und Medikamentensendungen mit fragwürdigem Inhalt: Der Zoll am Frankfurter Flughafen wird auf der Suche nach verbotenen Waren immer häufiger fündig. Im vergangenen Jahr gab es allein bei der Bekämpfung von Rauschgiftkriminalität mehr als doppelt so viele Aufgriffe wie noch ein Jahr zuvor. Doch es sind nicht nur die sogenannten Hochrisikoflüge aus Südamerika, Afrika oder Südostasien mit Drogenkurieren an Bord, deren Kontrolle den Zöllnern Erfolge beschert haben.

"Im vergangenen Jahr gab es 13 889 Aufgriffe, ein Jahr zuvor waren es 4675", sagte Albrecht Vieth, der Leiter des Hauptzollamts Frankfurt, in dieser Woche zur Jahresbilanz des Zolls am Frankfurter Flughafen. Dazu trage vor allem der boomende Internet-Handel bei: "Im Internationalen Postzentrum haben wir einen Hotspot bei den Aufgriffen."

Drogenkuriere und hierzulande verbotene Produkte

Internet-Handel: Zoll präsentiert beschlagnahmte Produkte Internet-Handel: Zoll präsentiert beschlagnahmte Produkte
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Auch bei den Mengen gab es einen Zuwachs um 33 Prozent. Konnten im Jahr 2016 noch 5296 Kilogramm Rauschgift sichergestellt werden, waren es im vergangenen Jahr 7045 Kilogramm, darunter mehr als 5800 Kilogramm der Kaudroge Khat, die unter anderem in Kenia und Äthiopien angebaut und bei Kunden am Horn von Afrika und in den Golfstaaten Abnehmer findet. Insgesamt 57 Drogenkuriere wurden im vergangenen Jahr festgenommen, darunter 14 sogenannte Schlucker, die in ihrem Körper Rauschgift transportierten.

Mit Hilfe von einfallsreichen Verstecken konnten Rauschmittel vielleicht dem Blick der Kontrolleure, aber nicht der feinen Nase der Zoll-Spürhunde entzogen werden. Ob Kokain in Badeschuhen, in die Kleidung eingenähte Drogen - die vierbeinigen Kollegen der Zollbeamten wurden auch dort fündig, wo versucht wurde, Gerüche zu tarnen. "Auch in Kaffeepulver oder einer anderen stark riechenden Verpackung erkennt der Hund die Drogen noch", versicherte ein Hundeführer, der mit der siebenjährigen Schäferhündin "Lucy" regelmäßig Koffer, Rucksäcke und Taschen ankommender Reisender prüft.

Beim Kampf gegen Schmuggel oder illegalen Handel waren die Zöllner im vergangenen Jahr aber nicht nur bei Kontrollen des Reiseverkehrs erfolgreich. Zwar wurden mehr als 1500 Steuerstrafverfahren eingeleitet und ein Steuerschaden von mehr als 957 000 Euro verhindert. Der globale Internet-Handel mit sowohl verbotenen als auch auf den ersten Blick erlaubt erscheinender Ware beschäftigt auch den Zoll und hat im vergangenen Jahr die Zahl der Aufgriffe deutlich erhöht.

Medikamente, aber auch Marken- und Produktpiraterie

Denn manche der täglich 1,4 Millionen Briefsendungen, die im Internationalen Postzentrum am Frankfurter Flughafen umgeschlagen werden, haben es buchstäblich in sich: Drogen oder Pillen, Psychopharmaka oder Potenzmittel werden in Umschläge eingetütet und an den Besteller versandt. Im vergangenen Jahr wurden bei Kontrollen der Briefe gut 13 000 Sendungen mit knapp 1,4 Millionen Tabletten und Ampullen sichergestellt.

Im Bereich der Marken- und Produktpiraterie gab es im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung der beschlagnahmten Kleidung, Mobiltelefone, Tabletten und Spielwaren um 63 Prozent. Produktfälschungen gab es auch bei den Medikamenten und anderen pharmakologischen Produkten. Hinzu kamen Produkte, die als potenziell gefährlich für den Verbraucher beschlagnahmt wurden - etwa Mini-Armbrüste, mit denen Zahnstocher verschossen werden sollten

Das angebliche Schnäppchen aus dem Internet kann dann je nach Umfang der Sendung ein Steuerstrafverfahren zur Folge haben. "Wenn die Ware erheblich billiger ist als der Originalpreis, sollte man die Finger davon lassen", riet Vieth zur Vorsicht bei allzu günstigen Online-Angeboten, die häufig aus Fernost geordert werden. "Das gilt auch ganz besonders bei Potenzmitteln - da wird an der falschen Stelle gespart."

Auch Hamburg ist ein Haupt-Umschlagplatz

In Hamburg stellten Zollfahnder im vergangenen Jahr eine Rekordmenge an Kokain sicher. Im gesamten Bereich des Zollfahndungsamts, zu dem neben Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern auch Bremerhaven gehört, waren es 6,3 Tonnen, wie Amtsleiter René Matschke in dieser Woche in Hamburg sagte. Das seien 90 Prozent des bundesweit gefundenen Kokains gewesen.

Die Hamburger Zollfahnder hätten 2017 zudem 60 000 Einheiten von Anabolika und Dopingmitteln sichergestellt, sagte Matschke. Das waren doppelt so viele wie 2016. Vor allem sogenannte Peptide lägen im Trend. Die Substanzen würden ähnlich wie Rauschgift gespritzt und förderten das Muskelwachstum. Der Zoll spricht von "Sofa-Steroiden". Die Händler kauften die Substanzen und Utensilien in China oder Indien und füllten sie in Deutschland in Heimlaboren ab.

Nicht nur aus China: Plagiate setzen deutschen Firmen zu

Deutschen Firmen machen keineswegs nur Produktfälschungen aus China, sondern auch von einheimischen Wettbewerbern zu schaffen. Jeder fünfte deutsche Maschinenbauer, der im vergangenen Jahr Plagiate eines seiner Produkte auf dem Markt entdeckte, fand eine Fälschung aus Deutschland, wie eine in dieser Woche auf der Hannover Messe vorgestellte Studie des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) ergab. Weltweit bedeuten die Fälschungen für die betroffenen Firmen Milliardenschäden.

Gefährliche und verbotene Produkte landen beim Zoll Gefährliche und verbotene Produkte landen beim Zoll
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"Diese Fälscher stehlen zum Beispiel komplexe technische Kniffe, die man den Maschinen von außen gar nicht ansieht", sagte VDMA-Sprecher Holger Paul zu den Plagiaten aus Deutschland. Diese Kniffe hätten die Fälscher unter anderem deshalb gekannt, weil Angestellte die Firmen wechselten. Viele sähen sich aber nicht als Fälscher, sondern einfach als Weiterentwickler, sagte der Technologieprofessor Michael Stephan von der Philipps-Universität Marburg.

"Die größte Gefahr für die Industrie sind Fälscher, die langfristig selbst mit eigenen Produktentwicklungen den globalen Wettbewerb bestreiten wollen", sagte Stephan. Diese Firmen erfänden auch eigene nicht-gefälschte Produkte, lernten durch das Fälschen und könnten sich so am Markt etablieren. Die rechtliche Grauzone zwischen Ideenklau und genauem Nachbau sei groß. VDMA-Geschäftsführer Rainer Glatz sagte: "Generell lohnt es sich zu plagiieren, die Gewinnmargen sind riesig und die Strafen gering."

Die meisten Fälschungen nach wie vor aus China

Die meisten Fälscher, die deutsche Produkte, Teile davon oder Techniken nachbauen, kommen laut der VDMA-Studie wie in den Vorjahren aus China. Viele Maschinenbauer fänden etwa Plagiate ihrer Produkte auf der chinesischen Online-Plattform Alibaba.

Manche dieser Erzeugnisse sähen zwar fast so aus wie die Originale, bestünden aber aus billigen Materialien, die schnell kaputt gingen, sagte der Jurist Peter Gretenkord vom Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie. Darunter leide dann die echte Marke. Auch gefährdeten etwa gefälschte Autoteile oder Medikamente Menschenleben.

Viele Plagiate fallen den Firmen nach Stephans Angaben nie auf, auch der Zoll finde weniger als ein Prozent aller Fälschungen. Experten schätzen, dass Fälschungen etwa 5 Prozent des weltweiten Handels ausmachen. Dies würde einem Umsatz von 800 Milliarden Euro entsprechen - 65 Milliarden Euro in Deutschland. Die Maschinenbauer hätten im vergangenen Jahr einen Schaden von rund 7,3 Milliarden Euro erlitten, schätzt der VDMA. Und laut Gretenkord wächst der Handel mit gefälschten Produkten.

Deutsche Firmen: Innovativ, aber schlecht abgesichert

"Hacker greifen besonders viele deutsche Mittelständler an", sagte der IT-Experte Udo Schneider vom Internetsicherheitsanbieter Trend Micro. "Sie haben tolle Innovation und gleichzeitig schlechte IT-Sicherheit." Gerade kleine und mittlere Unternehmen der Maschinenbaubranche gaben in der VDMA-Umfrage an, dass sie überproportional unter den Fälschungen litten. Allerdings wehren sie sich meist nicht. "Für viele ist es zu kostenintensiv, vor Gericht durchzusetzen, dass es sich um ihre Technik handelt", sagte VDMA-Geschäftsführer Glatz.

Continental-Vorstand Hans-Jürgen Duensing betonte, der Reifenhersteller und Autozulieferer wende enorme Kraft auf, um sich vor Angriffen zu schützen - eine 100-Prozent-Garantie gebe es aber nicht. Es sei ein Wettlauf zwischen Angreifern und Verteidigern. Deutschlands Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), kündigte ein Gütesiegel für vertrauenswürdige IT an. Zudem soll das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mehr Beratungen anbieten.

Wer aber im Urlaub gefälschte Markenklamotten oder -taschen kaufe, helfe den oft teuren Originalmarken, sagte Experte Stephan. "Für Firmen wie Luis Vitton ist das Werbung - und Leute, die sich eine gefälschte Tasche kaufen, könnten sich sowieso keine echte leisten."

Über die Risiken beim Smartphone-Import aus Asien haben wir vor einigen Jahren bereits mit dem Zoll ein Interview geführt.

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