Zweckpessimismus

Editorial: In der Zwangsjacke

Die Deutsche Telekom kommt nicht aus den Schlagzeilen
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Dreieinhalb Monate ist es her, dass bei der Deutschen Telekom der Chef ausgewechselt wurde. Vor wenigen Tagen musste René Obermann nun zum ersten Mal Zahlen präsentieren, und es waren keine guten. Die Börse reagierte prompt und für einen DAX-Wert ungewöhnlich heftig: von den Höchstständen am Montag bis zu den Tiefstständen am Freitag verlor die T-Aktie über 10 Prozent ihres Wertes. Der DAX sank im gleichen Zeitraum wegen der Turbolenzen an den asiatischen Börsen "nur" um 6 Prozent.

Nun rührt der von der Telekom gemeldete Verlust im vierten Quartal sicherlich zum Teil auch daher, dass Herr Obermann die Buchhalter angewiesen hat, reinen Tisch zu machen. Bei vielen Posten in der Bilanz gibt es durchaus einen Bewertungsspielraum, und je pessimistischer man die Lage beurteilt, desto geringer fallen die Wertansätze für Vermögensgegenstände aus und desto höher sind die Rückstellungen für künftige Kosten wie den Personalabbau oder den Transfer von Personal zu einer Servicegesellschaft.

Für Obermann - oder allgemein jeden neuen Chef in einer Krisensituation - ist solcher Zweckpessimismus durchaus förderlich: Den Verlust im Quartal seines Antritts lastet man nämlich noch nicht ihm an, sondern seinem Vorgänger. Stellt sich in dann in ein bis zwei Jahren heraus, dass die Rückstellungen zu hoch waren, ist das auch kein Beinbruch: Der zu viel zurückgelegte Betrag wird dann zum außerordentlichen Gewinn.

Konzepte

Doch dieser Rückstellungstrick funktioniert jeweils nur einmal bei Antritt eines neuen Managements. Um langfristig gute Zahlen produzieren zu können, hat Obermann nur die üblichen Mittel zur Wahl: Die Kosten der eigenen Produktion senken, mehr Kunden bzw. zumindest mehr Nutzung für die bestehenden Produkte finden oder neue Kunden für neue Produkte finden.

Mit bestehenden Produkten mehr Umsatz zu machen, ist für die Telekom im Inland schwierig bis unmöglich. Der Konzern befindet sich hier in der "unternehmerischen Zwangsjacke" des Regulierers. Dessen klar formulierter politischer Auftrag lautet, dass das marktbeherrschende Unternehmen Marktanteile verlieren muss. Je erfolgreicher die Telekom mit den bestehenden Produkten ist, desto härter muss der Regulierer eingreifen, um eine Marktöffnung für andere Anbieter zu erreichen.

Die Strategie der hauseigenen Billigmarke kann sich hier dennoch auszahlen, wenn es dadurch gelingt, einen Teil der "abwandernden" Kunden dennoch zumindest im Konzern zu behalten. Allerdings ist eine solche Zwei-Marken-Strategie immer eine Gratwanderung: Wechseln zu viele Kunden zur eigenen Billigkonkurrenz, gehen auch dadurch Umsätze verloren. Ebenso könnten Kunden des teureren Produkts verärgert werden, wenn sie herausfinden, dass es dieselbe Leistung beim selben Konzern auch günstiger gibt. Diese sind danach dann meist ganz weg.

Neue Produkte

Neue Produkte hat die Telekom zu bieten, doch werden diese zumindest kurzfristig keine großen Umsätze liefern. Beim DSL-Fernsehen bzw. "IP-TV" ist erst in einigen Jahren mit wirtschaftlichem Erfolg zu rechnen. Der Weg zum Massenmarkt ist hier lang. Ebensolches gilt auch für mobile Datendienste, die dem Verbraucher offensichtlich weniger wert sind als mobile Sprachdienste. Selbst Vodafone, die das UMTS-Geschäft noch stärker forcieren als T-Mobile aus dem Telekom-Konzern, haben Datendienste (außer SMS) weiterhin nur einen einstelligen Umsatzanteil.

In beiden Bereichen - mobile Datendienste wie IP-TV - bleiben die Umsätze auch wegen eigener Marketing-Fehler hinter den Erwartungen zurück. Mobile Datendienste sind ohne Datenpaket in den GPRS-by-Call-Tarifen prohibitiv teuer. Dadurch verhindert der Konzern erfolgreich, dass die Kunden es einfach mal ausprobieren, mit Laptop und dem Handy als Modem online zu gehen.

Bezüglich mobiler Datendienste wird der Konzern hoffentlich zur CeBIT ein besseres Preismodell bekannt geben. Selbst dann, wenn T-Mobile dem 97-Prozent-Erdrutsch der GPRS-Preise nicht folgen will, um sich das SMS-Geschäft nicht kaputt zu machen, ist es unbedingt erforderlich, ein degressives Preismodell für umfangreichere GPRS- und UMTS-Sessions einzuführen. Dieses sollte sich daran orientieren, dass das erste Megabyte maximal 1,50 Euro, jedes weitere deutlich unter einem Euro kosten sollte. Aber auch, wenn dadurch mobiles Gelegenheitssurfen bezahlbar wird, wird es lange dauern, bis der Konzern das durch die derzeitigen Preise verspielte Vertrauen zurückgewonnen hat und die Nutzung ansteigt.

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