Vorstoß

Hamburg will in Einzelfällen Online-Durchsuchung ermöglichen

Gesetzentwurf könnte 2008 verabschiedet werden
Von dpa / Thorsten Neuhetzki

Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) will den Sicherheitsbehörden der Hansestadt zur Verhinderung von Terroranschlägen Online-Durchsuchungen ermöglichen. Die Innenbehörde erarbeite derzeit auf Basis des Verfassungsschutzgesetzes und des Polizeirechts entsprechende Gesetzentwürfe, die kurz nach der Bürgerschaftswahl 2008 verabschiedet werden könnten, erklärte Nagel heute. Er betonte: "Wenn es im Ernstfall um tausende von Menschenleben geht, dürfen die Sicherheitsbehörden nicht taub und blind sein." Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) war zuletzt wegen seiner Forderung nach der Online-Durchsuchung von Privat-PCs scharf kritisiert worden. Die SPD warnte vor Horrorszenarien, die Grünen bewerteten Nagels Ankündigung als "heiße Luft".

"Das Internet spielt für Terroristen eine immer größere Rolle. (...) Extremisten schreiben sich keine Postkarten", erklärte Nagel. Da müssten die Sicherheitsbehörden technisch und rechtlich mithalten können. Der Innensenator betonte, rechtsstaatliche Standards wie der Richtervorbehalt und die parlamentarische Kontrolle würden eingehalten: "Wir wollen das Instrument behutsam anwenden, zum Beispiel, um Anschläge zu verhindern." Es werde nicht darum gehen, flächendeckend PCs zur durchforsten. "Es geht darum, das Instrument der Online-Durchsuchung in rechtlich klar definierten Fällen zu nutzen, um Terrorgefahren abzuwehren."

SPD kritisiert Ankündigung

SPD-Fraktionschef Michael Neumann kritisierte Nagels Ankündigung, in Hamburg die Online-Durchsuchung einführen zu wollen, obwohl eine grundsätzliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bewertung dieses Instruments noch gar nicht gefallen sei. Der SPD-Innenexperte Andreas Dressel warf Nagel Respektlosigkeit gegenüber dem höchste deutschen Gericht vor. Das Bundesverfassungsgericht werde am 10. Oktober über die Online-Durchsuchung mündlich verhandeln, ein Entscheidungstermin stehe noch nicht fest. "Was macht Nagel, wenn Karlsruhe die Onlinedurchsuchung unterbindet?"

Die GAL-Fraktion forderte die CDU auf, angesichts des laufenden verfassungsgerichtlichen Verfahrens auch die gegenwärtig beratene Novelle des Verfassungsschutzgesetzes auf Eis zu legen. "Viele der vorgesehenen Kompetenzerweiterungen sind Gegenstand des Verfahrens um das Gesetz aus Nordrhein-Westfalen. Hier ist absehbar, dass nach kurzer Zeit Korrekturen notwendig sind", erklärte der GAL-Abgeordnete Till Steffen. Mit Blick auf die anstehenden Entscheidungen warnte er die CDU: "Auf glattem Eis sollte man nicht in Schweinsgalopp verfallen."

Nüchterner Umgang mit dem Thema gefragt

Neumann sprach sich für die von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) geforderte nationale Sicherheitskonferenz aus. Dort könnten nicht nur Sicherheitspolitiker und Experten aus Polizei und Justiz, sondern auch "einfache" Polizeibeamte zu Wort kommen. "Wir brauchen eine verstärkte Einbindung der Praktiker in die Diskussion", forderte der SPD-Fraktionschef. Nagel forderte er zu einem nüchternen Umgang mit dem Thema auf. "Wer täglich neue Bedrohungsszenarien skizziert und ständig neuen Pulverdampf in die Öffentlichkeit pustet, verunsichert die Menschen."

Der Innenexperte der CDU-Fraktion, Manfred Jäger, wies die Vorwürfe von SPD und GAL zurück: "Es ist absolut richtig, dass der Senator schon jetzt die rechtlichen Grundlagen für die Online-Untersuchung erarbeiten lässt." Die Bürgerschaft müsse nach der Karlsruher Entscheidung zum nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz schnell in der Lage sein, die rechtlichen Vorgaben des höchsten deutschen Gerichts umzusetzen.

Weitere Artikel zum Thema Online-Durchsuchungen