Brief nach Brüssel: Tech-Konzerne sollen für Netze zahlen
Europäische Telekommunikationsfirmen wollen große Tech-Konzerne einem Bericht der Wirtschaftszeitung Financial Times zufolge zu höheren Zahlungen für die Nutzung ihrer Netze zwingen. „Ein fairer und angemessener Beitrag der größten Verkehrserzeuger zu den Kosten der Netzinfrastruktur sollte die Grundlage eines neuen Ansatzes bilden“, zitierte die „Financial Times“ heute aus einem Brief, den die Chefs von 20 europäischen Telekommunikationsunternehmen demnach nach Brüssel geschickt haben.
Erste Adressen der europäischen TK-Branche
Europäische Telekommunikationsfirmen wollen große Tech-Konzerne zu höheren Zahlungen für die Nutzung der Netze zwingen.
Foto: Picture Alliance/dpa
Zu den Unterzeichnern des Schreibens an die Europäische Kommission und Mitglieder des Europaparlaments gehören etwa Deutsche-Telekom-Chef Tim Hoettges sowie die Spitzen von Vodafone, Telia und der BT Group. Ihrer Meinung nach profitieren Google, Netflix und Co am stärksten
von der Infrastruktur und bezahlten dafür „so gut wie nichts“. Als
Gegenbeispiel führen die Unterzeichner des Briefes Cloud-Anbieter an,
die ihre Kunden für die Weiterleitung von Datenmengen entsprechend
zur Kasse bäten. Die Forderung der Branche ist nicht neu - der
zeitliche Druck jedoch wächst, vor der Europawahl im Jahr 2024 noch
etwas zu erreichen.
Datenverkehr erhöht sich um 20 bis 30 Prozent pro Jahr
Nach Angaben der Konzernchefs hat sich der Datenverkehr durch „eine Handvoll“ großer Technologieunternehmen in den vergangenen Jahren durchschnittlich um 20 bis 30 Prozent erhöht. Diese Entwicklung wird sich ihrer Auffassung nach fortsetzen. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass sie zu einer entsprechenden Kapitalrendite führe.
200 Milliarden Investitionen notwendig
Denn gleichzeitig sind hohe Investitionen nötig: Nach Einschätzung der Kommission müssen rund 200 Milliarden Euro in die Hand genommen werden, um bis 2030 allen besiedelten Gebieten in der Europäischen Union Zugang zum Mobilfunkstandard 5G sowie eine vollständige Gigabit-Abdeckung zu gewährleisten. Die Konzernchefs fordern die Regulierungsbehörden deshalb auf, zur Sicherung künftiger Investitionen beizutragen und Regulierungen zu überarbeiten.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die Geschichte ist nicht neu und beschäftigt die Branche unter dem Titel "Fair share" schon länger. Als das Internet aufgebaut wurde, waren alle beteiligten Carrier noch irgendwie "gleichberechtigt". An den Übergabepunkten baute jeder auf eigene Kosten entsprechend aus, um seine Daten durch zu bekommen. Viele Internet-Nutzer fordern, dieses bewährte Verfahren beizubehalten. Aber ist es noch zeitgemäß?
Inzwischen gibt es nämlich eine gewaltige Schieflast: Die Menge der Daten und Inhalte, die z.B. von den USA nach Europa gepumpt werden, ist weitaus höher, als umgekehrt. Die Netze zu den Kunden müssen weiter ausgebaut werden. Vielleicht müssten die US-Netzbetreiber, bei denen Google, Netflix etc. angeschlossen sind, den Inhalte-Anbietern entsprechend höhere Rechnungen schreiben und dann einen Teil davon an die europäischen Zielnetzbetreiber weiterleiten. Das ist aber offenbar nicht der Fall. Viele US-Inhalte-Anbieter liefern nämlich ihre Daten bereits über ein sogenanntes Content-Delivery-Network direkt nach Europa in die Zielnetze vor Ort ein und meinen, damit sei ihrer Pflicht Genüge getan.
Die Konsumenten von kleineren Angeboten, die sich ein solches Verteilnetz nicht leisten können, sind weiterhin auf stabile Übergabepunkte der konventionellen Netzbetreiber angewiesen, denn die Content-Delivery-Netz liefern natürlich nur das an, was "aus eigenem Anbau" stammt.
Nun soll es die europäische Politik richten. Mit einer "Steuer" könnte sie den großen Inhalte-Anbietern den geforderten Obulus abnehmen. Nur wie kommt das Geld dann beim notwendigen Netzausbau an? Nach welchen Verteilungsschlüssel wird das Geld verteilt und wie viel bleibt in einer großen Verteilungsbürokratie stecken?
Eine knifflige Aufgabe für EU Kommissar Thierry Breton.
Der deutsche Digitalminister Wissing ist gegen die Fair Share Abgabe.