Das fordert die Digitalwirtschaft von der neuen Regierung
Im Vorfeld der kommenden Bundestagswahl am 26. September melden sich die Verbände von Telekommunikationsanbietern zu Wort und formulieren ihre Wünsche und Forderungen an die Politik.
Investitionsfreundliche Rahmenbedingungen gefordert
Die Verbände ANGA (Kabel-TV-Netze), Bitkom (Branchenverband), BUGLAS (Glasfaser) und der VATM (Netzbetreiber und Diensteanbieter) haben gemeinsam den Handlungsbedarf für die nächste Wahlperiode vorgestellt.
In ihrem Appell fordern sie die künftige Bundesregierung auf, "die bestehende Dynamik beim Ausbau von Gigabit-Netzen in der kommenden Legislaturperiode" stärker zu unterstützen.
Stabile Rahmenbedingungen
BUGLAS, ANGA, bitkom und vatm haben ihre Forderungen an die Politik gemeinsam formuliert, BREKO meldete sich separat zu Wort.
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Notwendig seien "stabile Rahmenbedingungen", die dem Prinzip „Privat vor Staat“ folgen sollten, die "realistische Ausbauziele mit klaren Prioritäten und ein gemeinsames Handeln von Privatwirtschaft und Politik" fordern.
Insbesondere befürchten die privaten Wettbewerber der Telekom, dass die geplante Förderung den privatwirtschaftlichen Ausbau verdrängen könnte. Natürlich müssten "besonders schlecht versorgte Gebiete noch stärker als bisher priorisiert werden". Aber es sollten keine Erwartungen geweckt werden, die sich nicht erfüllen ließen.
Und da liegt der Hase im Pfeffer.
Was ist moderne Regulierung?
Konkret fordern die Verbände "eine moderne Regulierung, die gemeinsame Investitionen und Ausbaukooperationen erleichtert und unterstützt".
Bei der Umsetzung des "Rechtes auf schnelles Internet" müsse aber darauf geachtet werden, dass die Erschließung einzelner Häuser in sehr dünn besiedelten Gebieten mit Tiefbaumaßnahmen nicht leistbar (auf deutsch viel zu teuer) wären, und daher funk- und satellitengestützte Alternativen "übergangsweise in vielen Fällen die einzige realistische Alternative" seien.
Einfachere Genehmigungsverfahren
Zugleich sollten Antrags- und Genehmigungsverfahren vollständig digitalisiert und moderne Verlegeverfahren (Trenching, mindertief) ermöglicht werden.
Angesichts begrenzter Baukapazitäten sei eine Begrenzung der Fördermittel des Bundes auf eine Milliarde Euro pro Jahr und eine gleichmäßige Verteilung über die kommenden Jahre wichtig.
Braun: Fortschritte erzielt
Thomas Braun, ANGA-Präsident, findet, dass Deutschland in den letzten Jahren große Fortschritte beim Netzausbau gemacht habe.
Bitkom: Zügiger Ausbau
Bitkom-Chef Achim Berg fordert „den zügigen Ausbau der Gigabit-Netze als eine der zentralen infrastrukturpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre und die Grundlage für erfolgreiche Digitalisierung und den Erhalt einer international wettbewerbsfähigen Wirtschaft und zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele.“
Buglas: Mehr Tempo
Für Theo Weirich vom Buglas braucht Deutschland "deutlich mehr Tempo beim Ausbau". Das eigenwirtschaftliche Engagement der Marktakteure müsse durch einen "geeigneten ordnungspolitischen Rahmen" besser als bisher unterstützt werden. Förderung solle es nur dort geben, wo der Ausbau dauerhaft unwirtschaftlich sei. Im ländlichen Raum könnten "innovative Verlegeverfahren" Zeit- und Kostenvorteile bringen.
VATM: Eigenwirtschaftlich oder Satellit?
David Zimmer, langjähriger Chef des Glasfaserunternehmens Inexio (heute Teil der Deutschen Glasfaser) und heute VATM-Präsident: „Wo der Ausbau wirtschaftlich funktioniert, wird auch gebaut werden, da wir massiv im Fokus internationaler Investoren stehen. Wo sich der Ausbau durch Förderung nicht beschleunigen lässt, sondern sogar Jahre länger dauert, brauchen wir moderne Funk- oder Satellitentechnologie.“
Positionspapier zum Download
Die Verbände haben „die wichtigsten politischen Ziele und Meilensteine für Gigabit-Netze als Grundlage der Digitalisierung Deutschland“ im Netz veröffentlicht.
Monopolkommission: Bundesanteile der Telekom verkaufen?
Die Monopolkommission hat anlässlich des Bundestagswahlkampfs auf den dringenden Reformbedarf im Bereich Telekommunikation hingewiesen und klare Empfehlungen ausgesprochen. Der VATM stimmt dem Bericht zu: "Die Förderung ist so auszugestalten, dass es nicht zu einer Verdrängung oder Entwertung privater Investitionen kommt" und fordert die Regeln nach der Wahl unverzüglich zu verbessern.
Geförderter Ausbau brauche viele Jahre länger und sei um viele Milliarden Euro teurer.
Gutscheine für Interessenten?
Erneut wird die Gutscheinlösung ("Voucher") ins Gespräch gebracht. Schlecht versorgte Kunden sollen einen Gutschein erhalten, für den sie sich kostenlos eine Glasfaser-Leitung von der Straße aufs Grundstück und ins Haus legen lassen können. Im Gespräch waren zuletzt Summen von 500 Euro pro Gutschein, dafür kann nicht viel gestemmt werden. Kein Wunder, dass die bisherige Regierung den Gutschein abgelehnt hat. Die "Digitalisierungshilfe" der Bundesregierung sei ein "absoluter Rohrkrepierer" und schaffe keine schnelle Digitalisierung.
Verkauf der Telekom-Bundesanteile?
Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) besitzt der Bund etwa 33 Prozent der Telekom.
Eine brandaktuelle Studie von DICE Consult im Auftrag des VATM betont den von der Monopolkommission geforderten Verkauf der Bundesanteile an der Telekom. Mit der staatlichen Beteiligung könnten "nicht unerhebliche Gefahren für den Wettbewerb im Telekommunikationsbereich einhergehen" [...], die letztlich Wettbewerbern und Verbrauchern schaden würden.
Die Argumente der Bundesregierung, die staatliche Beteiligung diene zum einen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, die ein "wichtiges Bundesinteresse" voraussetzen, zum anderen böte sie wirksamen Schutz vor ausländischen Direktinvestitionen, seien heute keine validen Argumente mehr, welche eine Bundesbeteiligung ordnungspolitisch rechtfertigen könnten.
BREKO gibt eigene Stellungnahme ab
Entgegen der sonst üblichen Tradition liefert der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) eine eigene Stellungnahme. Geschäftsführer Stephan Albers findet, dass die Nachfrage nach Internetanschlüssen mit hohen Bandbreiten signifikant gestiegen sei, die Geschäftsmodelle der Unternehmen funktionierten. Alleine für die nächsten fünf Jahre stünden mindestens 43 Milliarden Euro für den eigenwirtschaftlichen Ausbau der Glasfasernetze in Deutschland zur Verfügung.
Der BREKO stimmt der Monopolkommission und ihrer Forderung nach einer Beschränkung der staatlichen Breitbandförderung auf Gebiete, die eigenwirtschaftlich nicht ausbaubar sind, zu. Auch die Gutscheine bringt BREKO wieder ins Gespräch. Die Ausbauziele müssten realistisch sein.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Jahrelang ist der Netzausbau in Deutschland verschlafen oder verzögert worden. Erst war kein Geld da, weil die neue Glasfasertechnik teuer war und die Kunden wenig zahlen wollten und die Unternehmen gewinnorientiert rechnen müssen.
Dann ist die Politik wach geworden und hat den sofortigen Netzausbau am liebsten in Gebieten verordnet, wo noch gar nichts funktioniert. Fördergelder sind offenbar vorhanden, aber nur extrem bürokratisch zu bekommen.
Alles eigenwirtschaftlich?
Da neue Investoren ihr Kapital irgendwie verzinsen wollen, trauen sich Glasfaserunternehmen neuerdings auch in die Provinz, um dort "eigenwirtschaftlich" auszubauen. Das Problem ist dort eine völlig fehlende Koordination, was dazu führt, das in einem Ort zwei oder drei Firmen zum Kunden graben und anderswo passiert nix.
Dann gibts es Fälle, wo ein Anbieter bauen will, aber die Kommune oder der Kreis sich für ein "eigenes" Unternehmen entschieden haben und den betroffenen Schulen dann "verbieten", Kabel des unerwünschten Anbieters legen oder nutzen zu lassen.
Eigenwirtschaftlich bauen die Firmen nur da, wo es sich wirklich lohnt. Mit Förderung bauen sie überall, aber Förderung bedeutet zeitraubende Antrags- und Prüfungsverfahren, weil es sicher auch "Spieler" im Markt geben könnte, die mehr am Fördergeld und weniger am ordentlichen Netzausbau interessiert sein könnten. Nun könnte es passieren, dass Fördergelder den Ausbau bremsen, wo ein scharf rechnender Konkurrent auch eigenwirtschaftlich bauen könnte.
Verkauf der letzten Anteile?
Wenn die letzten Staats-Anteile an der Telekom verkauft werden sollen, was beispielsweise die FDP schon länger fordert, wird die Gründung einer "Bundes-Telekom" erforderlich sein, die dann die hoheitlichen Aufgaben übernimmt.
Dass diese "Bundes-Telekom" schnell und wirksam agieren wird oder erst einmal Jahre mit sich selbst beschäftigt sein dürfte, bis sie weiß, wer Chef und wer Ober-Chef wird, sollte klar sein. Die MIG Handy-Netz-Gesellschaft von Herrn Scheuer läuft ja bis heute auch nicht richtig.
Bleibt der Bund weiter an der Deutschen Telekom beteiligt, ist jede strenge Regulierung "schwierig", weil der regulierende Staat dann permanent in einem Interessenskonflikt schwebt. Regulierungen, welche die Gewinne der Telekom drosseln können, würden ja die Rendite schmälern. Bisher ist das irgendwie gut gegangen, vor allen Dingen, weil alle Beteiligten wissen, dass ohne die Telekom im Zweifelsfall nichts läuft. Die Telekom ist aber auch "friedlicher" geworden, weil sie weiß, dass sie ganz alleine das Thema Vollausbau in Deutschland nicht stemmen kann. Die Branche bleibt zur Zusammenarbeit verurteilt.
Und dann bleibt die Frage, ob ein flächendeckendes Telekommunikationsnetz nicht zur Daseinsvorsorge gehört, wie einige zur Wahl stehenden Parteien es verstehen. Dann wird es auch in Zukunft viel Regulierung geben. Eine Vollprivatisierung der Telekommunikation hätte ähnlich unschöne Effekte wie der einstige Verkauf von Wasserwerken durch finanziell klamme Gemeinden, die ihre Netze später wieder zurückgeholt haben. Nach dem Verkauf stiegen die Preise und die Leistungen wurden zugleich schlechter. James-Bond-Film-Fans kennen das Thema aus "Ein Quantum Trost".
Die privaten Anbieter haben ihre Chance dort, wo sie besseren Service und individuellere Angebote für eine Zielgruppe bieten können, die diese Leistungen zu würdigen wissen. Jetzt holterdipolter ein Netz auszurollen, das nach 2-3 Jahren schon kaputt ist (weil beim Bau gemurkst wurde oder weil "mindertiefe Leitungen" vom nächsten Straßenbau zerstört wurden) ist keine gute Lösung.
Sind Sie Influencer? Der Bundesgerichtshof hat jetzt klar gestellt, wann Werbung Werbung ist und wann vielleicht nicht.