Streit

Breitband-Gerangel um den Glasfaser-Ausbau der Telekom

In Deutsch­land warten Millionen Haus­halte sehn­süchtig auf schnelle Glas­faser. Anderswo bauen zwei Unter­nehmen parallel. Die Branche ist sauer auf die Telekom.
Von mit Material von dpa

In Deutsch­land warten Millionen Haus­halte sehn­süchtig auf eine schnelle Glas­faser­ver­bin­dung. Dafür haben manche die Auswahl zwischen zwei (oder mehr) Glas­faser­lei­tungs­anbie­tern vor Ort. Die Wett­bewerber der Deut­schen Telekom werfen dabei dem Magenta-Konzern eine unfaire Ausbau­praxis vor.

Jahre­lang abge­schlagen

Beim Ausbau der Glas­faser­netze lag Deutsch­land im inter­natio­nalen Vergleich jahre­lang abge­schlagen auf den hinteren Plätzen. Nach einer Statistik der OECD vom vergan­genen Sommer sind in Südkorea und Japan, aber auch in Spanien mehr als 80 Prozent der Haus­halte an Glas­faser­lei­tungen ange­schlossen, durch die Daten richtig schnell und mit verläss­licher Band­breite rund um die Uhr fließen. Deutsch­land landete im Ranking der Indus­trie­länder-Orga­nisa­tion mit 8,1 Prozent Anschluss­quote nur auf dem dritt­letzten Platz.

Deutsch­land in Bewe­gung

Doch seit gut einem Jahr ist auch hier­zulande Bewe­gung beim Glas­faser-Ausbau zu beob­achten. So treibt die Telekom, die jahre­lang vor allem auf die Opti­mie­rung von vorhan­denen Kupfer­lei­tungen gesetzt hatte, den Ausbau ihres Fest­netz-Ange­bots mit Glas­faser-Leitungen stark voran. Allein dieses Jahr werde eine Zahl von drei Millionen anschluss­fähigen Haus­halten ange­peilt, sagte Konzern­chef Tim Höttges im Februar. Beim rasanten Ausbau steht aber immer wieder der Vorwurf im Raum, die Telekom plane oder baue Leitungen, obwohl ihr der Zugang zu Leitungen der Konkur­renz zur Verfü­gung stünde.

Doppel­ver­sor­gung

Die Verbände BREKO, Buglas, VATM und VKU haben eine Landkarte erstellt, wo die Telekom nach ihrer Ansicht überbaut oder es plant. Die Verbände BREKO, Buglas, VATM und VKU haben eine Landkarte erstellt, wo die Telekom nach ihrer Ansicht überbaut oder es plant.
Quelle: BREKO, BUGLAS, VATM, VKU
So sind inzwi­schen etwa die Bewohner im bran­den­bur­gischen Glie­nicke gleich doppelt versorgt. Neben dem lokalen Anbieter DNS:NET hat auch die Telekom eigene Glas­faser­lei­tungen verlegen lassen. Was sich im nörd­lichen Berliner Speck­gürtel viel­leicht noch für alle Betei­ligten rechnet, könnte in anderen Regionen die Wirt­schaft­lich­keits­rech­nungen der Wett­bewerber der Deut­schen Telekom über den Haufen werfen.

Streit­fall Gablingen

Bundes­weit Schlag­zeilen machte die schwä­bische Gemeinde Gablingen. Dort hatte die Telekom ursprüng­lich geplant, erst im Jahr 2025 schnelle Glas­faser­lei­tungen zu verlegen. Doch nachdem der Wett­bewerber Deut­sche Glas­faser seine Kabel verlegt hatte, änderte die Telekom ihre Pläne und begann, eigene Glas­faser­kabel zu verbauen.

Die Konkur­renten der Telekom haben sich nun über ihre Bran­chen­ver­bände in einem Brand­brief an Digi­tal­minister Volker Wissing (FDP) gewandt und vor den Folgen eines unko­ordi­nierten Glas­faser­aus­baus in Deutsch­land gewarnt. In dem Schreiben werfen die Breit­band-Verbände Anga, Breko, Buglas und VATM sowie der Verband Kommu­naler Unter­nehmen (VKU) der Telekom vor, durch „stra­tegi­sche Manöver“ den Glas­faser­ausbau auszu­bremsen und damit die Breit­band-Ausbau­ziele der Bundes­regie­rung zu gefährden.

Der Vorwurf: Telekom verun­sichere Kunden

Wo die Telekom den Glasfaserausbau ankündigt, kommt die Konkurrenz ins Schwitzen und hat sich beim Minister beschwert. Wo die Telekom den Glasfaserausbau ankündigt, kommt die Konkurrenz ins Schwitzen und hat sich beim Minister beschwert.
Foto: Picture alliance/dpa
Die Verbände monieren, die Telekom mache vorhan­denen Glas­faser­netzen von Wett­bewerbs­unter­nehmen mit eigenen Leitungen Konkur­renz oder verun­sichere mit vagen Ausbau­ankün­digungen Anwohner. Betroffen vom Vorgehen der Telekom seien auch Netze von Telekom-Konkur­renten, die seit geraumer Zeit in Planung seien. Mit dem Vorgehen zerstöre die Telekom Geschäfts­pläne der ausbau­enden Unter­nehmen und verei­tele deren Ausbau­akti­vitäten, heißt es in dem Brief. „Zurück bleiben Kommunen, die am Ende oft nur teil­weise von der Telekom ausge­baut werden, und Bürge­rinnen und Bürger ganz ohne Glas­faser­anschluss“. Dies betreffe nach dem derzei­tigen Stand der Unter­suchungen mehr als die Hälfte der Post­leit­zahlen-Regionen Deutsch­lands.

Telekom weist Vorwürfe zurück

Telekom-Manager Thilo Höllen, der für die Breit­band­koope­rationen des Konzerns zuständig ist, weist diese Vorwürfe stets zurück. Der so genannte Überbau mache nur einen Bruch­teil des Netz­aus­baus in Deutsch­land aus, schrieb Höllen in einem Gast­bei­trag des Bran­chen­dienstes Tages­spiegel Back­ground. Im Jahr 2022 habe der Überbau bei der Telekom bei unter einem Prozent gelegen. Mit dem Wett­bewerb beim Glas­faser­ausbau stelle man sicher, dass man in einigen Jahren nicht über - lokale - Mono­pole mit ihren Nach­teilen disku­tieren müsse: „Schlech­tere Qualität zu höheren Preisen“.

"Unfaires markt­beherr­schendes" Unter­nehmen?

Die Telekom-Wett­bewerber beklagen sich über ein unfaires Agieren eines markt­beherr­schenden Unter­neh­mens. Durch Ankün­digung oder den tatsäch­lichen punk­tuellen Ausbau nur in beson­ders lukra­tiven Gebieten würden Inves­titions- und Ausbau­pläne von Wett­bewer­bern für die Versor­gung ganzer Kommunen im Rahmen einer Misch­kal­kula­tion unren­tabel. Sie fordern die Bundes­regie­rung als Groß­aktio­närin der Deut­schen Telekom auf, ihren 30-prozen­tigen Anteil am ehema­ligen Staats­unter­nehmen in die Waag­schale zu werfen und das Telekom-Manage­ment zum Kurs­wechsel beim Glas­faser-Überbau zu bewegen.

In dem Brief an Wissing fordern die Verbände den Minister auf, das Problem gemeinsam mit der Tele­kom­muni­kations-Branche, der Bundes­netz­agentur und dem Kartellamt anzu­gehen.

Die Gele­gen­heit dazu wird sich bald ergeben: Das Digi­tal­minis­terium hat nach Angaben eines Spre­chers das Bera­tungs­unter­nehmen WIK-Consult aus Bad Honnef beauf­tragt, den umstrit­tenen Doppel­ausbau unter die Lupe zu nehmen. Dabei sollen konkrete Überbau-Beispiele unter­sucht und einge­ordnet werden. Die Ergeb­nisse würden voraus­sicht­lich Mitte Mai mit dem Minis­terium und den Betei­ligten, darunter Vertre­tern der Branche, der Bundes­netz­agentur sowie der öffent­lichen Hand, bei einem gemein­samen Termin präsen­tiert und disku­tiert.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die Menschen möchten möglichst schnell flächen­deckende Glas­faser.

Die Politik möchte sich möglichst wenig einmi­schen und die Wirt­schaft "eigen­wirt­schaft­lich" ausbauen lassen.

Wenn es aber nicht rentabel ist, möchten die Firmen Zuschüsse haben und außerdem verlangen sie, dass alle Konkur­renten aus ihren Ausbau­gebieten fern­bleiben oder zu frei verhan­del­baren Preisen die fertige Infra­struktur (also beleuch­tete Glas­faser mit Bitstream) mieten.

Die Telekom hat wenig Lust, in jedem Ort mit unzäh­ligen Mini-Anbie­tern alles neu aufzu­drö­seln und frisch zu verhan­deln. Auch der Quali­täts­anspruch der Telekom bleibt bei manchen Anbieter leider auf der Strecke. Unzäh­lige Beschwerden in Nutzer­foren oder den Leser­brief­spalten der örtli­chen Tages­zei­tungen spre­chen eine deut­liche Sprache.

Eine bundes­weite Ausschrei­bung mit klaren Ausbau­zielen wollte die Politik nicht.

Ist doch klar: Wo die Telekom über den Ausbau nur einmal laut nach­denkt, bleiben die Kunden bei der Telekom, weil sie die schon kennen. Die private Konkur­renz kann dagegen nur eines tun: Vorbild­liche Qualität und guten Kunden­ser­vice bieten. Eins dürfte klar sein: Es werden noch weitere Mini-Anbieter vom Markt verschwinden oder sich mit größeren Unter­nehmen zusam­men­schließen müssen.

Die Inter­essen­ver­bände sollten sich schleu­nigst mit der Telekom und der Bundes­netz­agentur an einen Tisch setzen und verbind­liche Stan­dards in Sachen Technik, Service-Qualität oder Entstö­rung fest­legen. Vermut­lich wird dabei auch das Thema Preise eine Rolle spielen, auch wenn das dem Kartellamt "unheim­lich" sein dürfte. Notfalls müsste die Bundes­netz­agentur auch den Glas­faser­bereich regeln, insbe­son­dere, wenn in abseh­barer Zeit die ersten Kupfer­netze ausge­knipst werden.

VATM und BREKO hatten an der neuen Glas­faser­för­derung deut­liche Kritik geübt.

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