Themenspezial: Verbraucher & Service Abgemahnt

Hintergrund: Wie funktioniert die Porno-Überwachungs-Software? (Update)

Mit Hilfe der Software GLADII 1.1.3 sollen die IP-Adres­sen unzähliger Nutzer ermit­telt worden sein, die auf dem Portal Redtube einen urheber­recht­lich geschützten Porno-Film an­gesehen haben. Doch ist das nur mit Hilfe einer Soft­ware möglich oder wurden im großen Stil IP-Adressen gestohlen bzw. heraus­gegeben?
Von /

Hintergrund: Wie funktioniert die Porno-Überwachungs-Software? Hintergrund: Wie funktioniert die Porno-Überwachungs-Software?
Bild: dpa
Die Funktionsweise der Software GLADII 1.1.3, die auf dem Portal Redtube.com die IP-Adressen unzähliger Nutzer ermittelt haben soll, ist nach wie vor ungeklärt. Was Betroffene, die eine Abmahnung erhalten haben, beachten müssen, haben wir in dieser Meldung zusammengefasst. Beobachtern des Falls drängt sich eher die Frage auf, ob vielleicht im großen Stil IP-Adressen gestohlen bzw. herausgegeben worden sind. Denn eine Überwachungssoftware kann zwar herausfinden, auf welchen Portalen im Internet sich illegale Kopien eines Inhalts befinden. Sie kann aber keine Rückschlüsse darauf ziehen, welche Nutzer sich diesen Inhalt angeschaut oder heruntergeladen haben. Letzteres kann nur der Betreiber der Seite selbst.

Technische Erläuterungen des abmahnenden Anwalts umstritten

Hintergrund: Wie funktioniert die Porno-Überwachungs-Software? Hintergrund: Wie funktioniert die Porno-Überwachungs-Software?
Bild: dpa
In seinem Antrag auf Herausgabe der IP-Adressen der Nutzer, die auf Redtube den urheberrechtlich geschützten Film angesehen haben sollen, ist folgendes zu lesen: "Das von dem Antragsteller beauftragte Unternehmen itGuards, Inc., überwacht mit der Software GLADII 1.1.3, ob im Internet auf sogenannten Download-Portalen für Filme solcher Portale ohne Zustimmung der Rechteinhaber geschützte Filmdateien zum Herunterladen anbieten und damit Rechte der Filmhersteller bzw. deren Lizenznehmer verletzen. Protokolliert wird dabei die IP-Adresse des Nutzers, welcher den Download-Link auf dem Portal betätigt, sowie der Zeitpunkt, ab dem die Datei abgerufen wird.

Die Vorgehensweise der Software beruht auf üblichen und gebräuchlichen Internet-Technologien, die von der Kanzlei Diehl & Partner in dem Gutachten vom 22. März 2013 untersucht und die Funktionsfähigkeit und Richtigkeit der Erfassung bestätigt wurden. Die Erfassungsgenauigkeit ist unabhängig von der Verwendung des vom Nutzer eingesetzten Internetbrowsers

Dateien bzw. Dateibündel werden eindeutig durch eigene URL, mithin eine einzigartige Rescourcenverweisung (Link) identifiziert. Für jeden dieser Links existiert ein einzigartiger, sogenannter Hash-Wert, der mit dem digitalen Fingerabdruck einer Datei oder eines Links vergleichbar ist und diesen unverwechselbar macht. [...] Nach dem Sammeln dieser Daten zu den einzelnen urheberrechtlich geschützten Werken, werden diese zur Probe heruntergeladen. Diese Dateien werden dann mittels manueller Hör- und Sichtprobe daraufhin überprüft, ob sie tatsächlich urheberrechtlich geschütztes Material enthalten. [...] Sobald der Abgleich erfolgreich abgeschlossen wurde, beginnt das System, bei den Netzwerkteilnehmern die zur eindeutigen Identifizierung relevanten Daten, wie IP-Adresse samt genauem Zeitpunkt, welche von offiziellen Zeitdiensten erfragt wird, Werkname und Hash-Wert zu protokollieren."

Einschätzung: Auf welchem Weg kann die Nutzer-IP tatsächlich ermittelt worden sein?

Kritisch zu betrachten ist insbesondere der folgende Satz des Dokuments: "Protokolliert wird dabei die IP-Adresse des Nutzers, welcher den Download-Link auf dem Portal betätigt, sowie der Zeitpunkt, ab dem die Datei abgerufen wird." Wie gesagt: Eine externe Überwachungssoftware, die die "sogenannten Download- Portale überwacht" kann normalerweise unter keinen Umständen herausfinden, welche Nutzer darauf klicken. Sie kann ermitteln, welche Portale welchen Film zeigen, aber sie kennt den Nutzer nicht. Alles andere wäre - zumindest in Deutschland - ein schwerer Verstoß gegen das Datenschutzgesetz.

Denkbare sind folgende Wege, wie die Abmahner an die IP-Adressen gelangt sein können: Gegebenenfalls haben sie das Download-Portal Redtube auf Herausgabe der IPs der Downloader eines bestimmten Films verklagt und diese erhalten. Eine andere Möglichkeit wäre, dass sie das Internet an einem Übergabepunkt überwacht und dort die Download-Requests mitgeschnitten haben. Eher wahrscheinlich ist, dass sie die URLs bei Dritten mitgeschnitten haben, beispielsweise bei Werbenetzwerken, die Redtube einbindet. Nicht zu unterschätzen ist auch die Variante, dass die Abmahner gar nichts wissen, einfach geraten haben und "ins Blaue hinein" mahnen - in der Hoffnung, dass die Nutzer zahlen. Im übrigen treten momentan verstärkt unbeteiligte Trittbrettfahrer auf, die an ahnungslose Internet-Nutzer, die mit dem Fall gar nichts zu tun haben, als Abmahnung getarnte Phishing-Mails mit Anhängen verschicken. Dies zeigt sich darin, dass der vermeintliche Rechtsverstoß auf einen späteren Zeitpunkt datiert ist, der nach dem Versand der E-Mail liegt. Empfänger solcher Mails sollten diese ungesehen löschen, nicht darauf antworten und keinesfalls die Anhänge anklicken oder öffnen.

Legal oder nicht - das sind die Schlussfolgerungen

Egal, was tatsächlich hinter den Kulissen stattgefunden hat: Die erste Variante (Redtube hat Daten freiwillig oder unfreiwillig herausgegeben) wäre möglicherweise Prozessbetrug, denn die Aussage im Antrag des abmahnenden Anwalts geht ja dahin, dass alle Daten per externen Software ermittelt wurden. Die Überwachung des Internets an einem Übergabepunkt wäre unter Umständen ein Verstoß gegen das Tk-Geheimnis. Ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen wäre der URL-Mitschnitt über Dritte gegebenenfalls nur, wenn sich Redtube gegenüber Werbenetzwerken nicht die Anonymität zusichern hat lassen. In diesem Fall könnte das Verhalten möglicherweise nach dem jeweiligem Landesrecht legal sein. Dass eine Abmahnung ins Blaue ohne Überwachung und klare Beweise einen Betrug darstellt, dürfte von Rechtsexperten nicht so schwer einzuschätzen sein.

Wir haben bei der Kanzlei Diehl & Partner angefragt und um das Gutachten vom 22. März 2013 gebeten, um genauer feststellen zu können, wie die Software technisch funktioniert. Bislang haben wir noch keine Antwort erhalten. Die neuesten Einschätzungen von Rechtsexperten haben wir zusammengefasst in der Meldung: Anwalt: Abmahnungen im Fall des Porno-Portals Redtube unwirksam.

Update 11. Dezember, 11:45 Uhr: Ein Vertreter der Kanzlei Diehl & Partner teilte uns heute mit: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass es uns aus rechtlichen Gründen nicht gestattet ist, Dritten Auskünfte zu einem für einen Mandanten erstellten Gutachten zu erteilen." Ende des Updates.

Mehr zum Thema Abmahnung