Entscheidungsmaschine?

Ein erster Blick auf Bing: Schon wieder kein Google-Killer

Live-Search-Nachfolger wirkt gut, aber das wird nicht reichen
Von Ralf Trautmann

Der Live-Search-Nachfolger Bing soll für Microsoft, allseits bekannt als Software-Gigant, aber mit Nachholbedarf im Internet-Segment, der große Wurf in der Online-Welt werden: Es handele sich hier nicht um eine neue Suchmaschine, sondern eine Entscheidungsmaschine, lies der Konzern verlauten. Wir haben uns den Neuling angesehen, der mit dem Anspruch auftritt, künftig das "googlen" durch das "bingen" abzulösen.

Wer Bing aufruft, wird im Hintergrund mit einer malerischen Landschaft begrüßt, die täglich wechseln soll. Das ist schick, aber natürlich für die Bestimmung der Qualität einer Suchmaschine völlig irrelevant. Denkt sich der Nutzer das Bild einfach mal weg, bleibt eine sehr Google-ähnliche Oberfläche (wie auch schon beim Vorgänger oder eben auch bei der Yahoo-Suche, wenn man hier einmal von dem mächtigen Portal "drumherum" absieht): ein Eingabefeld, darüber die verschiedenen Spezialsuchen (Bilder, Videos, News etc.) als Link platziert und bei der klassischen Suche die Möglichkeit, nur deutsche Ergebnisse zuzulassen. Bing Maps: Potsdamer Platz in 3D

Wer dann einen Begriff eingibt, ist möglicherweise (zu) schnell enttäuscht: Die Ergebnisse bzw. die Ergebnisseite sehen sehr nach Live-Search aus, und das ist offenbar kein Zufall: In der hierzulande online gegangenen Bing-Beta-Variante erhält der Nutzer tatsächlich die alte Live-Search im neuen optischen Gewand. Immerhin gibt es aber auch schon hier einen ersten Eindruck von neuen Bing-Fertigkeiten: Nach Eingabe eines Suchbegriffes, egal ob klassische Begriffssuche, ob Bilder oder Videosuche, erscheint zusätzlich auf der linken Seite jeweils eine Optionsleiste, die je nach Art der Suche weitere Möglichkeiten zur Eingrenzung erhält: Bei Bildern zum Beispiel nach der Größe, bei Videos nach der Länge, oder bei der klassischen Suche zum Beispiel verwandte Suchbegriffe und die vergangenen Suchen des Nutzers.

Das sind nette Features, die Google zum Teil auch beherrscht, aber in speziellen Einstellungen-Menüs oder gar in den Google Labs unterbringt, so dass Bing hier mit etwas gutem Willen zumindest als komfortabler bezeichnet werden kann. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass manche Optionen auch schon in der Live-Search implementiert waren, die aber in der Praxis wohl die wenigsten Nutzer gesehen haben.

Bing: In Deutschland Beta, in den USA "preview"

So weit, so gut: Die deutsche Variante ist also "Beta", sprich, noch nicht am Ende ihrer Fähigkeiten. Ein Wechsel auf die US-amerikanische Variante offenbart dagegen, dass diese "preview" ist, was immer das bezüglich des Entwicklungspotenzials bedeutend mag. Die Suchergebnisse hier sehen zumindest immer noch nach Live-Search aus, offenbaren aber wenigstens ein weiteres, neues Feature: Rechts neben dem jeweiligen Ergebnis kann durch eine Mausbewegung eine Info-Box geöffnet werden, die wie eine Art Vorschau Text aus der jeweiligen Internet-Seite extrahiert und ausgibt. In einem Versuch erwiesen sich die Ergebnisse je nach Seite als mal mehr, mal weniger brauchbar. Bing News:
Mit Videos

Hinsichtlich der Qualität der Suche-Ergebnisse lässt sich nach so kurzer Zeit dagegen wenig sagen: Auf unsere (statistisch natürlich nicht signifikante Zahl von) Testeingaben lieferte Bing in der US-amerikanischen Variante sinnvolle Ergebnisseiten, wobei auch für deutsche Suchwörter nutzbare Informationen erhältlich waren (im Gegensatz zum Beispiel zu Cuil, das bis heute bezüglich deutschsprachiger Begriffe so seine Relevanz-Probleme hat). Das hier an der ein oder anderen Stelle noch Optimierungsbedarf besteht und die Google-Treffer aktuell "relevanter" erscheinen, kann man Microsoft nach so kurzer Zeit nicht vorwerfen. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, wie sich die Ergebnisse bewähren und wo Microsoft nachjustiert.

Doch wo kann Bing dann punkten? Die Besonderheiten liegen offensichtlich im Detail: So kann die Maps-Funktion von Bing zum Beispiel mit sehr schnellen Satelliten-Aufnahmen in 3D aufwarten, gefühlt bedeutend schneller als bei Google. Wer ein Video sucht, findet eine komfortable Vorschau-Funktion: Mit deutschen Adresseingaben kommt die Maps-Funktion aktuell noch nicht klar, trotzdem lassen sich auch Städte hierzulande betrachten.

Weitere, ausgewählte Bing-Features: Wird der Mauszeiger über einem Video-Ergebnis positioniert, startet dieses automatisch als Miniatur-Ansicht. In die Bing-News-Sektion werden auch passende Videos integriert, sie ist allerdings im Gegensatz zu "Google News" sehr spartanisch gehalten. Unter dem Menüpunkt "Travel" der US-amerikanischen Bing-Variante findet sich dagegen eine Suchfunktion für Flüge und für Hotels, die nach Eingabe der gewünschten Daten dann aus einigen vorgegebenen Suchmaschinen günstige Angebote für ein Stadt etc. heraussucht. Hier gilt alles in allem aber trotzdem: Reisen ist schön, aber für eine Suchmaschine eine Nischenanwendung.

Bing: Doch nur eine Suchmaschine

Schon nach dem ersten Eindruck stellt sich die Frage, warum Nutzer von Google zugunsten von Bing Abstand nehmen sollten. Wer Google-Funktionalität sucht, kann gleich beim Original bleiben, und das haben die Nutzer in der Vergangenheit ja auch gemacht. Auf jeden Fall gilt: Wer hinter dem großspurigen Wort "Entscheidungsmaschine" etwas revolutionär Neues erwartet, dürfte sehr enttäuscht werden. Pluspunkte könnte Bing in der Tat mit im Schnitt "besseren" Suchergebnissen sammeln (was sich noch zeigen muss), wobei allerdings zum einen die Google-Ergebnisse ja in aller Regel nicht schlecht sind und dies zweitens auch bekanntlich noch nicht zwangsläufig die Popularität einer Suchmaschine erhöht: So mancher Google-Konkurrent, der etwas auf dem Kasten hat, ist nie über den Geheimtipp hinausgekommen.

Abhilfe könnte natürlich in diesem Fall Microsofts im Vergleich zur Konkurrenz ungleich größerer Werbeetat schaffen. Sollte die Image-Kampagne allerdings nicht fruchten, dürfte Bing wie die Live-Search ein Nischendasein bei wenigen Prozent Marktanteil fristen (die es böswilligen Gerüchten zufolge vor allem über die Internet-Explorer-Voreinstellungen holt).

Weitere Artikel zum Thema "Suchmaschinen"