Bis 2030: Gigabit-Anschluss für jeden Haushalt in der EU (Update)
In Sachen Internet hat die EU-Kommission sich bis 2030 viel vorgenommen - etwa eine bessere Netzabdeckung, Online-Behördengänge für alle und mehr Know-How. Vor allem zwei Dinge machen ihr nach einer Bestandsaufnahme nun Sorgen. Wie steht Deutschland im Vergleich da?
200 Milliarden gebraucht
EU-Kommissar Thierry Breton (ehemaliger Chef von France Telecom/Orange) weiß, wovon er spricht: Es braucht schnelles Internet in der ganzen EU
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Für Internetsurfen in Gigabit-Geschwindigkeit in der gesamten EU werden nach Angaben der Europäischen Kommission zusätzliche Investitionen von bis zu 200 Milliarden Euro gebraucht. Das Geld sei auch notwendig für eine Abdeckung mit dem Mobilfunkstandard 5G in allen besiedelten Gebieten, wie aus einem heute vorgestellten Bericht der Brüsseler Behörde zum Stand der digitalen Transformation hervorgeht.
Deutschland muss mehr tun
Sowohl beim Festnetz als auch beim Mobilfunk sehen die EU-Fachleute noch Defizite: Deutschland muss aus Sicht der EU-Kommission beim Ausbau der digitalen Infrastruktur mehr tun. Der reine Glasfaser-Anteil beim Festnetz liegt in der Bundesrepublik mit 19 Prozent wesentlich niedriger als im EU-Schnitt (56 Prozent).
Deutschland sollte seine Anstrengungen in Sachen „Glasfaser in die Gebäude“ verstärken, betonen die Autoren. „Es ist wichtig, dass Deutschland Hindernisse beseitigt und Investitionen in Hochleistungsnetzwerke verstärkt.“
Jahrelang nur VDSL
In Deutschland wurde für Internetverbindungen zuhause jahrzehntelang vor allem auf Telefonkabel (VDSL) gesetzt, das nur relativ langsame und schwankungsanfällige Datenübertragungen ermöglichte. Je stärker der Datenbedarf im Internetzeitalter stieg, desto mehr kam VDSL aus der Mode. Auch Fernsehkabel spielten bei der Internetnutzung eine wichtige Rolle. In Sachen Glasfaser war Deutschland ein Spätstarter, erst seit wenigen Jahren werden Milliarden investiert.
Milliarden-Investitionen für Gigabit-Tempo nötig
Auch EU-weit müssen die Netze aber ausgebaut werden, so die Experten. Damit in der ganzen EU in Gigabit-Geschwindigkeit gesurft werden kann, werden den Angaben nach zusätzliche Investitionen in Höhe von mindestens 200 Milliarden Euro gebraucht. Dieses Geld sei auch notwendig für eine Abdeckung mit 5G in allen besiedelten Gebieten. Bis 2030 sollen nach Zielen der Kommission in der EU alle Haushalte Internet in Gigabitgeschwindigkeit haben können, in besiedelten Räumen soll eine Netzabdeckung mit 5G gewährleistet sein. Daneben sollen etwa auch bis Ende des Jahrzehnts alle Bürger wichtige Behördengänge online erledigen können. Weiterhin sollen dann 20 Millionen Computer-Fachleute in der EU arbeiten, und mindestens 20 Prozent der weltweiten Produktion von Halbleitern sollen hier angesiedelt sein.
Deutschland hat ungenutztes digitales Potenzial
Deutschland verfüge über ein ungenutztes digitales Potenzial, um mehr zu den Bemühungen zum Erreichen der Ziele beizutragen, so die Kommission. Die Abdeckung mit Gigabit-Anschlüssen, insbesondere bei Glasfaser, sei beispielsweise noch unbefriedigend. Erhebliche Lücken bestünden bei öffentlichen Dienstleistungen.
9 Prozent ohne Festnetz
Sowohl beim Festnetz als auch beim Mobilfunk sehen die Fachleute noch Defizite: Derzeit erreichen den Angaben zufolge Glasfasernetze nur 56 Prozent der Haushalte. 55 Prozent der EU-Haushalte auf dem Land seien immer noch nicht an ein fortschrittliches Netz angebunden und 9 Prozent gar nicht mit Festnetz versorgt.
51-81 Prozent der Bevölkerung könnte 5G empfangen
81 Prozent der Bevölkerung in der EU seien mit dem Mobilfunkstandard 5G abgedeckt - in ländlichen Gegenden allerdings nur 51 Prozent. Bei den 5G-Handynetzen schneidet Deutschland im Vergleich relativ gut ab: Jeder der drei hierzulande tätigen Netzbetreiber erreicht mit seinen Antennen nach eigenen Angaben mehr als 90 Prozent der deutschen Haushalte. Bis 2030 sollen in der EU alle Haushalte Internet in Gigabitgeschwindigkeit haben, in besiedelten Räumen soll eine Netzabdeckung mit 5G gewährleistet sein. Diese Ziele hatte sich die Kommission 2021 mit der sogenannten digitalen Dekade gesetzt. So sollen etwa auch bis Ende des Jahrzehnts alle Bürger wichtige Behördengänge online erledigen können. Die digitalen Grundkenntnisse sollen bei mindestens 80 Prozent der 16- bis 74-Jährigen verbessert werden. Zudem sollen 2030 20 Millionen Computer-Fachleute in der EU arbeiten, und mindestens 20 Prozent der weltweiten Produktion von Halbleitern sollen hier angesiedelt sein.
Viele Menschen ohne digitales KnowHow
Gerade in Sachen digitales Know-How sieht es derzeit eng aus. Wie aus dem Bericht hervorgeht, werden bis 2030 unter den derzeitigen Bedingungen nur 59 Prozent der EU-Bevölkerung zumindest über digitale Grundkenntnisse verfügen. Die Zahl der IT-Kräfte dürfte im Jahre 2030 zwölf Millionen nicht übersteigen, hieß es.
Stark fehlende Grundkenntnisse in Deutschland
Bei den digitalen Grundkenntnissen der Bevölkerung liegt Deutschland den Angaben nach mit 49 Prozent weiterhin unter dem EU-Schnitt (54 Prozent).
Der Anteil der Computer-Spezialisten an der Gesamtbeschäftigung (5 Prozent) liege aber etwas über dem Durchschnitt (4,6 Prozent). Die künftigen Wachstumsaussichten in diesem Bereich würden jedoch durch hohe Studienabbrecherquoten in den entsprechenden Fächern beeinträchtigt, hieß es.
Deutschland sollte die Aus- und Weiterbildung im Bereich der digitalen Kompetenzen ausbauen, so die Experten - etwa Kurse auf allen Ebenen und in allen Disziplinen für die gesamte Bevölkerung entwickeln. Erhebliche Lücken sehen die Experten darüber hinaus bei öffentlichen Dienstleistungen in Deutschlands.
Digitalministerium: Bericht ist ein Ansporn
Das Bundesdigitalministerium nehme den Bericht als Ansporn, die Anstrengungen zur beschleunigten Digitalisierung konsequent fortzuführen und zur europäische Spitze aufzuschließen, so ein Sprecher. „Betrachtet man die jüngsten Fortschritte, schreitet die digitale Transformation in Deutschland in allen Dimensionen stetig voran.“ Insbesondere beim Glasfaserausbau sei die Dynamik hoch und man sei zuversichtlich, bis 2030 jeden Haushalt zu versorgen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die Bundesregierung, vor allen Dingen Bundesfinanzminister Christian Lindner, möchte gerne eine schwarze Null im Haushalt und spart an allen Orten. Wenn die Digitalisierung etwas werden soll, wäre es angebracht, sich den "Inflation Reduction Act (IRA)" der USA mal näher anzuschauen. Hier wird massiv alles gefördert, was der Wirtschaft und Gesellschaft nutzt.
Lindner sollte schnellstmöglich einen Fördertopf für einen flächendeckenden Internet- und Mobilfunk-Ausbau einrichten und gemeinsam mit seinem Digitalminister Wissing die Digitalisierung von Gesellschaft und Verwaltung spürbar voranbringen. Dazu wird sehr viel Geld.
Verpflichtender Unterricht mit Prüfung und Urkunde / Benotung über die Nutzung von digitalen Medien wäre für alle Altersklassen vom Kindergartenkind bis zum fortgeschrittenen Senior ein weiterer Aspekt.
Mit "Sparen - Sparen - Sparen" wird nur der allgemeine Frustfaktor verstärkt und nichts bewegt. Es fehlt der berühmte "Ruck" in der Gesellschaft, dass Digitalisierung nichts Schlimmes ist, sondern echte Vorteile hat und die Probleme, beispielsweise in der Umwelt und im Verkehr, lösen kann. Da gehören dann neben Glasfaserleitungen und Sendemasten in den Orten auch gut ausgebaute Eisenbahnstrecken dazu.
Was gut ausgebaute Netze vermögen, sieht man z.B. auf dem Oktoberfest in München.