Aufregung

Aufregung bei KPN: Hat Huawei gelauscht?

Große Aufre­gung in den Nieder­landen: Das Netz von KPN enthält viele Kompo­nenten von Huawei und wurde auch vom Hersteller betreut. Was hat Huawei mit dem Admin-Zugang gemacht und was nicht?
Von

Beim holländischen Netzbetreibers kpn wurde viel Technik von Huawei installiert. Was konnte Huawei im Netz mithören oder lesen? Beim holländischen Netzbetreibers kpn wurde viel Technik von Huawei installiert. Was konnte Huawei im Netz mithören oder lesen?
Foto: Picture-Alliance / dpa
In den Nieder­landen herrscht aktuell große Aufre­gung. Auslöser ist einem Bericht der "Tages­zei­tung "De Volks­krant" (zu deutsch "Die Volks­zei­tung"). Sie berichtet, dass im Jahre 2010 der chine­sische Netz­werk­aus­rüster Huawei Zugang zum "Kern des Netz­werks" von KPN gehabt habe. Ein vertrau­licher Bericht habe enthüllt, dass Huawei dadurch in der Lage war, die Anrufe der Kunden abzu­hören und ihre Rufnum­mern mitzu­lesen. Der dama­lige hollän­dische Minis­ter­prä­sident Balken­ende und seine Minister tele­fonierten über den Provider KPN, dem Nach­folger der ehema­ligen staat­lichen PTT (Post Telefon Tele­graph).

KPN bestellte Geheim­bericht

Beim holländischen Netzbetreibers kpn wurde viel Technik von Huawei installiert. Was konnte Huawei im Netz mithören oder lesen? Beim holländischen Netzbetreibers kpn wurde viel Technik von Huawei installiert. Was konnte Huawei im Netz mithören oder lesen?
Foto: Picture-Alliance / dpa
Der "Geheim­bericht", der dem "De Volks­krant" vorliegt, war von KPN in Auftrag gegeben und vom Bera­tungs­unter­nehmen Capge­mini erstellt worden. KPN hatte bereits eine Menge an Huawei-Technik instal­liert und wollte weitere dazu kaufen. Deshalb wurde eine Risi­koana­lyse durch­geführt.

Die Berater von Capge­mini fanden heraus, dass Huawei "unau­tori­sierten Zugang" zum Netz­werk gehabt habe und Gespräche abhören konnte. Auf einem Server der Firma hätte sich eine Liste von Nummern befunden, die für die Sicher­heits­dienste abge­hört werden sollten ("legal inter­cep­tion").

Legalen Admin-Zugang zum Netz

Huawei verwal­tete damals einen wich­tigen Teil des KPN-Netz­werks und hatte daher auch Admin-Zugang zum Netz. Es gab Verein­barungen, dass dies nur mit Erlaubnis geschehen durfte. Dem Bericht zufolge hätten sich die Chinesen nicht daran gehalten.

KPN wiegelt ab: "Kein Liefe­rant hat 'unbe­fugten, unkon­trol­lierten und unbe­grenzten' Zugang zu unseren Netz­werken und Systemen oder ist in der Lage, KPN-Kunden zu belau­schen oder Abhör­infor­mationen einzu­sehen." Und weiter: "In all den Jahren haben wir noch nie beob­achtet, dass Kunden­daten aus unseren Netz­werken oder Kunden­sys­temen von Huawei gestohlen oder abge­hört wurden. Wäre dies der Fall gewesen, hätten wir sicher­lich die zustän­digen Behörden und unsere Kunden darüber infor­miert und Maßnahmen gegen­über dem Liefe­ranten ergriffen."

Im Zuge von Service-Arbeiten war es möglich, dass die Tech­niker zu Quali­täts­siche­rungs­zwe­cken alle Gespräche kurz mithören konnten. Das Mithören eines ganzen Gesprächs war nicht erlaubt, sei aber laut Bericht möglich gewesen.

Zugang zu sensi­blen Infor­mationen?

Damit hätte Huawei auch an sehr sensible Infor­mationen gelangen können: Tele­fonate des Premier­minis­ters und seiner Minister. Alle Minister des Kabi­netts verwen­deten damals SIM-Karten und Verträge bei KPN. Mehrere ehema­lige Minister sagten gegen­über der Zeitung, sie seien nie über die Gefahr infor­miert worden.

Aus dem Bericht geht aller­dings nicht hervor, wie oft Huawei Gespräche abhörte, sondern nur, dass es tech­nisch möglich war. Es wurde nicht aufge­zeichnet, wenn jemand mit Berech­tigung ein Gespräch mithörte und Huawei hatte damals den Auftrag, die System zu warten und zu beauf­sich­tigen.

Huawei demen­tiert Daten­extrak­tion

Huawei erklärte gegen­über der Zeitung, den Geheim­bericht nicht zu kennen. "Die Mitar­beiter von Huawei hatten weder unbe­fugten Zugriff auf das Netz­werk und die Daten von KPN, noch haben sie Daten aus diesem Netz­werk extra­hiert. Huawei hat zu jeder Zeit mit der ausdrück­lichen Geneh­migung von KPN gear­beitet."

Wie De Volks­krant weiter berichtet, habe Huawei immer noch den Auftrag zum Kern-Netz­manage­ment von KPN. Deshalb haben Mitar­beiter von Huawei auch "Admi­nis­tra­tor­rechte" im Netz­werk von KPN, erfuhr die Zeitung von Quellen bei KPN.

Wurde der Netz­betrieb ausge­lagert?

KPN teilte mit, dass ein neues Sicher­heits­kon­zept ausge­arbeitet und umge­setzt wurde. KPN betonte, dass das Manage­ment des Kern-Netz­werks, nicht ausge­lagert sei. KPN mache - bis zum heutigen Tag - diese Wartung selbst, mit Unter­stüt­zung von Experten von mehren Unter­nehmen.

Dem wider­spre­chen aber mehrere KPN-Insider: "Das Manage­ment des 4G-Mobil­funk­netzes wurde an Huawei ausge­lagert". Und weiter: "Huawei-Mitar­beiter haben Admi­nis­tra­tor­rechte im Netz­werk von KPN." Insbe­son­dere sei das Mobil­funk­netz immer noch "outge­sourced" (ausge­lagert).

Huawei ist ein wich­tiger Liefe­rant

Huawei sei nach wie vor ein wich­tiger Liefe­rant für KPN, so die Zeitung. Die Kompo­nenten des Kern­netz­werkes stammen von dem chine­sischen Unter­nehmen und auch die neuen, intel­ligen­teren 5G-Funk­antennen wurden von Huawei gelie­fert. Für die Zeitung ist somit klar: Das Mobil­funk­netz von KPN werde fast voll­ständig mit Geräten des chine­sischen Unter­neh­mens betrieben.

Das sei auch nicht verwun­der­lich: Huawei liefert gute und güns­tige Geräte. Aber es gebe Risiken. Die Bedie­nung dieser Kompo­nenten sei komplex und schwer zu durch­schauen. In den letzten Jahren wurden inner­halb von KPN verschie­dene Vorschläge disku­tiert, um die Risiken zu begrenzen, sagen Insider. So sei versucht worden, mehr Verant­wor­tung und Steue­rung an KPN zu über­tragen, was sich aber als unmög­lich erwiesen habe.

Können Huawei Geräte auch ohne Huawei betrieben werden?

"Huawei-Geräte arbeiten so, dass ein Teil des Manage­ments immer bei Huawei liegen muss", betonen Experten. Über­legt wurde auch, den Code zu analy­sieren und Betrieb der Kompo­nenten stärker zu über­wachen und zu proto­kol­lieren. Doch aufgrund hoher Kosten wurde nicht alles reali­siert. "Das wäre dann so teuer, dass man genauso gut euro­päi­sche Geräte (z.B. von Nokia oder Ericsson) kaufen könnte."

Poli­tisch brisantes Thema

Das Thema wurde von der nieder­län­dischen Politik aufge­griffen. Die Angst vor Lausch­angriffen durch Huawei erweise sich als begründet", sagt Lisa van Ginneken, eine Abge­ord­nete der links­libe­ralen Partei "D66". Auch die anderen Parteien VVD, CDA und SP verlangten Aufklä­rung.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Wenn eine Firma X ein Kommu­nika­tions­netz­werk liefert, kennt sie sich wohl am besten mit ihren Kompo­nenten aus und bietet daher gleich an, die Wartung und den Betrieb mit zu über­nehmen. Dabei hat der Liefe­rant logi­scher­weise Zugriff auf alle Netz­kom­ponenten und muss die auch haben, um einen zuver­läs­sigen Betrieb zu gewähr­leisten. Das ist bei allen Herstel­lern so.

Dass für den Liefe­ranten da eine Versu­chung besteht, "inter­essante Infor­mationen abzu­greifen", wird sich nie ausschließen lassen. Und sicher­lich gibt es gerade in der chine­sischen Staats­füh­rung Kräfte, die sich bren­nend für solche Dinge inter­essieren. Die Frage ist nur, inwie­weit sich Huawei China-intern dagegen wehren kann. Schon aus eigenem Inter­esse. Denn spätes­tens dann, wenn der hieb- und stich­feste Beweis für einen Daten­abfluss erbracht werden sollte, wäre Huawei komplett aus dem Rennen. Und das weiß man in China bestimmt auch. Spio­nieren sie? Wir wissen es nicht. Aber die (tech­nische) Möglich­keit besteht durchaus. Genauso gibt es "neugie­rige Dienste" in vielen anderen ("befreun­deten") Ländern.

Die große Proble­matik bleibt: Es kennen sich viel zu wenig Leute mit der Technik wirk­lich aus. Eine bessere Kontrolle treibt die Kosten nach oben und bremst die Perfor­mance und das Inno­vati­ons­tempo. Und einen 100 prozen­tigen Schutz gibt es nie. Beson­ders, wenn die Kosten­rechner und die preis­sen­siblen Kunden am Ende das Sagen haben.

Menschen, die "geheime" Dinge zu bespre­chen haben, verwenden viel­leicht inzwi­schen wirk­same Ende-zu-Ende Verschlüs­selungen.

Beim kommenden Stan­dard "6G" soll die Technik vom Prinzip her sicherer sein.

Mehr zum Thema Sicherheit