Themenspecial Telefon und Internet im Festnetz Argumente

Vor VDSL-Anhörung: Erliegen des Infra­stuktur­wett­bewerbs befürchtet

Eine wahre Informations­schlacht tobt vor der Anhörung bei der Bundes­netzagentur, bei der es um die Zukunft der VDSL-Anschlüsse im Hvt-Nahbereich geht. Wettbewerber und Telekom argu­mentieren für ihre jeweiligen Interessen. Wir bringen ein wenig Licht in die Argumente.
Von Thorsten Neuhetzki

VDSL Vectoring: Für alle oder einen? VDSL Vectoring: Für alle oder einen?
Foto: Telekom
Am morgigen Freitag kommt es zum Aufeinandertreffen zwischen der Deutschen Telekom und den Wettbewerbern. Morgens um 10 Uhr treffen sich die beiden Parteien vor der Be­schluss­kammer 3 der Bundesnetzagentur und deren Vorsitzendem Ernst Ferdinand Wilmsmann. Verhandelt wird nach Ansicht der Wettbewerber um nicht mehr oder weniger als die Zukunft des Infra­struktur­wettbewerbes im Festnetz, für die Telekom geht es um die direkte und eigene Versorgung von bis zu 5,9 Millionen Haushalten mit VDSL Vectoring und somit um bis zu 100 MBit/s im Downstream im ersten und 250 MBit/s im nächsten Schritt. Doch vieles stößt den Wettbewerbern dabei übel auf. Und es gibt unterschiedliche Ansichten, was die Telekom mit dem Antrag wirklich bezweckt. Denn dass die Telekom ihn wie beantragt durchbekommt, glaubt in der Branche keiner der Anbieter, mit denen teltarif.de in den vergangenen Tagen Kontakt hatte.

Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit von allen Seiten

VDSL Vectoring: Für alle oder einen? VDSL Vectoring: Für alle oder einen?
Foto: Telekom
Kontakt und Aufmerksamkeit für die eigene Position scheint in diesen Tagen das Wichtigste für alle Beteiligten. Da bezieht die Deutsche Telekom schon vor dem öffentlichen Bekanntwerden des Antrages in einem Hintergrundgespräch Stellung gegenüber Journalisten und legt nach dem zu erwartenden Aufschrei der Wettbewerber mit einem umstrittenen Faktencheck im Unternehmensblog nach. Unterdessen sind die Wettbewerber entweder direkt oder indirekt über ihre Verbände sehr rührig. Sie sprechen Journalisten an, laden zu Hintergrundabenden ein und liefern ungefragt viele Zahlen, die die Telekom-Zahlen widerlegen sollen. Welchen Zahlen man am Ende Glauben schenken mag, ist letztlich eine Frage der besseren und schlüssigeren Argumentation. Überprüfbar sind die gelieferten Zahlen für Journalisten kaum und bei manchen Zahlen, die eigentlich nicht öffentlich sein sollten, mag sich der interessierte Empfänger auch fragen, wieso sie nun doch öffentlich werden.

So argumentiert beispielsweise die Telekom, die Wettbewerber hätten beim bisherigen Vectoring-Ausbau erst 800 Kabelverzweiger erschlossen. Dem widerspricht die NetCologne aufs Schärfste. Der Anbieter habe nach eigenen Angaben alleine 765 Kvz Vectoring, sagte man gegenüber unserer Redaktion. Zunächst nannte der Anbieter eine vierstellige Zahl, revidierte diese aber später wieder. Binnen Jahresfrist sollen es 2 000 sein. Hinzu kommen andere Mitbewerber wie EWE Tel, die auch schon Vectoring einsetzen. Derzeit sei die Zahl noch gering, wie das Unternehmen einräumt, Ende des Jahres werden es aber auch schon mehr als 2 000 Kvz sein. Die Telekom indes rechne bei den von ihr genannten mehr als 20 000 Kvz auch die hinzu, bei denen sie einfach eine Linecard getauscht habe, also Gebiete, in denen es bereits VDSL 50 gab und die lediglich auf 100 MBit/s erhöht wurden. Zum Erreichen der Breitbandziele und einer flächendeckenden Breitbandversorgung nutze das aber nicht, heißt es. Die Wettbewerber würden derzeit eher neue Kvz mit Glasfaser erschließen, um VDSL und VDSL Vectoring zu ermöglichen als bestehende 50 MBit/s-Gebiete hochzurüsten - letztlich sei das auch eine Investmentfrage.

Kann die Telekom einen Großteil der Kunden schon heute versorgen?

Ähnlich verhalte es sich mit den jetzt von der Telekom beantragten Ausbauten im Nahbereich. Der Ausbau der Hvt-Nahbereiche mit VDSL2-Vectoring sorge in erster Linie dafür, dass Haushalte, denen schon bislang hohe Bandbreiten zur Verfügung stehen, künftig ein weiteres Bandbreiten-Upgrade erhalten können, heißt es vom Wettbewerbsverband Breko. Nach dessen Recherchen könnten schon heute rund 70 Prozent der von der Deutschen Telekom genannten 5,9 Millionen maximal erreichbaren Haushalte, die in einem mit VDSL2 erschlossenen Hvt-Nahbereich liegen, einen Breitbandanschluss mit mindestens 40 MBit/s - in der Mehrzahl aller Fälle sogar mindestens 50 MBit/s - bestellen. Seitens der Telekom hieß es bislang, nur ein einstelliger Prozentsatz der Kunden könne mit 50 MBit/s versorgt werden. Was wirklich stimmt, ist für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Doch die Ansichten gehen soweit auseinander, dass von einzelnen Beteiligten in vertraulichen Gesprächen sogar das Wort "Lüge" fällt.

Die Branche sieht, sollte der Antrag genehmigt werden, wie schon vom Deutschen Landkreistag dargelegt, auch das Problem der Breitbandinseln. Sollte die Telekom die beantragten Gebiete mit Vectoring versorgen, so würde sich ein möglicherweise geplanter FTTH- oder FTTB-Ausbau in den nächsten Jahren kaum rechnen. Denn der Bereich, den die Telekom jetzt versorgen will, gilt als ein wirtschaftlicher Bereich, der - egal ob beim echten Glasfaser-Rollout oder der Zwischenstufe über Vectoring - die weniger wirtschaftlichen Gebiete in den Orten oder Landkreisen mittragen könnte. Würde nun aber die Telekom schon 100 MBit/s (oder mit Super-Vectoring bis zu 250 MBit/s) in den Ortskernen anbieten, gäbe es für die nächsten Jahre kein wirtschaftliches Szenario für eine neuere Glasfaserinfrastruktur, so die Bedenken der Wettbewerber.

Glasfaserausbau vs. VDSL Vectoring

Und auch wenn man meinen könnte, Anbieter wie M-Net, die den kompletten Münchner Innenstadtbereich mit Glasfaser versorgt haben, könnten entspannter an die Sache herangehen, ärgern sich über den geplanten Vectoring-Doppelausbau. Sie befürchten einen doppelten Netzausbau. Dabei sei der Vectoring-Überbau der Telekom technisch schlechter als das Glasfasernetz, weil er auf den alten Kuperleitungen basiere und der M-Net möglicherweise unnötige Konkurrenz macht. "Statt die von uns angebotenen Vorleistungen abzunehmen, würde hier volkswirtschaftlicher Unsinn geschehen und ein schlechteres Netz über unseres gebaut", heißt es aus M-Net-Kreisen. Um das zu verhindern, müsste M-Net selbst Vectoring ausbauen, was ebenfalls wenig sinnvoll ist, da sie selbst ein Parallelnetz aufbauen würden.

"Sollte die Bundesnetzagentur bei der Beurteilung des neuen Telekom-Antrages nicht ein klares Zeichen setzen, befürchtet M-net, dass der Breitbandausbau zukünftig nur noch durch den Ex-Monopolisten getrieben wird. Doch der Anbieter ist, was das angeht, zuversichtlich. "Eine Bundesnetzagentur wird auf den Antrag der Deutschen Telekom sicherlich nicht hereinfallen. Die in dem Antrag angeführte Investitionszusage entbehrt jeder Grundlage, sowohl faktisch als auch rechtlich", heißt es von Jörn Schoof, Leiter Corporate Affairs der M-net. Er kritisierte weiter, dass auf Aussagen der Telekom kein Verlass sei.

"Die Halbwertszeiten der Aussagen zum Breitbandausbau betrugen bei der Deutschen Telekom weniger als sechs Monate. Insofern kann sich eine Bundesnetzagentur auf eine Investitionszulage, deren Rechtsnatur auch völlig unklar ist, auf keinen Fall verlassen", so Schoof. Auch andere Branchenkenner sind der Meinung, dass der Antrag nicht gestellt wurde, um ihn durchzubekommen. Vielmehr, so der Verdacht, würde die Telekom es nach einer möglichen Ablehnung darauf anlegen, weitere Fördergelder und politische Vorteile zu genießen, weil sie auf den abgelehnten Antrag als Benachteiligung verweisen könne.

Eine Entscheidung der Bundesnetzagentur ist morgen noch nicht zu erwarten, möglicherweise aber erste Stimmungsbilder der Beteiligten.

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