Paneldiskussion

Netze der Zukunft: Was nicht verboten ist, sollte erlaubt sein

Auf der diesjährigen Mitglieder­versammlung des DVTM reichten die Themen vom Fluch der Flatrates über die Koordination durch die Bundes­kanzlerin bis hin zu interessanten Einblicken in den NSA-Ausschuss.
Aus Köln berichtet

Zur jährlichen Mitglieder­versammlung hatte der Deutsche Verband für Telekom­munikation und Medien (DVTM) am Dienstag hoch über den Dächern von Köln geladen. Das seit langem diskutierte Thema "Konvergenz" sei der Zukunfts­motor für Telekom­munikation, Medien und Energie, betonte der DVTM-Vorsitzende Renatus Zilles, wofür man lange "belächelt" worden sei. Früh habe man das Thema besetzt, ein vor 18 Jahren geschaffener eigener Codex zum Thema Verbraucher-, Daten- und Jugend­schutz sei im konvergenten Zeitalter angekommen.

Die Tatsache, dass die Deutsche Telekom, die übrigens nicht Mitglied im DVTM ist, aus dem "Content"-Geschäft aussteige - das Nachrichten­portal T-Online steht zum Verkauf - und demnächst in Sport­wetten einsteige, bestätigte seine Marktein­schätzung, so Zilles. Der DVTM ging aus dem FST e.V., der "freiwilligen Selbst­kontrolle der Telekom­munikations­anbieter" hervor. Zilles war bei der Liberali­sierung des deutschen Tele­kommunikations­marktes, insbesondere bei Mehrwert- und Auskunfts­diensten sowie den Call-by-Call-Angeboten von Anfang an dabei, die er als Chef der damaligen Takline ID entwickelte. Daneben war Zilles über 10 Jahre im Präsidium des VATM (zuvor als VAM) aktiv gewesen.

Seine klare Forderung: Das Thema Konvergenz in Telekom­munikation und Medien solle zentral bei der Kanzlerin koordiniert werden. Die Politik müsse eine Moderations­funktion ausüben. Zwar würden Timotheus Höttges (Deutsche Telekom) und Eric Schmidt (Google) nie zusammen finden, aber sie müssten miteinander reden. Gesetzliche Vorgaben lehnt Zilles hingegen ab.

"Menschen mitnehmen!"

Banner vom DVTM Jährliche Mitglieder­versammlung des DVTM
Bild: teltarif.de
In der sich anschließenden Panel­diskussion plädierte Prof. Helmut Thoma, der Gründer von RTL Television, dem größten Privat­sender Europas und Aufsichts­ratsmitglied der freenet AG dafür, es nicht zu übertreiben. Für ihn sei "Konvergenz" eines der schönen Schlagworte. "Wir müssen die Leute mitnehmen!" denn "Wer sitzt vor den Geräten? Menschen." Er plädierte für einen besseren Netzausbau.

Dr. Iris Henseler-Unger, langjährige Vize­präsidentin der Bundes­netzagentur, und heutige Direktorin und Geschäfts­führerin der WIK-Consult GmbH, die unter anderem Gutachten zur Regulierungs­situation erstellt, gehört zum "Think Tank" des DVTM. Auf die Frage, wohin die TK-Branche wolle, erinnerte sie daran, dass viele Unternehmen als Dienste­anbieter gestartet seien. Heute ginge es eher um Cloud, Urheberrecht und Datenschutz. Erst langsam beginne die Diskussion, wie die Netze der Zukunft aussehen sollen. Der BREKO-Verband habe eine Diskussion über die strukturelle Separierung von Netzen angestoßen. Sie forderte, einen einfacheren und flexibleren Rahmen. Alles was nicht verboten ist, solle erlaubt sein. In Deutschland sei es oft andersrum, sie beklagte zuviele kleinteilige Lösungen.

Die Netzneutralität müsse gelassener gesehen werden. Ausnahmen sollten beispielsweise für medizinische Kommunikation oder die Steuerung von "Smart-Cars" möglich sein, was man als "spezialisierte Dienste" bezeichnet. Das Ziel könne ein "entwicklungs­fähiges Best Effort Internet" sein.

Prof. Wolf-Dieter Ring, ehemaliger bayrischer Medien­aufseher, plädiert dafür, sich mit einer starken Stimme in Europa zu melden. Hier gäbe es noch große Unsicherheiten. Niemand diskutiere eine neue zentrale Medienanstalt, denn es gäbe dort verbesserte Entscheidungs­prozesse.

Koordination durch die Bundeskanzlerin?

Renatus Zilles sieht die Konvergenz mit der Zergliederung im deutschen Föderalismus im Widerspruch, bei DVB-T gegenüber DVB-T2 habe "jeder auf eigene Faust" gearbeitet. "Wir werden die Abschaffung des Pluralismus nicht mehr erleben." Zilles fordert eine zentrale Koordinierung bei der Kanzlerin, die Politik hinke der technischen Entwicklung hinterher. Ein neues EU-Papier gebe gewisse Hoffnung, aber die Energie sei noch nicht im konvergenten Ansatz integriert. Die Zukunft für OTT Anbieter sieht Zilles in hybriden Geschäfts­modellen, wo Kosten und Erlöse aufgeteilt werden. Der Kunde zahlt dann nur noch die Dienste.

Prof. Peter Schaar , ehemaliger oberster Bundes­datenschützer und Kandidat als Datenschutz­beautragter der Vereinten Nationen, ist sich sicher, dass das Thema an Bedeutung gewinnen wird, um bestimmte Geschäfte zu ermöglichen und zugleich Freiheits­räume zu bewahren. Vor aller Begeisterung für die Technik, gäbe es historisch gewachsene Werte und Strukturen, die bewahrt werden sollen. Andere Staaten hätten diese Entwicklung nicht, sie entwickelten sich viel daher viel schneller und dynamischer.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Einblicke der Vorsitzende des NSA-Unter­suchungs­auschusses im Deutschen Bundestag gab.

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