"Welt" & Co.: Springer-Sender haben Videotext abgeschaltet
Das Nachrichtenstudio des Springer-Senders "Welt"
Bild: WeltN24 GmbH, Anne Hufnagl
Der Videotext als Programm-begleitende TV-Funktion erscheint vielen Internetnutzen heutzutage genauso antiquiert wie dessen Optik und Bedienung. Trotz allem erleben TV-Sender immer wieder einen regelrechten Shitstorm, wenn sie nur ankündigen, den Videotext abschalten zu wollen. Auch 43 Jahre nach seinem Start hat der Dienst wohl immer noch eine nicht unbeträchtliche Fangemeinde.
Eine deutsche Sendergruppe hat nun aber Ernst gemacht und den Videotext bei ihren Sendern endgültig abgeschaltet.
Videotext wurde verspätet abgeschaltet
Ein teltarif.de-Leser teilt unserer Redaktion mit, er habe schon im Dezember des vergangenen Jahres die Nachricht im Videotext des Nachrichtensenders "Welt" des Springer-Verlags gesehen, dass der Dienst "zum Jahreswechsel" eingestellt werde. Das hatte sich dann allerdings nicht bewahrheitet und der Welt-Videotext war Anfang 2023 weiterhin abrufbar.
Das Nachrichtenstudio des Springer-Senders "Welt"
Bild: WeltN24 GmbH, Anne Hufnagl
Anfang März 2023 wurde der Welt-Videotext dann aber offenbar doch abgeschaltet. teltarif.de hat in einem kurzen Test (über das Telekom-Kabelnetz) herausgefunden, dass für keinen der drei Springer-Sender mehr ein Videotext existiert. Nicht nur bei Welt, auch bei N24 Doku und dem TV-Sender der BILD erscheint die Nachricht "kein Videotext gefunden", wenn man die entsprechende Taste auf der TV-Fernbedienung drückt. In einem weiteren Test fanden wir heraus, dass auch kein Alternativangebot wie beispielsweise HbbTV geschaltet worden ist.
Springer beantwortet Leseranfrage
Auf seine Anfrage erhielt der Leser vom TV-Infoservice der WeltN24 GmbH bei Springer folgende Antwort:
Vielen Dank für Ihre Mail und Ihr Interesse an Welt, und sehen Sie uns bitte die verzögerte Rückmeldung nach. Unser Teletext wurde eingestellt. Als digitale Marke haben wir entschieden, komplett auf unsere digitalen Angebote zu setzen. Sehr gerne würden wir Sie auf unserer wesentlich umfangreicheren Plattform www.welt.de begrüßen. Neben der Website können Sie auch unsere TV-App nutzen und auf das aktuelle Programm und auf zahlreiche Formate und Sendungen Ihrer Wahl in unserer Mediathek zugreifen. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen auf unseren digitalen Plattformen.Unserer Redaktion gegenüber kommentierte der Leser die Antwort wie folgt:
Meines Erachtens zeugt die [...] Rückmeldung von Welt von vollkommen fehlendem Technikverständnis: Als digitale Marke habe man entschieden, komplett auf digitale Angebote zu setzen. Dabei wird der Welt-Videotext (ehemals N24) schon seit Jahren ausschließlich digital übertragen - sei es über DVB-S, DVB-T, DVB-C oder auch im Internet [...].
Einschätzung (von A. Kuch): Einstellung bei neuer Strategie kaum verwunderlich
Wer die Entwicklungen beim Springer-Konzern (nicht nur beim TV-Sender der BILD), sondern in allen Bereichen des Medienhauses inklusive der zahlreichen Umstrukturierungen der letzten Wochen und Monate mitverfolgt hat, wird sich über die Einstellung des Welt-Videotextes als quasi für den Zuschauer bislang kostenlosen Inhalteangebots kaum wundern.
Denn bei Springer handelt es sich - im Gegensatz zu den gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sendern - um ein privat finanziertes Medienhaus, das auf Effizienz setzen muss. Und die von Springer-Chef Mathias Döpfner kürzlich ausgegebene neue Strategie mit einem fast einhundertprozentigen Fokus auf Internetangebote, die Geld erwirtschaften sollen, spricht eine klare Sprache: Zuschussgeschäfte wie Printzeitungen und kostenlose lineare Fernsehangebote gehören auf Dauer wohl irgendwann nicht mehr dazu.
Die Umstellung wird zwar schrittweise vonstatten gehen, und am linearen TV-Angebot von "Welt" hat das Medienhaus bislang noch nicht gerüttelt. Wer die Nachrichten in Textform aber bereits auf dem Welt-Videotext kostenlos gelesen hat, hatte wohl kaum noch eine Veranlassung, ein kostenpflichtiges Plus-Abonnement auf www.welt.de abzuschließen. Das ist es aber gerade, mit dem Springer in Zukunft Geld verdienen möchte - und wohl auch muss.
Im Sommer 2022 liefen TV-Zuschauer beispielsweise Sturm gegen eine geplante Videotext-Abschaltung.