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Editorial: Multimedia unerwünscht

Handys machen zunehmend Negativ-Schlagzeilen
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Es kam, wie es kommen musste: Dass mit den Multimedia-Funktionen moderner Handys auch wenig erbauliche Videos und Fotos gespeichert werden können, ist offensichtlich. Per MMS, Bluetooth oder Infrarotschnittstelle lassen sich die Inhalt zudem ganz leicht von Gerät zu Gerät übertragen. Und so war der Skandal perfekt, als jüngst Schüler mit bestialischen Gewalt-Videos und Pornos auf dem Handy erwischt wurden.

Recht vorhersehbar auch die Reaktion der Politik: Die CDU Nordrhein-Westfalens fordert die Möglichkeit eines besonderen PIN-Schutzes, mit der die Datei-Übertragungs-Funktionen blockiert werden können. "Bayern", bzw. die seit Jahrzehnten dort herrschende CSU, will noch härter durchgreifen, und prüft gar ein Handy-Verbot an Schulen.

Wie üblich, sind diese Politiker-Schnellschüsse wenig fundiert. Es gibt genügend Einsteiger-Handys, die mangels Kamera, MMS-Funktion, großem internen Speicher und WAP-Browser weder Bilder noch Videos auf das Display bringen können. Die Features gar nicht erst einzubauen, funktioniert zudem zuverlässiger als ein PIN-Schutz, von dem die Kleinen dann doch irgendwann rausfinden, wie er sich umgehen lässt, sei es per Flash-Update der Firmware oder Sicherheitslecks in der noch nutzbaren Software. Besorgte Eltern können also schon heute ihre Kinder wirksam vor Videos auf dem Handy-Display schützen.

Aber selbst dann, wenn man alle Bilder und Videos aussperrt, ist der Nutzer alles andere als sicher vor gefährlichen Inhalten. Anonyme Droh-Anrufe können das Opfer sicher stärker beeinträchtigen, als Gewalt-Exzesse auf einem Video. Oder statt dem Porno schickt man halt nur den Link darauf per SMS. Der Schüler ruft die Datei dann auf dem heimischen PC ab, wenn er sich unbeobachtet fühlt.

Überhaupt der PC: Die Zahl der fragwürdigen Inhalte, die auf dem Schulhof per selbst gebrannter CD, DVD oder USB-Stick getauscht werden, hat noch kein Lehrer ermittelt. Im Zweifelsfall fallen die Medien selber auch weniger auf, als ein Schüler, der in der Ecke des Schulhofs gespannt auf das Handy-Display starrt. Oder der Tausch erfolgt nach der Schule direkt über das Internet. Über diverse Instant-Messaging- oder Chat-Dienste kann man sich nicht nur gegenseitig bei den Hausaufgaben helfen, sondern auch beliebige Dateien übertragen. Ebensolches gilt für E-Mail.

Gängige Jugendschutz-Filterprogramme sind gegen solchen direkten Dateientausch in der Regel machtlos. Sie reagieren nur auf eine Sperrliste und bestimmte Schlüsselwörter. Die E-Mail "anbei das heute besprochene Video" halten diese Programme damit für unverdächtig. Da PCs zudem größere und höher auflösende Displays haben als Handys, sind die möglichen psychologischen Folgen des Betrachtens eines Gewalt-Videos am PC auch entsprechend schwerwiegender.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass jedes Medienabspielgerät, und das fängt beim heimischen DVD-Player an, von den Kindern genutzt werden kann, um Inhalte wiederzugeben, die sie sich von anderen Mitschülern besorgt haben. Besorgte Eltern, die das nicht wollen, müssten also alle elektronischen Medien abschaffen. Im Bereich der Schule ist ein Verbot sämtlicher CDs, DVDs, USB-Sticks und Handys sowieso komplett unrealistisch. Es würde zudem nicht gegen den direkten Dateientausch per Internet helfen.

Information tut dennoch not. Statt des geforderten "Beipackzettels" für Handys - den liest doch eh niemand - wäre der Staat gut beraten, entsprechende Informationsangebote für Eltern aufzusetzen, und diese, beispielsweise über die Schulen, wirklich großen Teilen der Elternschaft zugänglich zu machen. Teil des Info-Abends "Kinder und elektronische Medien" könnte dann durchaus sein, wie Eltern problematische Inhalte auf Handy und PC suchen, finden und ggfls. löschen können, oder welche Funktionen sich bereits heute wie sperren lassen. Von den diversen Erziehungsmöglichkeiten ist elterliche Kontrolle immer noch die beste.

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