Jubiläum

Preise über Nacht gedrittelt: 15 Jahre Wettbewerb im Festnetz

Nennenswerte Konkurrenz bei Anschlüssen erst Jahre später
Von Thorsten Neuhetzki /

5 Ziffern extra zum Sparen per Call-by-Call 5 Ziffern extra zum Sparen per Call-by-Call
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Wer vor 15 Jahren ein Ferngespräch führen musste, überlegte sich das zwei Mal. 60 Pfennig pro Minute verlangte die Deutsche Telekom an Werktagen am Vormittag pro Minute - umgerechnet 30,7 Cent. Doch mit der Liberalisierung des Festnetzmarktes heute vor genau 15 Jahren wurde das Telefonieren für die Verbraucher via Call by Call schlagartig günstiger. Bis heute sind die Preise immer weiter gefallen. Mit der Liberalisierung kamen jedoch nicht nur günstigere Tarife, sondern auch mehr Angebote. Nicht allen Kunden war das Recht; manche waren von der neuen Wahlfreiheit überfordert, und nicht alle Anbieter konnten halten, was sie versprachen. Dennoch: Ohne die Festnetz-Liberalisierung und die dadurch entstandene Konkurrenz gäbe es heute wahrscheinlich keine breitbandigen Internetzugänge mit Doppel-Flat für unter 30 Euro.

Werfen wir einen Blick zurück: Am 1. Januar 1998 ging alles mit einem Dienst los, den damals wie heute jeder Telekom-Kunde einfach nutzen konnte, ohne sich anzumelden: Call by Call. Es war in den ersten Jahren nach der Liberalisierung de facto die einzig mögliche Art, den Anbieter zu wechseln. Durch die Vorwahl der Kennung wechselte man das Netz für den jeweiligen Anruf. Wie groß der Spareffekt war, zeigt der Blick auf die damals bekannteste Nummer 01019, die direkt mit 19 Pfennig pro Minute startete. Resultat der Preisdifferent von bis zu 41 Pfennig: Die 01019 war anfangs dauerüberlastet. Besser wurde das erst mit der nach und nach zunehmenden Anzahl an Anbietern und besser ausgebauten Netzen. Dabei wurden damals nach einer Studie von Dialog Consult pro Tag "nur" 22 Millionen Minuten im Festnetz telefoniert. Heute sind es dank der günstigen Preise und Flatrates 310 Millionen Minuten. Tendenz: Weiter steigend.

Anfangs keine Ortsgespräche

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Anfangs waren keine Ortsgespräche, sondern nur Nah- und Ferngespräche per Call by Call möglich. Da Ortsgespräche bei der Telekom viel günstiger waren als Ferngespräche, war es sogar für die Kunden meist besser, mit den Ortgesprächen bei der Telekom zu bleiben. Dank nur dünn ausgebauter Netze hätten die Konkurrenten nämlich die meisten Ortsgespräche dennoch als Ferngespräche abwickeln und abrechnen müssen.

Im Laufe des Jahres 2000 sanken die Ferngesprächspreise der führenden Call-by-Call-Anbieter jedoch unter die Ortsgesprächspreise der Telekom - und der Druck, Call by Call auch im Ortsnetz anzubieten, nahm entsprechend zu. Es dauerte aber bis April 2003, bis es tatsächlich so weit war.

Anfangs auch kein kompletter Wechsel möglich

Mit dem Telefonanschluss komplett zu einem anderen Anbieter umzuziehen, war Privatkunden anfangs ebensowenig möglich wie Call-by-Call-Ortsgespräche. Dafür gab es politische/regulatorische Gründe (die Preise für die dauerhafte Umschaltung einer Telefonleitung wurden beispielsweise von der damaligen Regulierungsbehörde, der heutigen Bundesnetzagentur, erst im laufenden Jahr 1998 festgelegt, während die Originierungs- und Terminierungsentgelte für einzelne Telefongespräche schon vor dem Deregulierungs-Start 1998 feststanden), unternehmerische Gründe (die Investitionen für eigene Vollanschlüsse sind ungleich höher als für Call-by-Call-Vermittlungstechnik) und Gründe aufgrund der bestehenden Preisstruktur (der Telekom-Festnetzanschluss war nämlich relativ günstig, nur dessen Nutzung war teuer; entsprechend schwer fiel es der Konkurrenz, die Telekom beim monatlichen Anschlusspreis zu unterbieten).

Erst mit dem Aufkommen von hochwertigen und hochpreisigen Festnetzanschlüssen - ISDN plus DSL plus DSL-Flatrate summierten sich 2001 bei der Telekom auf 113,79 Mark (58,18 Euro) monatlich - ergab sich für die Telekom-Konkurrenz die Möglichkeit, mit günstigen Anschlusspreisen zu punkten. Und so hatten 2002 erst drei Prozent der Festnetzkunden einen Anschluss bei einem Alternativanbieter, 2005 waren es 8,8 Prozent und 2010 schon 26,6 Prozent (inklusive Kabelnetze). Stand heute sind es nach Hochrechnungen 40,8 Prozent, die der Telekom den Rücken gekehrt haben.

Bis heute sind reine Festnetzanschlüsse ohne DSL oder Kabel-Internet bei den Konkurrenten ein Nischenprodukt. Das liegt nicht nur an den teils sogar höheren Grundgebühren der reinen Telefonanschlüsse bei der Konkurrenz, sondern auch daran, dass Call by Call nach einem Wechsel weg von der Telekom nicht mehr möglich ist.

Nach Angaben des BITKOM wurden in den vergangenen 15 Jahren 100 Milliarden Euro in die Netze investiert. Die Telekom will für den Ausbau von VDSL Vectoring weitere 6 Milliarden Euro in die Hand nehmen und Abermillionen Haushalten so bis zu 100 MBit/s im Downstream ermöglichen. Ohne Konkurrenzdruck durch die Kabelnetze, die dieses Tempo bereits heute vielerorts bieten, würde die Deutsche Telekom sich mit dem VDSL-Vectoring-Ausbau wahrscheinlich nicht so beeilen.

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