Antenne

Privat-TV kostenpflichtig: Größter Fehler bei DVB-T2

Auf den Tag vor fünf Jahren star­tete das digital-terres­tri­sche Anten­nen­fern­sehen DVB-T2. Jetzt, zum fünf­jäh­rigen Geburtstag, kann man sagen: Die Umstel­lung vom alten DVB-T auf den neuen Stan­dard hat dem Verbrei­tungsweg Antenne mehr geschadet als genützt.
Ein Kommentar von

DVB-T2 ist fünf Jahre im Regelbetrieb auf Sendung DVB-T2 ist fünf Jahre im Regelbetrieb auf Sendung
Bild: freenet TV
Fünf Jahre ist es her: In einer der größten Umschalt­aktionen der Rund­funk­geschichte wurden in der Nacht zum 29. März 2017 insge­samt 327 Sender an 69 Sende­stand­orten in Deutsch­land vom alten Stan­dard DVB-T auf den Nach­folger DVB-T2 beim digi­talen Fern­sehen über Antenne umge­stellt. Eigent­lich sollte es eine Revo­lution werden: Erst­mals gab es seither über Antenne neben rund 20 öffent­lich-recht­lichen auch eben­falls knapp über 20 private TV-Sender in hoch­auf­lösender HD-Qualität.

Voran­gegangen war ein Test­betrieb. In einigen Regionen - wie Berlin, München und dem Raum Köln/Bonn - wurde bereits 2016 ein einge­schränktes Angebot mit öffent­lich-recht­lichen Programmen über DVB-T2 ausge­strahlt. Darüber hinaus traten ab dem zweiten Quartal 2016 einzelne DVB-T2-Sender mit starker Reich­weite, anläss­lich der Fußball-EM und den Olym­pischen Spielen, in weiteren Ballungs­gebieten Deutsch­lands den Test­betrieb an.

Reich­weite der Antenne ist zurück­gegangen

DVB-T2 ist fünf Jahre im Regelbetrieb auf Sendung DVB-T2 ist fünf Jahre im Regelbetrieb auf Sendung
Bild: freenet TV
Jetzt, zum fünf­jäh­rigen Geburtstag, kann man sagen: Die Umstel­lung DVB-T2 hat dem Verbrei­tungsweg Antenne mehr geschadet als genützt, der Markt­anteil ist von 10 Prozent vor der Umstel­lung auf jetzt knapp 7 Prozent gefallen. Das lag aller­dings nicht an der Technik - diese ist tatsäch­lich weit effek­tiver und Frequenz-ökono­mischer als der Vorgänger.

Der Zuschau­errück­gang liegt etwa daran, dass die öffent­lich-recht­lichen Anstalten mit der Umstel­lung auf DVB-T2 Sende­anlagen in eher länd­lichen Regionen abge­schaltet haben. Nach Infor­mationen von teltarif.de ist dieser Prozess noch nicht abge­schlossen. So wird gemun­kelt, dass sich die ARD in einigen Bundes­län­dern künftig bei der Antenne auf die Regionen beschränken wird, in denen auch die Privaten zu sehen sind und weitere Anlagen abschalten wird.

DVB-T war vor allem in Ballungs­räumen beliebt

Haupt­grund für den Zuschau­errück­gang war jedoch eine Ände­rung des Geschäfts­modells bei privaten TV-Sendern. Vor allem in den Ballungs­räumen war der Vorgänger DVB-T sehr beliebt. Mit einfa­cher Zimmer­antenne gab es kostenlos ein Grund­angebot der wich­tigsten öffent­lich-recht­lichen und privaten Fern­seh­pro­gramme. In großen Städten wie der Haupt­stadt Berlin waren auch Spar­ten­sender kosten­frei über Antenne vertreten. Viele kündigten seiner­zeit den Kabel­anschluss und sparten so zusätz­liche monat­liche Kosten für den TV-Genuss neben dem Rund­funk­bei­trag (damals noch Rund­funk­gebühr/GEZ), zumal es in Städten oft keine Möglich­keit gibt eine Satel­liten-Antenne zu instal­lieren bzw. dies bei vielen Vermie­tern unter­sagt wird.

Mit dem offi­ziellen Launch von DVB-T2 star­tete am 29. März 2019 auch die kosten­pflich­tige TV-Platt­form freenet TV. Plan war, zahl­reiche Privat­sender in besserer Auflö­sung (HD) via Antenne gegen eine Gebühr empfangbar zu machen. Nur wenige klei­nere Anbieter wie Shop­ping­sender oder Bibel TV blieben kostenlos und unver­schlüs­selt zu sehen. Wer RTL, Pro Sieben, Sat.1, Vox, RTL 2 und andere beliebte Programme sehen will, muss ein Abo abschließen und zahlt aktuell knapp 7 Euro monat­lich. Das tun aller­dings immer weniger Zuschauer: In den ersten drei Quar­talen 2021 ging die Kunden­zahl von 942.000 im Vorjah­res­zeit­raum auf 813.400 zurück. Schon 2020 gab es ein Minus von rund 7,7 Prozent, seither zahlen weniger als eine Million Kunden für freenet TV.

Rück­kehr zu Kabel und Wechsel zu Internet-TV

In Ballungs­räumen sind viele wieder zum Kabel­anschluss zurück­gekehrt, seit es das im Vergleich gerin­gere private Programm­angebot nur noch kosten­pflichtig über Antenne gibt. Viele nutzen zudem auch die neuen Internet-TV-Portale wie waipu.tv (das eben­falls zum freenet-Konzern gehört) oder Zattoo, die zu vergleich­baren Preisen ein weit größeres Angebot an Fern­seh­sen­dern bieten.

Auch freenet TV strahlt unter dem Label "freenet TV Connect" ein ergän­zendes, inter­net­basiertes Angebot aus. Hierfür muss der Fern­seher oder die Set-Top-Box - falls die Hard­ware es unter­stützt - mit dem Internet verbunden werden. Dann erhält der Nutzer Zugriff auf weitere lineare TV-Programme, die zwar per Internet gestreamt, aber in der regu­lären Programm­liste auftau­chen. Zusätz­lich gibt es Apps und Media­theken sowie ein Inter­net­radio-Angebot des Dienst­leis­ters Radio­player. Doch auch bei freenet TV Connect gab es in den letzten Monaten keine neue Entwick­lung mehr.

2030: Aus für DVB-T2 wahr­schein­lich

Inzwi­schen hat man bei der Mutter freenet einge­sehen, dass DVB-T2 in aktu­eller Form kein Wachs­tums­markt mehr ist und sieht das natür­liche Ende im Jahr 2030. Der Verbrei­tungsweg hätte wohl heute noch mehr Rele­vanz in Deutsch­land, wenn die Privat­sender wie über Satellit und Kabel neben der kosten­pflich­tigen HD-Vari­ante noch eine kosten­lose SD-Version verbreiten würden. Doch neben der Tatsache, dass die Anbieter dies von sich aus Kosten­gründen ablehnten, stehen heute - nach zwei "Digi­talen Divi­denden" - nicht mehr ausrei­chend Frequenzen hierfür zur Verfü­gung.

Ein kleines Trost­pflaster: Seit Ende 2021 sind die vier größten Privat­sender RTL, Sat.1, Pro7 und Vox auf einem kosten­losen Promo-Kanal im wöchent­lichen Wechsel (Umstel­lung immer am Donnerstag) wieder in herkömm­licher SD-Qualität zu sehen. Neukunden dürfte aber auch diese Maßnahme nicht mehr anziehen.

Mehr zum Thema Fernsehen