Nachgehakt

LG V30: Musik-Origami für die Hosentasche

Neben den Qualitäten der Videokamera auf Profi-Niveau legt LG bei seinem neuen Android-Smartphone LG V30 den Fokus einmal mehr auf Musik. Doch was macht der Quad-DAC eigentlich und was versteckt sich hinter Musik-Origami von MQA?
Von Stefan Kirchner

In einem ersten Hintergrundartikel zu den großen Neuerungen des LG V30 haben wir das Thema Videografie näher beleuchtet. Aber das ist nicht die einzige Stärke, auf die sich LG besonnen hat. Auch im Bereich Audio und mobile Musik will der Konzern neue Maßstäbe im Smartphone-Markt setzen. Dazu setzt der Hersteller auf einen Quad-DAC (Digital-to-Analog Converter), der auch schon im Vorgänger-Modell und im LG G6 verbaut war, letzteres jedoch nur in ausgewählten Regionen der Welt.

LG V30

In unserem Gespräch mit Christoph Marschall, Chief Technology Officer for Research & Development Europa, waren auch die besonderen Fähigkeiten der Audio-Hardware des LG V30 ein großes Thema. Immerhin stellt das V30 eine signifikante Verbesserung dar, einschließlich der ersten Zertifizierung für den Audio-Codec MQA.

Evolution der Audio-Hardware

LG V30 Der Lautsprecher des V30 liefert ein durchaus gutes Klangbild
Foto: teltarif.de / Stefan Kirchner
Für das Marketing des LG V30 wird unter anderem der Quad-DAC mit hervorgehoben, was für ein vergleichsweise tolles Musikerlebnis sorgen soll. Der verbaute Chip stammt von ESS Technologies, einem der führenden Hersteller in diesem Bereich. Konkret handelt es sich um das Modell Sabre ES9218P und damit die verbesserte Variante des Sabre ES9218, welcher im LG V20 verbaut ist. Nennenswerte Unterschiede in Sachen Technik selbst gibt es nicht, vielmehr hat LG die Optionen zur Anpassung der Musikwiedergabe ausgebaut. Nutzer können ihr Musikerlebnis noch feiner dem persönlichen Geschmack anpassen als es noch im V20 möglich war. LG V30 Der Sabre ES9218P sorgt im LG V30 für höchstes mobiles Klangvergnügen
Bild: ESS Technologies
Der Vorteil eines vierfachen DAC liegt darin begründet, dass Audiodaten mit allen vier Wandlern parallel verarbeitet werden, was Störgeräusche wie Hintergrund­rauschen erheblich reduziert. Grund dafür ist die parallele Verarbeitung mit unterschiedlichem Fokus auf Fehlerkorrekturen. Das wiederum resultiert vereinfacht gesagt in einer vierfach so großen Amplitude, verglichen mit einem einfachen DAC. Christoph Marschall vergleicht die vierfache Fehler­korrektur mit der Aussage, dass Abweichungen mit -1 und +1 logischerweise insgesamt eine Abweichung von 0 ergibt. Unterm Strich gibt es mit einem ordentlichen Quad-DAC bis zu 50 Prozent weniger Störgeräusche.

Ein nachgeschalteter AVC (Analog Volume Control) sorgt dafür, dass auch bei niedriger Lautstärke wenig Störgeräusche durchkommen, da diese in Abhängigkeit der Lautstärke mit gesenkt werden. Oder um es anders auszudrücken: Auch bei niedrigster Lautstärke ist die Audioausgabe klarer verglichen zu anderen Smartphones. Ein Verstärker mit 2Vrms-Standard sorgt schließlich für das Endergebnis am Kopfhörer, wobei auch Modelle mit einer hohen Impedanz unterstützt werden. Für wirklich hochwertigen Sound sind allerdings Kopfhörer mit einer möglichst niedrigen Impedanz besser geeignet. Dazu legt LG Käufern in Europa In-Ear-kopfhörer von Bang&Olufsen dazu, bei denen es sich vermutlich um das Modell B&O Play H3 handeln dürfte. LG V30 Wie schon beim V20, liegen auch dem V30 Kopfhörer von Bang&Olufsen bei
Foto: teltarif.de / Stefan Kirchner
Wie es sich bei Bluetooth-Kopfhörern verhält, bleibt abzuwarten. Jedoch ist das LG V30 mit Bluetooth 5.0 inklusive Unterstützung für den aptX-HD-Audiocodec ausgestattet, was Musik mit 24 Bit bei 48 kHz Samplingrate ermöglicht. Mit dem Update auf Android 8.0 Oreo wird zudem der von Sony entwickelte LDAC-Codec für Bluetooth hinzukommen, was den Frequenzbereich von 48 kHz auf 96 kHz erhöht, was wiederum echtes HiRes-Audio ermöglicht. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass das Bluetooth-Headset diesen Standard auch unterstützt.

Musik-Origami für tragbaren HiFi-Sound

Digitalfilter und das Origami-Prinzip

Standardmäßig ist der Quad-DAC des LG V30 ausgeschaltet, immerhin verbraucht ein aktiver DAC mit vier Wandlern auch einiges an Strom. Sobald Kopfhörer oder Lautsprecher über die Klinkenbuchse verbunden sind, kann der DAC aktiviert werden und es stehen diverse digitale Filter und Presets zur Verfügung. Die vorgegebenen Profile der Klang­verbesserung sind einfach gesagt Equalizer-Profile mit verschiedener Ausrichtung der Audio­wiedergabe. Jedes der Profile lässt sich über die Kurve manuell anpassen, aber leider nicht als neues Profil für die spätere Verwendung abspeichern. Vielleicht wird eine solche Funktion später per Update nachgereicht, oder es ist eine Einschränkung der Vorserien-Firmware. LG V30 Getrennt steuerbare Links-Rechts-Kanäle, Presets und Digitalfilter prägen die Audio-Features des V30
Screenshots: teltarif.de
Was bei der Vorstellung des V30 ein wenig zu kurz kam ist der Punkt, dass das V30 das erste Smartphone überhaupt ist, das eine offizielle Zertifizierung für Master Quality Authenticated, kurz MQA bekommen hat. Damit wird Musik in Studioqualität für alle in einer akzeptablen Dateigröße möglich. Unter anderem nutzt der Streamingdienst Tidal für sein HiFi-Option die Kompression mit MQA.

Wichtig ist hierbei zu verstehen, dass MQA nicht ein neues Dateiformat für verlustfreie Musik ist, sondern ein Encoder/Decoder-System, dass in den gängigen Container-Formaten wie FLAC, ALAC, WAV oder eben auch anderen Audioformaten einnisten kann. Der Vorteil ist dabei, dass es nicht zwingend MQA-kompatible Hardware zur Wiedergabe braucht. Im Zweifelsfall wird Musik in besserer CD-Qualität abgespielt, wenn kein MQA-Decoder verbaut ist, was trotzdem eine Verbesserung darstellt. Ist das Gerät für die Wiedergabe jedoch MQA-zertifiziert und verwendet einen entsprechenden Decoder, kann vom Origami-Prinzip der MQA-Codierung Gebrauch gemacht werden.

Bob Stuart, Mitgründer von Meridian Audio, beschreibt das Prinzip in vier relativ einfachen und auch plausiblen Schritten:

  1. Mittels komplexer digitaler Bearbeitungs­verfahren wird der für die Präzision der Audiodatei notwendige Tonbereich oberhalb von 48 kHz im nicht-hörbaren Eigenrauschen der Aufnahme quasi "versteckt"
  2. Im zweiten Schritt wird dasselbe mit den verbliebenen Daten oberhalb von 22 kHz gemacht, die für die Mikrostruktur der höheren Klänge benötigt werden
  3. Nun bekommt jede so modifizierte Audiodatei einen Marker für den zur Aufnahme verwendeten A/D-Wandler, woraus der MQA-Decoder Klang­charakteristika herausliest und beim Dekodieren berücksichtigt
  4. Der MQA-Decoder kombiniert nun das Ergebnis mit den Klang­charakteristika des D/A-Wandler für die Wiedergabe, was zu einer sogenannten natur­identischen Wiedergabe führt
LG V30 So kann man sich vereinfacht das Prinzip der MQA-Codierung vorstellen
Bild: MQA / Meridian Audio
Das der Großteil aller gängigen A/D- und D/A-Wandler erkannt wird, hängt mit Partnerschaften aller wichtigen Hersteller für Audiochips zusammen, damit diese die nötigen Informationen für den Decoder liefern können - wie eben mit ESS Technologies. Und gerade wegen der Eigenart, dass die wichtigen nicht-hörbaren Informationen quasi im Eigenrauschen versteckt werden, hat die Bezeichnung Musik-Origami inspiriert. Zumal MQA auch Vor- und Nachschwingungen Impulslastiger Audiodaten weitestgehend kaschieren kann, die aufgrund des Standard­filters bei der Digital-Analog-Wandlung entstehen und die Wiedergabe verschlechtern können.

Rekorder nach dem RAM-Prinzip

Die zweite wichtige Veränderung im Audiobereich ist die Aufnahme von Audio. Wie Christoph Marschall erklärte, liegt der maximale Schalldruck den das LG V30 verarbeiten kann, bei 135 dB ohne zu übersteuern (G6: 132 dB). Liegt die Lautstärke darüber, wird kurzerhand der Telefonhörer zugeschaltet, da dessen Mikrofon ein trägeres Impuls­verhalten als normale Mikrofone besitzt und damit zum Gegensteuern der Übersteuerung verwendet wird. LG nennt dies Receiver-as-a-Mic, kurz RAM. Insbesondere bei Konzert­aufnahmen kommt das Prinzip zum Tragen, was wir bei einer Testaufnahme im IFA-Sommergarten während des Auftritts der Band "Von wegen Lisbeth" ein wenig unter Augenschein nehmen konnten.

Lesen Sie in einer weiteren Meldung unsere Eindrücke zum LG V30 im Hands-on.

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