Klassik-Streaming

Apple Music Classical im Test: Für Klassik-Fans fast ideal

Klassik-Lieb­haber leiden oft unter den schlechten Such- und Sortier­funk­tionen bei herkömm­lichen Musik-Strea­ming-Diensten. Im Test stellen wir fest: Apple Music Clas­sical löst dieses Problem fast ideal - bringt dafür aber ein anderes Problem mit.
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Apple Music Classical im Test Apple Music Classical im Test
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Zahl­reiche klas­sische Orchester, Opern­häuser und Musik­fes­tivals streamen ihre Auffüh­rungen ins Internet, und auch Musik-Strea­ming-Dienste sind oft sehr gut mit klas­sischer Musik bestückt. Und trotzdem besteht weiterhin das Problem, dass Klassik-Lieb­haber dort oft nur schwer die Musik finden, die sie hören möchten, weil die Indi­zie­rung der Klassik-Titel mit Schlag­wör­tern oder die interne Such­funk­tion oft unzu­rei­chend sind.

Apple hat nun nach längerer Vorbe­rei­tung endlich einen Strea­ming-Dienst für Lieb­haber klas­sischer Musik gestartet, um diesem Problem Herr zu werden. 2021 hat Apple hierzu den Dienst Prime­phonic für klas­sische Musik über­nommen. Im April 2022 gab es dann erste Hinweise auf Apple Music Clas­sical. Mitte März dieses Jahres wurde der Dienst schließ­lich offi­ziell ange­kün­digt und es wurden weitere Details bekannt.

Seit dem 28. März ist die App nun offi­ziell verfügbar und wir konnten den Klassik-Strea­ming-Dienst einem ersten Test unter­ziehen. Wer den Dienst eben­falls auspro­bieren möchte, kann Apple Music übri­gens hier über Shazam drei Monate lang kostenlos testen statt nur einen Monat lang bei Apple direkt. Apple Music Classical im Test Apple Music Classical im Test
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch

Die Anfor­derungen von Klassik-Hörern

Ist Apple Music Clas­sical denn nun ein ganz neues Musik-Angebot? Die Antwort darauf lautet ganz klar "nein". Denn die in Apple Music Clas­sical verfüg­bare Musik war auch bereits im bishe­rigen Apple Music enthalten. Darum kostet Apple Music Clas­sical auch nichts extra, sondern ist im Abo-Preis von Apple Music bzw. Apple One enthalten. Hinzu­gekommen sind aber eine deut­lich bessere Indi­zie­rung der Musik­titel und Alben sowie Such- und Sortier­funk­tionen, die auch den anspruchs­vollsten Klassik-Lieb­haber zufrie­den­stellen dürften.

Eher langweilige Startseite Eher langweilige Startseite
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Klassik-Lieb­haber haben nämlich ganz beson­dere Ansprüche. Oft wollen sie eine Sinfonie, Oper oder ein Kammer­musik­stück von einem ganz spezi­ellen Inter­preten hören, und dazu wollen sie dann entweder nach Instru­men­talisten, Sängern, Diri­genten, Orches­tern, Chören oder Ensemble-Namen suchen. Und ganz beson­ders beliebt ist der direkte Vergleich verschie­dener Inter­pre­tationen eines bestimmten Musik­stücks, um heraus­zufinden, wer das entspre­chende Musik­stück wie inter­pre­tiert und wie sich Inter­pre­tationen beispiels­weise auch im Lauf der Jahr­zehnte verän­dert haben.

Und darüber hinaus sollte ein Musik-Strea­ming-Dienst auch inspi­rie­rend wirken, damit man als Hörer dort auch einmal Kompo­nisten, Werke und Inter­preten entde­cken kann, von denen man mögli­cher­weise noch nie etwas gehört hatte. Seit dem Aussterben von CD- und LP-Läden in den Innen­städten haben zwischen­zeit­lich Online-Musik-Versand­händler wie jpc, Kultur­kauf­haus Duss­mann, World of Music, Thalia, Zwei­tau­send­eins und andere diese Aufgabe wahr­genommen - nicht zuletzt auch deswegen, weil Amazon und andere Shop-Größen nur unzu­rei­chende Such­funk­tionen und Arti­kel­beschrei­bungen bieten. Und genau das erwartet man heute nun von einem modernen Klassik-Strea­ming-Service.

Heraus­ragend: Such- und Sortier­funk­tion

Wer unter iOS einen ersten Blick auf die Start­seite von Apple Music Clas­sical wirft, könnte denken, er wäre bei einem regu­lären Musik-Strea­ming-Dienst gelandet, wo es auf der Start­seite oft sehr unspe­zifi­sche Musik-Empfeh­lungen, Play­lists nach Stim­mungs­lage oder Tages­zeit oder empfoh­lene Neuerschei­nungen gibt. Eine beson­ders auf unsere Hörge­wohn­heiten zuge­schnit­tene Gestal­tung der Start­seite konnten wir auch nach mehreren Tagen des Tests nicht fest­stellen.

Kategorien für die Sortierung der gefundenen Musik Kategorien für die Sortierung der gefundenen Musik
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Wer sich davon aber nicht abschre­cken lässt, sondern damit beginnt, intensiv die Such­funk­tion zu nutzen, wird aus dem Staunen nicht mehr heraus­kommen. Die Verschlag­wor­tung der gespei­cherten Musik ist sehr gut. So gut wie alle unsere Such­vor­gänge lieferten das von uns gewünschte Ergebnis, selbst wenn wir nach fast unbe­kannten Titeln, Werken, Kompo­nisten oder Inter­preten suchten.

Und genau an dieser Stelle entfaltet dann Apple Music Clas­sical sein volles Poten­zial: Nämlich beim Abspei­chern der Such­ergeb­nisse. Man kann in dem Dienst eben nicht nur unspe­zifi­sche "Play­listen" wie bei allen anderen Musik­diensten spei­chern, sondern die Ergeb­nisse lassen sich sortiert abspei­chern nach Album, Titel, Künstler, Aufnahme, Werk oder Kompo­nist.

Einige Beispiele für die Sortier­funk­tion

Als wir mit dem Abspei­chern unserer Such­ergeb­nisse begannen, entdeckten wir das große Poten­zial, das die App bietet. Suchten wir beispiels­weise nach Richard Wagners "Parsifal", sahen wir sofort, dass der Dienst hierfür sage und schreibe 527 Aufnahmen aus allen Zeit­epo­chen vorrätig hat. Klickt man dieses Ergebnis dann an, erscheinen alle Alben, und bereits aus der Ergeb­nis­liste sind Orchester und Diri­gent ersicht­lich.

Unsere Liste favorisierter Komponisten Unsere Liste favorisierter Komponisten
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Nicht groß beachten sollte man aller­dings die Jahres­zahlen, da es sich hier - wie bei anderen Musik­diensten auch - nicht um das Aufnah­medatum, sondern das (Wieder-)Veröf­fent­lichungs­datum einer Aufnahme handelt. Eine Aufnahme mit Otto Klem­perer kann also nicht von 2014 sein, da der Diri­gent bereits 1973 verstorben war.

Beson­ders inter­essant fanden wir im Test das Abspei­chern von Kompo­nisten als Favorit in der Media­thek. Wer beispiels­weise "Franz Liszt" abspei­chert, bekommt sofort ange­zeigt, dass es zu diesem Kompo­nisten 600 Werke (nicht Alben!) bei Apple Music gibt. Und wer sich diese Ergeb­nis­liste dann anschaut, wird darüber staunen, dass es eben nicht nur hunderte Aufnahmen der Klavier- und Orches­ter­werke von Franz Liszt gibt, sondern dass beispiels­weise die im Konzert­leben eher selten zu hörenden Kirchen­musik­werke des Kompo­nisten inzwi­schen auf zahl­rei­chen Aufnahmen entdeckt werden können. Vom "Christus"-Orato­rium gibt es zum Beispiel über 20 Aufnahmen.

Proble­matisch bleibt aller­dings die abwei­chende Schrei­bung mancher Titel. Oft findet man ein Werk nur, wenn man nach Kompo­nis­ten­name und "Violin­sonate" sucht, manchmal aber nur, wenn man Kompo­nis­tenn­name und "Violin Sonata" eingibt. Das hat mit der leider oft inkon­sis­tenten Erfas­sung der Titel bei den Strea­ming­diensten zu tun. Noch schwie­riger wird es, wenn man fran­zösi­sche, spani­sche oder italie­nische Schreib­weisen mit einbe­ziehen muss.

Das App-Angebot: Ausbau­fähig

Wie bereits berichtet ist Apple Music Clas­sical zunächst als App für Apple-Geräte gestartet. Das macht es aktuell noch schwierig, den Dienst auf anderen Geräten und Platt­formen sinn­voll zu nutzen. Eine Android-App soll aller­dings demnächst noch erscheinen.

Nach wie vor zugäng­lich ist der Web-Player von Apple Music. Hier stehen aller­dings noch nicht alle Funk­tionen der Clas­sical-App zur Verfü­gung. Eine Android-App für das herkömm­liche Apple Music gibt es eben­falls schon seit einiger Zeit, hier besteht aber dasselbe Problem. Und der größte Fehler ist, dass bei Angabe derselben Apple-ID die in der Clas­sical-App gespei­cherten Alben, Kompo­nisten usw. nicht mit anderen Platt­formen synchro­nisiert werden. Diesen Fehler muss Apple drin­gend beheben.

Beispielanzeige für Franz Liszt Beispielanzeige für Franz Liszt
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Immerhin gab uns die Verwen­dung der alten Apple-Music-App für Android die Möglich­keit, die Musik auf einen Chro­mecast zu streamen. Aller­dings muss hierzu jedes Album bzw. jeder Titel wegen der fehlenden Synchro­nisa­tion neu gesucht werden, was sehr umständ­lich ist.

Komplett Fehl­anzeige sind eine Apple-Music-(Clas­sical-)App für Windows, für Android TV und andere Platt­formen. Hier sollte Apple drin­gend nach­bes­sern und seine haus­eigene Apple-Brille ablegen. Denn insbe­son­dere Klassik-Lieb­haber verfügen zu Hause meist über Strea­ming-Boxen, Netz­werk-Receiver und Heim­kino­anlagen mit mehreren Laut­spre­chern - und da sollte das Streamen nicht so komplex sein, wie es aktuell mit Apple Music Clas­sical noch ist.

Die Wieder­gabe­qua­lität

Im Test haben wir die Musik also entweder vom iPhone über Blue­tooth an einen mit einer Stereo­anlage verbun­denen Blue­tooth-Adapter gestreamt oder eben über den Umweg der Android-App von Apple Music auf eine Nokia-Strea­ming-Box mit Android-TV, die an einer 5.1-Heim­kino­anlage von Laut­spre­cher-Hersteller Teufel hängt.

Und bei allen von uns wieder­gege­benen Alben und Einzel-Tracks haben wir kein einziges Mal mit Ruck­lern oder Ausset­zern zu kämpfen gehabt. Netz­werk­tech­nisch ist Apple Music (Clas­sical) unserer Auffas­sung nach also deut­lich besser aufge­stellt als beispiels­weise Amazon Music, bei dem wir (selbst mit Unli­mited-Abo) immer wieder Aussetzer erlebt hatten.

Auch die Wieder­gabe­qua­lität war bei Apple in unserem Test stets sehr gut und entsprach der von einer CD gewohnten Qualität. Insbe­son­dere bei klas­sischer Musik sind bei zahl­rei­chen Strea­ming-Diensten oft die starken Kompres­sions­raten zu hören, das war in unserem Test bei Apple nicht der Fall.

Inter­essan­ter­weise konnten wir nur bei der Android-App von Apple Music (aber nicht unter iOS) in den Einstel­lungen verschie­dene Quali­täts­stufen für mobiles Strea­ming, WLAN-Strea­ming und Down­loads fest­legen sowie Lossless Audio akti­vieren bzw. deak­tivieren. Bei der Auswahl von Hi-Res Lossless mit ALAC bis zu 24-Bit/192 kHz weist die Android-App auch darauf hin, dass für diese Quali­täts­stufe ein externer Digital-Analog-Wandler benö­tigt wird. Doch auch mit Hi-Res Lossless mit ALAC bis zu 24-Bit/48 kHz war das Hörergebnis durch­gehend sehr gut.

Fazit: Apple macht vieles richtig - aber (noch) nicht alles

Apple bietet mit Apple Music Clas­sical zwar keine neue Musik-Auswahl, dafür aber einen Dienst, auf den viele Lieb­haber klas­sischer Musik schon lange gewartet haben: Durch die ausge­feilten Such- und Sortier­optionen ist es möglich, wirk­lich jede in dem Dienst verfüg­bare (auch seltene) Aufnahme zu finden und mit anderen Inter­pre­tationen desselben Werks zu verglei­chen. Das haben wir in der Form noch bei keinem anderen Musik-Strea­ming-Dienst gesehen. Auch die Klang­qua­lität kann sich sehr gut hören lassen.

Drin­gend notwendig ist aber eine deut­lich bessere Unter­stüt­zung anderer Platt­formen außer­halb des Apple-Univer­sums. Daran führt für Apple kein Weg vorbei, möchte man den Dienst einer brei­teren Hörer­schaft präsen­tieren und nicht nur den eigenen Apple-Fans. Dass die ange­legte Musik­samm­lung bei iden­tischer Apple-ID auch nicht zwischen verschie­denen Platt­formen synchro­nisiert wird, ist ein Fehler, den Apple sich eigent­lich nicht erlauben kann.

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