Forschung

Verursacht Mobilfunkstrahlung doch Krebs?

Eine mehrjährige Studie aus den USA zeigt einen Zusammenhang zwischen Mobilfunk-Strahlung und Tumorerkrankungen - bei Ratten. Das legt allerdings nahe, dass sie auch gesundheitliche Auswirkungen auf Menschen haben kann.
Von Marie-Anne Winter

Bei einer Laborratte werden Blutdruck- und Herzschlagdaten gemessen. Bei einer Laborratte werden Blutdruck- und Herzschlagdaten gemessen.
Bild: dpa
Die Frage, ob Handy-Strahlung krank macht oder nicht, ist noch immer nicht geklärt, obwohl mittlerweile bereits die Netze der fünften Mobilfunkgeneration entwickelt werden. Während die einen immer wieder warnen, dass die Strahlung, die durch mobile Technologien ausgesendet wird, auf Dauer gefährlich werden könne, spotten die anderen, dass die Angst vor der Strahlung das deutliche größere Problem sei: Es kommt immer wieder vor, dass Anwohner über gesundheitliche Beschwerden klagen, sobald in der Nähe ein Antennenmast aufgestellt wird - die Bei einer Laborratte werden Blutdruck- und Herzschlagdaten gemessen. Bei einer Laborratte werden Blutdruck- und Herzschlagdaten gemessen.
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vermeintlichen Beeinträchtigungen tauchen allerdings oft schon auf, bevor die Anlagen überhaupt in Betrieb gegangen sind.

Inzwischen gibt es aber auch Langzeitstudien, die zwar ebenfalls noch keine eindeutigen Aussagen zulassen, wie gefährlich Mobilfunkstrahlung wirklich ist, aber doch Hinweise darauf liefern, dass es tatsächlich gesundheitliche Auswirkungen gibt. So veröffentlichte das Science Magazin Ende vergangener Woche einen Artikel über eine mehrjährige Studie mit Ratten, die zeigt, dass Mobilfunkstrahlung einen nachweisbaren Einfluss auf zwei Arten von Tumoren hat. Betroffen waren allerdings nur männliche Tiere. Weibliche Ratten hatten lediglich eine etwas geringere Geburtenrate. Die Studie hatte das US National Toxicology Program (NTP) in Auftrag geben. Diese Studie ist einer der bislang größten und umfassendsten Untersuchungen dieser Art, für die immerhin ein Budget von 25 Millionen US-Dollar locker gemacht wurde.

Je mehr Strahlung, desto mehr Tumore

"Dies ist eine große Sache. Das ist etwas wirklich Wichtiges in unserem täglichen Leben, das sorgfältig und schnell ausgewertet werden muss, weil Menschen davon betroffen sein können", wird Christopher Portier zitiert, ein Bio-Statistiker, der an der Entwicklung der Studie als stellvertretender Leiter des Toxikologie-Programms beteiligt war. Allerdings relativiert er, dass noch nicht klar sei, wie weit man diese Ergebnisse auf Menschen übertragen könne. Auf einer Pressekonferenz sagte der derzeitige stellvertretende Leiter des NTP, John Bucher: "Wir glauben, dass diese Ergebnisse für die Diskussion über Handy-Sicherheit von Interesse sind."

Bei den Tumoren, die bei den Ratten aufgetreten sind, handelt es sich um Hirntumore (Malignes Gliom) und Tumore am Herzen, die Gliazellen betreffen (Schwannome). Die Ratten wurden jeweils neun Stunden täglich der Mobilfunkstrahlung ausgesetzt, wobei verschiedene Gruppen von Tieren unterschiedlichen Strahlendosen ausgesetzt waren, zum Teil lag die Strahlung unter den Grenzwerten, von der FCC vorgegeben werden, andere Tiere bekamen die doppelte oder vierfache Bestrahlung. Verwendet wurden die gleichen Frequenzen wie für das europäische GSM-Netz und das US-amerikanische CDMA-Netz (900 MHz und 1900 MHz).

Bei den Tieren, die der stärksten Strahlung ausgesetzt waren, fanden sich auch die meisten Tumore. In Kontrollgruppen, die keinerlei Strahlung ausgesetzt wurden, kamen beide Arten von Tumoren überhaupt nicht vor.

Nicht alle sind überzeugt

Zusammengenommen seien die Beweise überzeugend, sagt Bucher, aber noch lange nicht definitiv. Es gibt aber auch hier Skeptiker, etwa Michael Lauer, den stellvertretenden Direktor des National Institute of Health Office of Extramural Research. In einem Review-Kommentar zu der Studie schreibt der frühere Kardiologe, dass die Ergebnisse wegen der relativ geringen Anzahl von Tieren in dem Test auch Fehlalarme sein könnten. "Ich bin nicht in der Lage, die Schlussfolgerungen der Studien-Autoren zu akzeptieren." Andere Forscher hingegen stellten fest, dass die Anzahl der beteiligten Tiere in der Studie etwas höher war als üblich. Im Rahmen der Experimente bestrahlte das IIT Research Institute in Chicago über zwei Jahre lang insgesamt mehr als 2500 Ratten und Mäuse.

Doch gefährlicher als Kaffee?

Die offizielle Einschätzung der US-Regierung ist bisher, dass der überwiegende Anteil der wissenschaftlichen Erkenntnisse keine gesundheitlichen Risiken durch Mobilfunk nahelege, solange die geltenden Grenzwerte eingehalten werden. Die Bundesregierung sieht das so ähnlich - auf der Seite des zuständigen Bundesamts für Strahlenschutz heißt es: "Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand reichen die international festgelegten Höchstwerte aus, um vor nachgewiesenen Gesundheitsrisiken zu schützen." Allerdings bestünden nach wie vor Unsicherheiten in der Risikobewertung, weshalb das BfS einen vorbeugenden Gesundheitsschutz weiterhin für erforderlich hält und entsprechende Tipps gibt [Link entfernt] , wie man die tägliche Strahlendosis möglichst gering halten kann.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hält Mobilfunkstrahlung für "möglicherweise krebserregend" und sortiert sie in die Risiko-Gruppe 2B ein, die auch für sauer eingelegtes Gemüse und Kaffee gilt. Möglicherweise tragen die Ergebnisse dieser neuen Studie dazu bei, dass diese Einordnung neu überdacht wird.

Hintergrund-Informationen zum Thema Mobilfunk-Strahlung finden Sie auch in unserem Ratgeber.

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